Römisch-germanisches Korrespondenzblatt
(Fortsetzung· des Korr.-Bl. der Westd. Ztschr. f. Gesch. u. Kunst).
Nachrichten für die römisch-germanische Altertumsforschung.
Herausgegeben von Dr. E. Krüger, Museumsdirektor in Trier.
Das Korrespondenzblatt erscheint alle 2 Monate. — Bezugspreis für das Jahr 3 Mark.
Verlagsbuchhandlung von Jacob Lintz in Trier.
Mai u. Juni. Jahrgang V, 1912. Nr. 3.
Inhalt: 23. Hochäcker. Von E. Reisinger. — 24. Wagner. Ober-Grombach. Rö-
mische Niederlassung. 25. Helmke. Nauheim. Neue Funde. 26. Keune. Zur
Reitergruppe der Mertener Säule. — 27.Forrer. Zur Cibisusschale von Kempten.
28. Lehner. Zur Juppitersäule von Mülfort. — 29. Rott. Röm. Ruinen bei
Obergrombach (Steiner). — 30. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes
für Altertumsforschung in Lüneburg (Koepp).
Der Stand der Hochäckerfrage.
Von
Ernst Reisinger, München.
23. Der Streit über das Alter der Hochäcker in Süddeutschland, die sich von den
modernen Flachbeeten hauptsächlicli durch die grosse Ilöhe und Breite der Wölbung
und durch das stete Beibelialten der Furchen unterscheiden und die durch ihr Vor-
kommen in Wäldern und auf ödem Land schon vor mehr als 80 Jahren die Aufmerk-
samkeit von Gelehrten auf sich gezogen haben, ist neuerdings vvieder entbrannt und
nun endgültig entschieden.
Friedrich Ohlenschlager und Franz Weher haben in der Altbayerischen Monats-
schrift 1911, X S. 117ff. u. S. 143 ff. zwei Aufsätze („Die Hochäckerfrage“ ; „Können
die südbayerischen Hochäcker von Alamannen oder Bajuwaren herrühren“) veröffentlicht,
in denen sie an ihrer schon in Vorträgen und Schriften veröffentlichten Ansicht fest-
halten : Die Hochäcker Süddeutschlands stellen eine nicht bajuwarische Form der
Bodenkultur dar, die wolil sclion 500 v. Chr. his 15 v. Ghr. von den Kelten gepflegt
wurde, die zur Zeit der Römerherrschaft weiterlehte und nach der Einwanderung der
Bajuwaren von den nichtvertriebenen keltoromanisclien Bevölkerungsresten bis ins
9. Jahrh. hinein weiter angewendet sein kann. Den Hauptwert für die Begründung
seiner Ansicht legt 0. selbst auf den sog. Forstbeweis. Alte Karten zusammen mit
urkundlichen Zeugnissen und den Namen früiibajuwarisbher Siedelungen lassen nach
ihm erkennen, dass Forste, die heute Hochäckergewanne zeigen, schon hestanden als
die Bajuwaren einwanderten. Diese fanden im 6. Jahrh. in den Wäldern die Acker-
spuren vor und begannen zu roden, wohei sie aber häufig nicht den ganzen Wald-
bestand abholzten, sodass ein Kranz oder Bogen von Hochäckern rings um die baju-
warische Siedelung erhalten blieh. Weber führt aus : Die Bewirtschaftung der für
Sondereigentum allzu grossen Hochäcker setzt Kommunalbesitz oder Latifundienbetrieb
mit Sklaven voraus, vvas nur in keltischer und römischei' Zeit möglich vvar, während
uns gesicherte Tatsachen der deutschen Reclits- und Agrargeschichte lehren, dass die
Bajuwaren schon in frühester Zeit Sondereigentum, Gemengelage und Dreifelderwirt-
schaft hatten : er betont ferner, dass diesen das Gesetz die Einzännung von Ackerländ
vorschrieb, was bei der grossen Ausdehnung der Hochäckerfluren nicht möglich gewesen
wäre, und dass es schliesslich sehr unwahrscheinlich sei, dass ein Bauernvolk die radikale
Abschvvenkung vom Hochbeetbau zur Flachbeetpflügung ausführe. Es könne nicht
zufällig sein, dass gerade in der Umgehung von Romanensiedelungen sich viele Hoch-
äcker fänden und es sei sehr auffallend, dass aus der Urheimat der Bajuwaren und
Alamannen, aus Böhmen und Franken keine Hochäcker bekannt geworden seien.
Die Aufsätze von 0. und W. bieten eine ausführliche, klare Darlegung ihrer
Ansicht, hringen aher zu den in früheren Schriften angeführten Gründen nichts wesent-
(Fortsetzung· des Korr.-Bl. der Westd. Ztschr. f. Gesch. u. Kunst).
