1.4
aus niclit zu vértreten wünscken. Es liegt, wenn auch der Mangel an jeder Beigabe
eine genauere Datierung der Hügel nicht gestattet, nicht der geringste Gruncl vor, in
diesen Hügeln von Romern aufgeworfene Tumuli zu sehen und damit in Widerspruch
zu treten mit unserer Ueberlieferung, indem wir den Tumulus, den Germanicus auf-
scliüttet, der nach seinem Abmarsch von den Germanen zerstôrt und auf dessen Wieder-
herstellung Germanicus in der Folgezeit verzichtet, in etwa tausend noch heute wohl-
erhaltenen Hügeln wiedererkennen. Und die Gemüter môgen sicli deshalh beruhigen:
Das Yarusschlachtfeld ist immer nocli nicht gefunden.
Berlin. H. Dragendorff.
LITERATUR.
9. Dr. Georg Wilke, Spiral-Mäander-
Keramik und Gefâssmalerei, Hel-
lenen und Thraker. (Darstellungen
über früh- und vorgeschichtliche Kultur-,
Kunst- und Vôlkerentwicklung, herg. von
Prof. Dr. Gustaf Kossinna. i. Heft). Ka-
bitsch, Würzburg. 4,50 M.
Durch den Titel hat der Verfasser das
Ziel seiner Arbeit unzweideutig bezeichnet.
Seine Ausführungen gründen sich auf zwei
frühere Arbeiten. In der einen stellte er
zur Erklârung des Ursprunges der Spiral-
Mäander-Ornamentik die sogen. Verschie-
bungstheorie auf, indem er sich die Spiralen
und ihre mannigfachen Variationen aus ver-
schiedcnartig angeordneten, konzentrischen
Kreisgruppen durch Verschiebung entstan-
den denkt. Diese Theorie darf als eine
überflüssige Hypothese bezeichnet werden,
da die einfachsten Spiralmuster, z. B. auch
die paläolithischen, zweifellos unabhângig
von Kreisgruppen entstanden sind. In der
zweiten Arbeit, auf die der Verfasser zu-
rückkommt, hatte er die ganze Reihe der
steinzeitlichen Gefâss- d. h. Kulturgruppen
in so bestimmter Weise ethnisch qualifiziert,
dass seine neuen Ausführungen nur eine
Fortsetzung der früheren bilden. Man hâtte
sich also auch mit dieser Arbeit des Ver-
fassers (Arch. f. Anthropol. N. F. VII. 1909
S. 298 ff. „Neolithische Keramik und Arier-
problem“) auseinander zu setzen. Danach
decken sich die verschiedenen Kulturkreise,
die sich aus der Verbreitung der spâtneo-
lithischen Gefâssgruppen ergeben, mit den
Sprachkreisen, die das Verwandtschaftsver-
hâltnis der indogermanischen Sprache nach
der Joh. Schmidt’schen Wellentheorie ver-
anschaulichen. So geht der Verfasser eigent-
lich schon a priori von der Anschauung
aus, dass die monochrome Spiral-Mäander-
Keramik von Bosnien den Griechen, die be-
malte Keramik Ost- und Südosteuropas den
Indo-Iraniern bezw. den Thrako-Phrygern
zuzuweisen sei. Seine neue Aufgabe ist
es, durch umfassende Vergleiche der vor-
geschichtlichen Gerât- und Ornamentformen,
für die er seine auf ausgedehnten Reisen
gewonnenen und durch umfassende Litte-
raturstudien erweiterten Kenntnisse ins Feld
fiihrt, zu beweisen, dass die beiden genann- I
ten Kulturformen „durch eine tiefe Kluft
voneinander getrennt“ sind, „eine Erschei-
nung, die eben nur durch die Annahme
tiefer, ethnischer Gegensâtze eine befrie-
digende Erklärung findet“. (S. 49). Diese
tiefen Gegensâtze sind aber nur durch die
hypothetischen Annahmen des Verfassers
in die beiden Kulturgruppen hineingetragen,
obgleich er selbst eine grosse Reihe paral-
leler Erscheinungen in ihnen zusammen-
stellt. Gerade die ihnen beiden gemein-
same Spiralornamentik beweist sogar, dass
ihre Trager durch engere geistige Verwandt-
schaft verbunden waren. Denn man braucht
nicht, wie der Verfasser es tut, die Orna-
mentik der bemalten Keramik als „völlig
entartete und verwilderte“ Form der Spiral-
Mâandermuster in einen tiefen Gegensatz
zu den „constructiven und mathematischen“
Formen der Butmirgruppe zu bringen; nur
an andere technische Bedingungen ist die
Entwicklung der Vasenmalerei als die der
Tief- und Reiiefornamentik geknüpft.
