Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

DOI issue:
Heft 2
DOI article:
Schur, Ernst: Über dekorative Malerei
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0091

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ÜBER DEKORATIVE MALEREI.

der Farbe das zu sagen, was er sagen will.
Das muß betont werden, damit es nicht so
aussieht, als wäre das Stoffliche bei ihm ent-
scheidend. Nein, man soll nicht das Christ-
liche, oder das Antike, oder das Romantische
betonen. Es ist ein eigener Geist darin, und
dieser Geist schafft sich seine Sprache in seiner
Technik. Wie eigen Steinhausen vorgeht, das
zeigt das Verwenden des landschaftlichen
Moments. Seine Darstellungen wachsen organisch
heraus aus dem Hintergrund einer weiten, un-
endlich sich dehnenden Landschaft. Die Natur
ist ihm der große Hintergrund, auf dem sich
das Geschehen abspielt. Der Mensch ist nur
eine Einzelerscheinung. Er ist ein Teilchen
im Ganzen. Er drängt sich nicht vor. Mit
richtigem Gefühl — man sehe daraufhin, auf
das Verhältnis zwischen Landschaft und Mensch,
die Wandbilder an — verringert Steinhausen
die Zahl der Personen möglichst und läßt
lieber die Natur sprechen.

Mit welcher Kunst drängt Steinhausen eine
Fülle der Anschauung auf wenigen Flächen zu-
sammen. Der einsam thronende Christus bildet
den Mittelpunkt. Im Hintergrund erscheint in
wundervoll geschwungenen Linien eine deutsche
Landschaft. Wie entzückend ist der blühende
Baum des Seitenbildes, unter dem die Frau mit
dem Kind steht. Die tätige Arbeit im Garten
veranschaulicht das rechte Seitenbild, das eine
feine, intime Stimmung damit festhält. So
fügt — und die folgenden Felder, die unteren
Stücke führen diese Darstellungen, die jedes
ein Vorkommnis aus der Bibel zum Gegenstand
haben — das Ganze schließlich eine Welt zu-
sammen, die christliche Welt, der in drei an-
tiken Entwürfen die griechische Welt gegen-
übergestellt ist, die nicht als Gegensatz, sondern
als Hindeutung auf das Kommende aufgefaßt
tst: Orestes, die Argonauten und Iphigenie. Wie
schön ist die Luftstimmung überall festgehalten.
Wie hell liegt die Luft über dem blühenden
Baum, wie ruhig steht die Luft über dem
Gartenbild. Man kann die verschiedenen Zeiten
des Tages ablesen aus der Gesamtlichtstimmung
jedes einzelnen Feldes. Warm und intim ist
die Farbengebung der Gemälde aus der christ-
lichen Welt, kühl und dunkel steht die antike
Welt vor uns. Und vor allem erfreut immer
wieder die verhaltene Kraft, die maßvoll alles
zum sinnvollen Ausdruck bringt und sinnvoll
zu einer Einheit zusammenschmilzt. Wir
denken manchmal an die zarte und feine Schön-

heit der alten rheinischen Meister und dann
wieder sehen wir eine ganz moderne, gefestigte
Persönlichkeit vor uns, die aus allem, was ihres
Wesens ist, sich eine eigene Sprache schafft.

IV.

Es ist die Größe und Reinheit der echten
Kunst in diesen Werken: das Allgemeine der
Technik und das Persönliche der Anschauung
ist zu einer reifen und freien Harmonie aus-
geglichen. Die Mittel sind gehandhabt, wie der
Zweck es vorschreibt, und dennoch sind sie
nur Mittel zur Aussprache einer Persönlich-
keit geblieben. Steinhausen ist für Deutschland
eine einzigartige Erscheinung, und spätere Zeiten
werden erkennen, wie organisch in ihm eine
ganz charakteristische Landschaft, ein bestimmter
Bezirk Deutschlands künstlerische Aussprache
und Prägung, nicht im Inhaltlichen, sondern im
Stilistischen, in der ganzen Haltung, erfährt.
Dann wird ein weiterer Kreis seine Bedeutung
erkennen. Denn er erscheint dann in seiner
allgemeineren Bedeutung, als Typus, als Not-
wendigkeit, als selbstherrliche, glaubensvoll sich
in einer Zeit der Wirrnisse entfaltende, einheit-
liche Kraft. Und was den engeren Bezirk der
Kunst anlangt, so deuten seine Arbeiten schon
über die Zeit hinüber in eine Periode, die es
lernt, aus dem Impressionismus einen
dekorativen Stil zu formen. In der schönen,
freien Leichtigkeit seiner Gestaltung, in dem
Gefühl für den Raum beweist der Künstler,
daß nicht etwa der Impressionismus nach ihm
kam, sondern daß er sowohl diesen wie auch
die Gesetze der modernen Raumkunst be-
nutzt. Ein Beweis, wie reiche Gabe dem er-
blüht, der voll aus dem eigenen Innern schafft,
während die Auffassung, die eine alleinselig-
machende Theorie verbreiten will, nur denen
zugute kommt, die nichts Eigenes in sich haben
und daher eines Führers bedürfen, der sie an-
leitet, eines Stabes, auf den sie sich stützen,
eine Rede, die sie rechtfertigt. So ist das
Werk des echten Künstlers einer natür-
lichen Blume zu vergleichen. Die andere Art
aber, die nach Theorien und Regeln fragt und
der Mode nachläuft, ist wie das Wachstum
einer Treibhauspflanze. Diese bietet vielleicht
einen kuriosen, interessanten, vielleicht auch
geschmackvollen — was ist nicht alles ge-
schmackvoll?! — Anblick und Einzelfall, aber
sie bereichert die Welt der Kunst um keine
neuen Werte.

55
 
Annotationen