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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 5
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Schäfer, Wilhelm: Starke Talente: in der Ausstellung des Verbandes der Kunstfreunde zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0228

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STARKE TALENTE.

eins überholt immer das andere; man ist
geneigt, die ungeahntesten Dinge von ihnen zu
erhoffen.

Haueisen gibt in vier Bildern, zwei Land-
schaften, einem Porträt und einem Blumen-
stück, eine gute Andeutung, wie umfassend
seine Absichten sind. So viel Anerkennung
seine tieftönige Landschaft aus Bernau findet, so
viel Abneigung — manchmal Abscheu — ruft
seine Regenbogenlandschaft hervor. Und doch
ist gerade sie die kühnste Probe seines Talents,
ein Prachtstück deutscher Landschaft, das be-
greiflicherweise die „Tonfeinfühligen“ als eine
Barbarei anmutet, weil es in strahlenden starken
Farben und einem unerhörten Akkord von Hell-
grün zu stärkstem Blau entwickelt ist. Aber
wie schon das Porträt seines Bruders zwischen
blassen modernen Bildern leicht bunt wirkte und
im deutschen Saal zwischen den alten Meistern
als ihresgleichen steht, so möchte man auch
diese regenbogenüberleuchtete Frühlingsschein-
ebene zwischen die Pracht altkölnischer Bilder
stellen; sie würde dort zeigen, wie zart und
sanft sie ist. Das „Porträt einer Italienerin“
soll ein früheres Stück des Malers sein, jeden-
falls ist es dem Porträt seines Bruders an
malerischer Haltung überlegen, und in seinem
gedämpften Akkord von einer verhaltenen wun-
dervollen Stärke. Es ist neben dem Thoma
das zweite Hauptstück des Saales, als Por-
trät wie als Malerei eine ungewöhnliche
Leistung, von jener ungesuchten Einfachheit,
die bei großen Meistern so selbstverständlich
scheint. Das Blumenstück, anscheinend aus
der selben Zeit stammend, spielt dieselben
Klänge ins Sanfte. Von den Fünfen ist Hau-
eisen der Unruhigste, aber darum vielleicht der
Hoffnungsvollste.

Dicht über seinem Blumenstück hängt eins
von seinem Freunde E. R. Weiß, das auf den
ersten Blick hart scheint, um dann den Blick
unwiderstehlich anzuziehen. Eine Malerei der
ungebrochenen Farben auf hellem Grund, in
der auf allen Stimmungs- und Tonzauber ver-
zichtet wird und nur der klare starke Akkord
zu sprechen hat. Man weiß, daß E. R. Weiß
sich die Stärke dieser Ausdrucksmittel Schritt
für Schritt erkämpft hat. (Der Goldlack im
deutschen Saal zeigt, wo er anfing.) Heute ist
er auf diesem Gebiet zwar nicht „Spezialist“,
aber er hat sich in der sonst berüchtigten Still-
leben- und Blumenmalerei auf eine Höhe ge-
bracht, die ihm meist noch nicht erreichbar ist;
gleichsam wie wenn er in diesen einfachen
Sachen erst hätte malen lernen wollen, um
dann an jene unerhörten Dinge zu gehen, davon
das „Liebespaar unter Wolken“ eine Probe ist.
Mir fällt angesichts seiner Blumenstücke immer
Heinrich von Kleist ein, der an seinem Robert Guis-
card verzweifelnd in novellistischer Kleinarbeit
das Vertrauen in sich selbst zurück erwarb. In

diesem Maler gehen bedeutende Absichten um
(man beachte das prachtvolle Mosaik im Behrens-
Raum); wenn es ihm gelänge, sich für seine
gedanklichen Vorwürfe eine gleich vollendete
Technik wie die seiner Blumenstücke zu er-
zwingen, hätten wir einen großen Maler. In-
sofern ist das Porträt seiner Frau mit dem
Blumenstrauß ein herrliches Stück, und allen
seinen Blumen überlegen.

Ganz problematisch ist Karl Hofer, gegen
dessen Bilder sich außerdem auch der „mora-
lische Mensch“ erregt. Seitdem er in der ersten
deutschen Künstlerbundsausstellung durch sein
rothaariges Mädchen auffiel, achtet man sehr
auf ihn, ohne ihm eigentlich gewogen zu sein.
Wenn er nicht seine Farbe hätte, eine außer-
ordentlich delikat gestimmte Farbe, würde man
ihm seine oft absichtlich naive Zeichnung
schwerlich verzeihen. Diesmal kommt er mit
zwei Arbeiten anderer Art: das Farbige tritt
zurück hinter einer bräunlich-silbernen Hellig-
keit, die ungemein wohltuend alle Formen um-
gibt und an einen ganz zarten Rembrandt
denken läßt. Namentlich der „Morgen“ mit
dem sanft eindringenden Licht ist von einem
einschmeichelnden Wohllaut. Jedenfalls fühlt
man hierin die eigene Empfindung des Malers
ganz anders als in dem „Frauenraub“, wo
das Vorbild Böcklins keinen Augenblick abzu-
weisen ist.

So bestimmen diese Fünf, jeder auf seine
Art, den Eindruck des modernen Saales; und
dieser Eindruck ist ein künstlerischer, so
der impressionistischen Mittelmäßigkeit ab-
gewandter, daß man wohl eingestehen muß:
solange einer von ihnen noch mit dem äußeren
Leben zu ringen hat, so lange bleiben dem
Verband der Kunstfreunde noch ernste Pflichten
zu erfüllen.

Neben diesen führenden Namen treten einige
ganz unbekannte eindrucksvoll hervor. Da ist
zunächst der Düsseldorfer Ritzenhoven mit einer
ganz merkwürdigen Mondnacht über weit ge-
wellten Bergrücken, die mit Recht an einem
Ehrenplatz hängt; nicht nur geheimnisvoll, fast
mystisch in der Stimmung, sondern auch fein
in der Malerei. Wenn auch im Abstand, muß
danach der Coblenzer Straube genannt werden;
sein dunkel gehaltenes Pastell des Präsidenten
zur Nedden, noch mehr das Porträt eines jungen
Mannes in der Laube, von grünen Sonnen-
lichtern überflutet, verdient lebhafte Anerken-
nung. Dreydorf, in Holland lebend, und Kamp-
mann in Grötzingen sind anerkannte Künstler;
der erste hängt mit zwei frischfarbigen Interieurs,
letzterer mit einem Raureifmorgen in dem Saal.
Schwächer als sie in seinen Leistungen aber
frischer in seinen Absichten ist Georg Altheim,
der in Darmstadt lebende Bruder des bekannten
Frankfurters Altheim: er hängt mit zwei hell-
grünen Landschaften dort, von denen die eine, ein

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