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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 4
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Simchowitz, Sascha: Die Kölner Malerschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0174

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DIE KÖLNER MALERSCHULE.

i

kostbaren Miniaturen wurden Öfen geheizt, Bilder
mittelalterlicher Maler als Wände für Hühner-
ställe gebraucht. In Köln, dem Zentrum der
ganzen Pfaffengasse, machten sich diese Vorgänge
besonders fühlbar: den unvollendeten Dom wollte
der französische Präfekt zu einer „pittoresken
Ruine“ verfallen lassen, und mittelalterliche
Kunstwerke aller Art trieben sich fast herrenlos
in Rumpelkammern und Trödelbuden umher.

Ein Irrtum aber wäre es, zu glauben, daß
die Kölner Bevölkerung sich sonderlich um
derlei Dinge gekümmert hätte. Vielmehr war
es nur ein ganz kleiner Kreis, dessen Interesse
wachgerufen wurde. Oder richtiger gesagt, zwei
kleine Kreise. Im Mittelpunkt des einen stand
der Kanonikus und Professor Franz Ferdinand
Wallraf, der, wie Goethe ihn charakterisiert,
„seiner Vaterstadt leidenschaftlich angeeignet,
sein ganzes Leben, Hab und Gut verwendete,
ja, die ersten Bedürfnisse sich öfters entzog, um
alles ihm erreichbare Merkwürdige seinem Ge-
burtsort zu erhalten“. Das Pathos seines Lebens
war das Sammeln, und die Liebe zur Vaterstadt
gab dieser allgemeinen Tendenz die Richtung
auf rheinische und kölnische Altertümer.

Die andere Gruppe hatte in dem Häuptling
der Romantiker, Friedrich Schlegel, ihren
Führer. Die vier Jahre (1804—1808), die Frie-
drich Schlegel als Lehrer an der Kölner Se-
kundärschule unterrichtete und während welcher
er zugleich Vorlesungen für Erwachsene hielt,
sind für die gesamte Erkenntnis altdeutscher
Kunst von außerordentlicher Bedeutung ge-
worden. In Paris hatte Schlegel drei junge
Kölner Patriziersöhne, die Brüder Sulpiz und
Melchior Boisseree, und ihren Freund Johann
Baptist Bertram kennen gelernt. Mit Be-
geisterung schlossen sich die von der ro-
mantischen Zeitströmung ergriffenen Jünglinge
an den verehrien Meister an und bewogen ihn,
nach ihrer Vaterstadt überzusiedeln. Schlegel
hatte sich seit 1802 in der französischen Haupt-
stadt aufgehalten, um die im Louvre vereinigten
Kunstwerke zu studieren. Dort war ihm das
Ideal der älteren Malerei, die für ihn mit „Tizian,
Correggio, Julio Romano, Andrea del Sarto,
Palma und andern der Art“, also mit der Mitte
des 16. Jahrhunderts abschließt, im Gegensatz
zum späteren Stil aufgegangen. Und er ließ
sich darüber in seiner Zeitschrift „Europa“
folgendermaßen aus: „Keine verworrenen Haufen
von Menschen, sondern wenige und einzelne
Figuren, aber mit dem Fleiß vollendet, welcher
dem Gefühl von der Würde und Heiligkeit
der höchsten aller Hieroglyphen, des mensch-
lichen Leibes, natürlich ist; ernste und strenge
Formen in scharfen Umrissen, die bestimmt
heraustreten; keine Malerei in Helldunkel und
Schmutz, in Nacht und Schlagschatten, sondern
reine Verhältnisse aus Massen von Farben,
wie in deutlichen Akkorden; Gewänder und

Kostüme, die mit zu den Menschen zu gehören
scheinen, so schlicht und naiv als diese; in
den Gesichtern aber, der Stelle, wo das Licht
des göttlichen Malergeistes am hellsten durch-
scheint, bei aller Mannigfaltigkeit des Aus-
druckes oder vollendeter Persönlichkeit der
Züge, durchaus und überall jene kindliche gut-
mütige Einfalt und Beschaulichkeit, die ich
geneigt bin, für den ursprünglichen Charakter
der Menschen zu halten; das ist der Stil der
alten Malerei, der Stil, welcher mir, ich bekenne
hierin meine Einseitigkeit, ausschließlich ge-
fällt _“

Diese Charakteristik ist wie divinatorisch ge-
schrieben: sie paßt viel weniger auf die Ge-
mälde, die Schlegel damals — 1802 — im
Louvre sah, als auf die Werke der Alt-
kölnischen Schule, die er erst zwei Jahre später
kennen lernen sollte.

Es ist begreiflich, daß Schlegel wahrhaft
begeistert war, als er im Sommer 1804 in
Köln das Bild aus der Ratskapelle (die An-
betung der heiligen drei Könige, die sich jetzt
im Dom befindet), die Passion beim Kauf-
mann Lyversberg und die Gemäldesammlung
Wallrafs sah. Aber erstaunlich bleibt es, wie
er aus dem verhältnismäßig geringen Material,
das ihm zur Verfügung stand, die ganze Be-
deutung und die charakteristischen Merkmale
dieser Schule, ja, sogar in allgemeinen Um-
rissen ihren Entwicklungsgang erkannt hat. Er
beginnt zunächst mit dem Hinweis, daß diese
Gemälde „dem hiesigen Boden und Lande ein-
heimisch entsprungen sind“. „Und diese Ge-
mälde sind altdeutsche Gemälde, eine eigene,
für sich bestehende Schule, reicher, umfassender,
als es vielleicht je eine im südlichen Deutsch-
land gab; eine Schule, welche zugleich die
innige Verbindung und Einheit der altdeutschen
und altniederländischen Malerei augenscheinlich
beweist. Hier findet man Bilder, welche man
den besten Holbeins an die Seite setzen darf,
andere in Dürers Art und wieder andere aus der
Schule des Eyck; dann viele andere, welche
weit älter sind als diese Meister.“ Schlegel
rühmt dann ganz besonders die „bewunderns-
würdige Farbenpracht“ der altkölnischen Bilder,
gibt eine enthusiastische Schilderung der An-
betung der heiligen drei Könige und resümiert
sich schließlich dahin: „Sollte aber jemand
Zweifel hegen gegen diese Ankündigung und
Behauptung einer so sehr alten Köllnischen
Schule deutscher Malerei, so können wir dafür
einen sehr vollgültigen und zwar gleichzeitigen
Gewährsmann aus dem schwäbischen Zeitalter
anführen .... Wolfram von Eschilbach (sic!)
in seinem Parcival sagt, Vers 4705 der Myller-
schen Ausgabe, wo von der bezaubernden
Schönheit eines Ritters die Rede ist:

Von Köllne noch von Mastricht

nicht ein Schilderer entwurf ihn hass . . .

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