Unter demselben Gesichtswfinkel be-
trachtet der Verfasser nun auch die P'unde
aus den weiter südlich gelegenen Stationen
in Makedonien, Thessalien, Bôotien, die er
ebenfalls mit nord- und mitteleuropâischen
Formen vergleicht (S. 49 ff.) und gewinnt so
für die âlteste Besiedlungsgeschichte
Nordgriechenlands (S. 73 f.) 3 Perioden,
in denen sich eine Verschmelzung der hel-
lenischen und thrakischen Bevôlkerungs-
elemente vollzogen haben soll, obgleich sich
erst für die letzte Periode ,,mit grosser Be-
stimmtheit“ oder „wohl schon sicher“ die
Kulturmerkmale „hellenischer“ Stämme und
„thrakischer“ Bevölkerung nach des Verfas-
sers Meinung herausschâlen lassen. Schliess-
lich (S. 75 ff.) folgt noch ein Versuch mit
dieser „Besiedlungsgeschichte“ die grie-
chische Sagentradition und die Ortsnamen
in Einklang zu bringen, sodass alle noch
so schwierigen Probleme der Ethnographie
Griechenlands sogar nach der chronolo-
gischen Bestimmung gelôst zu sein scheinen.
Es würde zu weit gehen, auf die nicht
immer zutreffenden archâologischen Ver-
gleiche des Verfassers oder auf seine „Auf-
fassung“ der Fundtatsachen und Funde selbst
im einzelnen einzugehen. Seine Arbeit leidet
aus niclit zu vértreten wünscken. Es liegt, wenn auch der Mangel an jeder Beigabe
eine genauere Datierung der Hügel nicht gestattet, nicht der geringste Gruncl vor, in
diesen Hügeln von Romern aufgeworfene Tumuli zu sehen und damit in Widerspruch
zu treten mit unserer Ueberlieferung, indem wir den Tumulus, den Germanicus auf-
scliüttet, der nach seinem Abmarsch von den Germanen zerstôrt und auf dessen Wieder-
herstellung Germanicus in der Folgezeit verzichtet, in etwa tausend noch heute wohl-
erhaltenen Hügeln wiedererkennen. Und die Gemüter môgen sicli deshalh beruhigen:
Das Yarusschlachtfeld ist immer nocli nicht gefunden.
Berlin. H. Dragendorff.
LITERATUR.
9. Dr. Georg Wilke, Spiral-Mäander-
Keramik und Gefâssmalerei, Hel-
lenen und Thraker. (Darstellungen
über früh- und vorgeschichtliche Kultur-,
Kunst- und Vôlkerentwicklung, herg. von
Prof. Dr. Gustaf Kossinna. i. Heft). Ka-
bitsch, Würzburg. 4,50 M.
Durch den Titel hat der Verfasser das
Ziel seiner Arbeit unzweideutig bezeichnet.
