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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 5
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Hoeber, Fritz: Zur Hegemonie der Architektur: historisch-kritische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0238

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G. Altheim. Kornfelder.

Kugelgestalt unter den stereometrischen Ge-
bilden für die schönste, oder vielmehr für die
absolut schöne. Und so mußte sich denn die
gleiche Harmonie in der Subordination sämt-
licher Künste unter eine Hegemonie in praxi
wiederfinden. Das Zeitalter des Perikies kennt —
z. B. am Parthenon — nur eine führende Kunst:
die Architektur, welcher sich selbst die Plastik
eines Phidias, gewiß aber als „niederste“ Kunst,
da sie am meisten „Rheinbilder“ schafft, die
malerische, unbedingt unterordnen muß.

Aber die Griechen sind nicht, wie es be-
schränkter Schulweisheit dünken mag, immer
die gleichen, die unveränderlichen geblieben:
wie unsere zeigt auch ihre Entwicklung die
gleiche Kurve von der asiatisch-archaischen
Romantik zur perikleischen Klassik und
wiederum zur Romantik des Hellenismus —
nur in viel feineren Ausbiegungen, so daß dem
oberflächlichen Beobachter die allerdings über-
wiegende klassische Seite von Hellas für das
Ganze gelten kann! — Die griechische Roman-
tik nun huldigt, wie erdenklich, nicht mehr
so dem strengen Logos der keuschen edlen
Architektur: die amüsantere, kleinere, ornamen-
talere Kunstgattung des Literarischen hat die
Hegemonie schlechterdings unter sämtlichen
verschiedenen Künsten an sich gerissen, ähnlich
wie bei uns im 19. Jahrhundert. Der Mimos, die
so blanke und billige, weil eben so aktuelle
Imitation des öffentlichen und privaten Lebens,
der zuerst von Alexandria aus die klassischen

Arten der Tragödie und Komödie verdrängt hat,
dirigiert nicht nur die ganze hellenistisch-
römische Wandmalerei, wie beispielsweise in
Pompeji, sondern beeinflußt auch mittels seiner
Bühnenbilder die gesamte eigentliche Tektonik
des rein struktiven (Wand-) Aufbaues! — Den
Todesstoß endlich gab der einst in klassischer
Zeit unumschränkt herrschenden Architektur das
junge Christentum, das mit ganz anderen und
neuen: grenzenlosen, unrhythmischen, transzen-
denten Gefühlen seinen Einzug in die antike
Welt hielt!-

Bei den starken Hellenen ist die Kunst nie-
mals von irgend einer außerkünstlerischen Seite
ungünstig beeinflußt worden! Nicht als ob bei
ihnen niemals eine Apotheosis der Herrscher
vorgekommen wäre! Im Gegenteil: das war seit
Alexander in Hellas die Regel! Aber diese
Starken dachten noch nicht so malproper, fremde
Dinge untereinander zu vermengen! Ihre wunder-
bare begriffliche Klarheit, vor allem auch in
Sachen der Kunst: d. h. ihr originales Form-
gefühl wollte und konnte von irgend einer
heteronomen Absicht im Kunstwerk — mochte
diese sich so stolz benennen, wie nur immer —
als nicht rein artistisch nichts wissen!

Und genau so gab es in dem Freistaate der
Künste von vornherein keinen Absolutismus:
die Hellenen sahen immer das Kunstwerk als
organisches, durch Subordination allein sich
haltendes Gebilde an. Diese Organisation aber
wird nur erreicht eben durch Kampf der

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