6ο
MISZELLEN.
Zur Frage der Juppitergigantensâulen.
38. Ohne mich in die Debatte über die Deutung der Juppitergigantensâulen
einzulassen, môchte ich nur auf zwei schwere Bedenken hinweisen, welche
ich hege bezüglich Hertleins Zuweisung der Grundidee an die Germanen.
Das eine Bedenken wird mir eingeflôsst durch den von mir Dr. Hertlein
schon mündlich vorgelegten und m. E. von ihm nicht stichhaltig widerlegten
Einwurf, dass an vielen Orten, so z.B. in Zabern, die neben Juppitergiganten-
resten auf Inschriften gefundenen Personennamen nicht germanische
sondern keltische sind. Und diese Namen gehen nach Ausweis der kel-
tischen Münzen etc. bis in die vorrômische Zeit zurück.
Mein zweites Bedenken stützt sich auf eine von mir vor langen Jahren
schon einem ältern Bearbeiter der Gigantensâulen, Prof. ‘Riese, mitgeteilte
und in meiner »Urgeschichte des Europäers« (Strassburg 1908 p. 521 u. ff.)
neuerdings hervorgehobene Beobachtung, dass schon auf vorrômisch
gallischen Münzen eine verwandte Darstellung Platz gegriffen hat.
Ich habe dort daran erinnert, dass in der gallischen Goldprâgung des 2. und
I. Jahrhunderts v. Chr. androcephale Pferde auftauchen, unter denen in
der liegend kauernden Stellung des Giganten der Juppitergiganten-
säulen eine geflügelte Menschenfigur liegt 1), dann auf andern Geprâgen
ein androcephales Pferd, unter welchem eine mannliche lang-
haarige Figur, die aber nur bis zum Gürtel abgebildet ist, mit
beiden Armen ein Vorder- und ein Hinterbein des Pferdes packt 2).
Hier liegt ersichtlich der selbe Grundgedanke vor, das gleiche Motiv, welches
uns die Juppitersâulen bieten: eine Gestalt packt die Beine des über ihr
dahintrabenden Pferdes. Und wie bei den Juppitersâulen ist auch hier diese
greifende Gestalt weniger eine feindliche, denn als stützende Begleit-
erscheinung. Es liegt darin aber auch noch etwas anderes: diese Figur mit
Abb. 26. Reiter" und Pferdedarstellungen,|verwandt mit dem reitenden Juppiter,
auf gallischen Miinzen.
ihrer greifenden Bewegung hemmt den Lauf des menschengesichtigen
Pferdes. Genau den gleichen Grundgedanken finden wir aber auch auf
anderen keltischen und zwar donaukeltischen Münzen in anderer Form
angedeutet: Hier ist unter Ausschaltung der greifenden Mannergestalt ein
Vorder- und ein Hinterbein des Pferdes mit einem Strick zusam-
mengekoppelt — ein Motiv, welches besonders auf vielen pannonischen
Keltengeprâgen (so Fig. 284, 345, 346 etc. meiner »Kelt. Num.« — Abb. 26) sehr
deutlich und in der Idee unverkennbar zum Ausdruck gebracht ist. Dies
Parallelauftreten ein und derselben Auffassung bei den Kelten des Westens
wie des Ostens beweist, dass es sich um eine ganz bestimmte Vorstellung
*) Vgl. meine »Urgeschichte des Europäers« Fig. 3 Taf. 171 und meine »Keltische
Numismatik der Rhein- und Donaulande« Fig. 435 P· 251, Goldstater der Aulerker.
2) Vgl. meine »Urgeschichte« Fig. 421 p. 522 und meine »Keltische Numismatik«
Fig. 69 Taf. XIII, Goldstater der Namneten oder der Andecaven.
MISZELLEN.
Zur Frage der Juppitergigantensâulen.
38. Ohne mich in die Debatte über die Deutung der Juppitergigantensâulen
einzulassen, môchte ich nur auf zwei schwere Bedenken hinweisen, welche
ich hege bezüglich Hertleins Zuweisung der Grundidee an die Germanen.
Das eine Bedenken wird mir eingeflôsst durch den von mir Dr. Hertlein
schon mündlich vorgelegten und m. E. von ihm nicht stichhaltig widerlegten
Einwurf, dass an vielen Orten, so z.B. in Zabern, die neben Juppitergiganten-
resten auf Inschriften gefundenen Personennamen nicht germanische
sondern keltische sind. Und diese Namen gehen nach Ausweis der kel-
tischen Münzen etc. bis in die vorrômische Zeit zurück.
Mein zweites Bedenken stützt sich auf eine von mir vor langen Jahren
schon einem ältern Bearbeiter der Gigantensâulen, Prof. ‘Riese, mitgeteilte
und in meiner »Urgeschichte des Europäers« (Strassburg 1908 p. 521 u. ff.)
neuerdings hervorgehobene Beobachtung, dass schon auf vorrômisch
gallischen Münzen eine verwandte Darstellung Platz gegriffen hat.
Ich habe dort daran erinnert, dass in der gallischen Goldprâgung des 2. und
I. Jahrhunderts v. Chr. androcephale Pferde auftauchen, unter denen in
der liegend kauernden Stellung des Giganten der Juppitergiganten-
säulen eine geflügelte Menschenfigur liegt 1), dann auf andern Geprâgen
ein androcephales Pferd, unter welchem eine mannliche lang-
haarige Figur, die aber nur bis zum Gürtel abgebildet ist, mit
beiden Armen ein Vorder- und ein Hinterbein des Pferdes packt 2).
Hier liegt ersichtlich der selbe Grundgedanke vor, das gleiche Motiv, welches
uns die Juppitersâulen bieten: eine Gestalt packt die Beine des über ihr
dahintrabenden Pferdes. Und wie bei den Juppitersâulen ist auch hier diese
greifende Gestalt weniger eine feindliche, denn als stützende Begleit-
erscheinung. Es liegt darin aber auch noch etwas anderes: diese Figur mit
Abb. 26. Reiter" und Pferdedarstellungen,|verwandt mit dem reitenden Juppiter,
auf gallischen Miinzen.
ihrer greifenden Bewegung hemmt den Lauf des menschengesichtigen
Pferdes. Genau den gleichen Grundgedanken finden wir aber auch auf
anderen keltischen und zwar donaukeltischen Münzen in anderer Form
angedeutet: Hier ist unter Ausschaltung der greifenden Mannergestalt ein
Vorder- und ein Hinterbein des Pferdes mit einem Strick zusam-
mengekoppelt — ein Motiv, welches besonders auf vielen pannonischen
Keltengeprâgen (so Fig. 284, 345, 346 etc. meiner »Kelt. Num.« — Abb. 26) sehr
deutlich und in der Idee unverkennbar zum Ausdruck gebracht ist. Dies
Parallelauftreten ein und derselben Auffassung bei den Kelten des Westens
wie des Ostens beweist, dass es sich um eine ganz bestimmte Vorstellung
*) Vgl. meine »Urgeschichte des Europäers« Fig. 3 Taf. 171 und meine »Keltische
Numismatik der Rhein- und Donaulande« Fig. 435 P· 251, Goldstater der Aulerker.
2) Vgl. meine »Urgeschichte« Fig. 421 p. 522 und meine »Keltische Numismatik«
Fig. 69 Taf. XIII, Goldstater der Namneten oder der Andecaven.