Seine Ausführungen gründen sich auf zwei
frühere Arbeiten. In der einen stellte er
zur Erklârung des Ursprunges der Spiral-
Mäander-Ornamentik die sogen. Verschie-
bungstheorie auf, indem er sich die Spiralen
und ihre mannigfachen Variationen aus ver-
schiedcnartig angeordneten, konzentrischen
Kreisgruppen durch Verschiebung entstan-
den denkt. Diese Theorie darf als eine
überflüssige Hypothese bezeichnet werden,
da die einfachsten Spiralmuster, z. B. auch
die paläolithischen, zweifellos unabhângig
von Kreisgruppen entstanden sind. In der
zweiten Arbeit, auf die der Verfasser zu-
rückkommt, hatte er die ganze Reihe der
steinzeitlichen Gefâss- d. h. Kulturgruppen
in so bestimmter Weise ethnisch qualifiziert,
dass seine neuen Ausführungen nur eine
Fortsetzung der früheren bilden. Man hâtte
sich also auch mit dieser Arbeit des Ver-
fassers (Arch. f. Anthropol. N. F. VII. 1909
S. 298 ff. „Neolithische Keramik und Arier-
problem“) auseinander zu setzen. Danach
decken sich die verschiedenen Kulturkreise,
die sich aus der Verbreitung der spâtneo-
lithischen Gefâssgruppen ergeben, mit den
Sprachkreisen, die das Verwandtschaftsver-
hâltnis der indogermanischen Sprache nach
der Joh. Schmidt’schen Wellentheorie ver-
anschaulichen. So geht der Verfasser eigent-
lich schon a priori von der Anschauung
aus, dass die monochrome Spiral-Mäander-
Keramik von Bosnien den Griechen, die be-
malte Keramik Ost- und Südosteuropas den
Indo-Iraniern bezw. den Thrako-Phrygern
zuzuweisen sei. Seine neue Aufgabe ist
es, durch umfassende Vergleiche der vor-
geschichtlichen Gerât- und Ornamentformen,
für die er seine auf ausgedehnten Reisen
gewonnenen und durch umfassende Litte-
raturstudien erweiterten Kenntnisse ins Feld
fiihrt, zu beweisen, dass die beiden genann- I
ten Kulturformen „durch eine tiefe Kluft
voneinander getrennt“ sind, „eine Erschei-
nung, die eben nur durch die Annahme
tiefer, ethnischer Gegensâtze eine befrie-
digende Erklärung findet“. (S. 49). Diese
tiefen Gegensâtze sind aber nur durch die
hypothetischen Annahmen des Verfassers
in die beiden Kulturgruppen hineingetragen,
obgleich er selbst eine grosse Reihe paral-
leler Erscheinungen in ihnen zusammen-
stellt. Gerade die ihnen beiden gemein-
same Spiralornamentik beweist sogar, dass
ihre Trager durch engere geistige Verwandt-
schaft verbunden waren. Denn man braucht
nicht, wie der Verfasser es tut, die Orna-
mentik der bemalten Keramik als „völlig
entartete und verwilderte“ Form der Spiral-
Mâandermuster in einen tiefen Gegensatz
zu den „constructiven und mathematischen“
Formen der Butmirgruppe zu bringen; nur
an andere technische Bedingungen ist die
Entwicklung der Vasenmalerei als die der
Tief- und Reiiefornamentik geknüpft.
Unter demselben Gesichtswfinkel be-
trachtet der Verfasser nun auch die P'unde
aus den weiter südlich gelegenen Stationen
in Makedonien, Thessalien, Bôotien, die er
ebenfalls mit nord- und mitteleuropâischen
Formen vergleicht (S. 49 ff.) und gewinnt so
für die âlteste Besiedlungsgeschichte
Nordgriechenlands (S. 73 f.) 3 Perioden,
in denen sich eine Verschmelzung der hel-
lenischen und thrakischen Bevôlkerungs-
elemente vollzogen haben soll, obgleich sich
erst für die letzte Periode ,,mit grosser Be-
stimmtheit“ oder „wohl schon sicher“ die
Kulturmerkmale „hellenischer“ Stämme und
„thrakischer“ Bevölkerung nach des Verfas-
sers Meinung herausschâlen lassen. Schliess-
lich (S. 75 ff.) folgt noch ein Versuch mit
dieser „Besiedlungsgeschichte“ die grie-
chische Sagentradition und die Ortsnamen
in Einklang zu bringen, sodass alle noch
so schwierigen Probleme der Ethnographie
Griechenlands sogar nach der chronolo-
gischen Bestimmung gelôst zu sein scheinen.
Es würde zu weit gehen, auf die nicht
immer zutreffenden archâologischen Ver-
gleiche des Verfassers oder auf seine „Auf-
fassung“ der Fundtatsachen und Funde selbst
im einzelnen einzugehen. Seine Arbeit leidet