Nachrichten für die römisch-germanische Altertumsforschung.
Herausgegeben von Dr. E. Krüger, Museumsdirektor in Trier.
Das Korrespondenzblatt erscheint alle 2 Monate. — Bezugspreis für das Jahr 3 Mark.
Verlagsbuchhandlung von Jacob Lintz in Trier.
Mai u. Juni. Jahrgang V, 1912. Nr. 3.
Inhalt: 23. Hochäcker. Von E. Reisinger. — 24. Wagner. Ober-Grombach. Rö-
mische Niederlassung. 25. Helmke. Nauheim. Neue Funde. 26. Keune. Zur
Reitergruppe der Mertener Säule. — 27.Forrer. Zur Cibisusschale von Kempten.
28. Lehner. Zur Juppitersäule von Mülfort. — 29. Rott. Röm. Ruinen bei
Obergrombach (Steiner). — 30. Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes
für Altertumsforschung in Lüneburg (Koepp).
Der Stand der Hochäckerfrage.
Von
Ernst Reisinger, München.
23. Der Streit über das Alter der Hochäcker in Süddeutschland, die sich von den
modernen Flachbeeten hauptsächlicli durch die grosse Ilöhe und Breite der Wölbung
und durch das stete Beibelialten der Furchen unterscheiden und die durch ihr Vor-
kommen in Wäldern und auf ödem Land schon vor mehr als 80 Jahren die Aufmerk-
samkeit von Gelehrten auf sich gezogen haben, ist neuerdings vvieder entbrannt und
nun endgültig entschieden.
Friedrich Ohlenschlager und Franz Weher haben in der Altbayerischen Monats-
schrift 1911, X S. 117ff. u. S. 143 ff. zwei Aufsätze („Die Hochäckerfrage“ ; „Können
die südbayerischen Hochäcker von Alamannen oder Bajuwaren herrühren“) veröffentlicht,
in denen sie an ihrer schon in Vorträgen und Schriften veröffentlichten Ansicht fest-
halten : Die Hochäcker Süddeutschlands stellen eine nicht bajuwarische Form der
Bodenkultur dar, die wolil sclion 500 v. Chr. his 15 v. Ghr. von den Kelten gepflegt
wurde, die zur Zeit der Römerherrschaft weiterlehte und nach der Einwanderung der
Bajuwaren von den nichtvertriebenen keltoromanisclien Bevölkerungsresten bis ins
9. Jahrh. hinein weiter angewendet sein kann. Den Hauptwert für die Begründung
seiner Ansicht legt 0. selbst auf den sog. Forstbeweis. Alte Karten zusammen mit
urkundlichen Zeugnissen und den Namen früiibajuwarisbher Siedelungen lassen nach
ihm erkennen, dass Forste, die heute Hochäckergewanne zeigen, schon hestanden als
die Bajuwaren einwanderten. Diese fanden im 6. Jahrh. in den Wäldern die Acker-
spuren vor und begannen zu roden, wohei sie aber häufig nicht den ganzen Wald-
bestand abholzten, sodass ein Kranz oder Bogen von Hochäckern rings um die baju-
warische Siedelung erhalten blieh. Weber führt aus : Die Bewirtschaftung der für
Sondereigentum allzu grossen Hochäcker setzt Kommunalbesitz oder Latifundienbetrieb
mit Sklaven voraus, vvas nur in keltischer und römischei' Zeit möglich vvar, während
uns gesicherte Tatsachen der deutschen Reclits- und Agrargeschichte lehren, dass die
Bajuwaren schon in frühester Zeit Sondereigentum, Gemengelage und Dreifelderwirt-
schaft hatten : er betont ferner, dass diesen das Gesetz die Einzännung von Ackerländ
vorschrieb, was bei der grossen Ausdehnung der Hochäckerfluren nicht möglich gewesen
wäre, und dass es schliesslich sehr unwahrscheinlich sei, dass ein Bauernvolk die radikale
Abschvvenkung vom Hochbeetbau zur Flachbeetpflügung ausführe. Es könne nicht
zufällig sein, dass gerade in der Umgehung von Romanensiedelungen sich viele Hoch-
äcker fänden und es sei sehr auffallend, dass aus der Urheimat der Bajuwaren und
Alamannen, aus Böhmen und Franken keine Hochäcker bekannt geworden seien.
Die Aufsätze von 0. und W. bieten eine ausführliche, klare Darlegung ihrer
Ansicht, hringen aher zu den in früheren Schriften angeführten Gründen nichts wesent-