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nommen : dies wäre die auf die unter Domitian besetzte Alblinie Kôngen—
Gosbach—Mellingen—Urspring gefolgte, etwas bequemere Linie zur Verbin-
dung von Neckarlimes mit Donau (bei Faimingen) und müsste in Trajanische
Zeit gesetzt werden. F. Haug bezweifelt in der Neuauflage seiner rôm.
Inschriften und Bildwerke Württembergs S. 64 mit Grund diese Filstallinie,
da seither alle rômischen Spuren im Filstal fehlten, und wirft die Frage auf,
ob die Rômer nicht auf jene Alblinie sofort die Remstallinie besetzt haben.
Keltische Spuren sind auch erst vor ganz kurzer Zeit hier bekannt
geworden, nâmlich 3 Skelettgrâber der mittleren La-Tènezeit in Altenstadt
bei Geislingen, etrva U/2 Wegstunden vom Fundort der Steine talaufwârts.
Stuttgart. P. Goessler.
LITERATUR.
55
'Th. Burckhardt-Biedermann, D.ie Kolo-
nie Augusta Raurica, ihre Verfas-
sung und ihr Territorium. Basel 1910.
103 S. 8°.
Das Buch ist eine Fortsetzung der
Untersuchungen über „Die Wohnsitze der
Rauriker und die Gründung ihrer Kolonie“,
die Burckhardt-Biedermann 1909 im XXIV.
Bande der Zeitschrift f. d. Geschichte des
Oberrheins verôffentlicht hat. Der Erorte-
rung der Gründungsgeschichte der Kolonie
folgen hier Studien über ihr Recht und ihr
Gebiet.
Die Kolonie ist im J. 44 v. Chr. von
Munatius Plancus deduciert worden. Ob die
Gründung indes seinen Plânen entsprang,
ist mir sehr zweifelhaft. Ich môchte eher
glauben, dass sie wie so manche andere
jenes Jahres auf Grund der acta Caesaris
erfolgte. Den Beinamen Augusta führt der
Verf. mit Recht auf eine Neukonstituierung
durch Augustus zurück.
Der Boden der Stadt ist bisher merk-
würdig sprôde gewesen. Bedeutsamere
Inschriften hat er nicht hergegeben, und so
sind die Zeugnisse für die Verfassung der
Stadt sehr dürftig. Der Verfasser stcllt sie
zusammen und ergânzt das Bild treffend
durch Hinweise auf die lex Julia municipa-
lis. Die Kolonie des Plancus und Augustus
war sicherlich eine Kolonie rômischer
Bürger 1)- Wenn daher in der Ala Indiana
ein Rauriker dient, und spâterhin am Limes
eine cohors I Sequanorum et Rauracorum
begegnet, so erklârt der Verf. dieses Auf-
treten peregriner Rauriker mit Recht da-
durch, dass neben der rômischen Stadt die
gallische Volksgemeinde selbstândig fort-
bestand, wenn auch ihr Gebiet durch die
Anlage der Kolonie arg geschmalert wor-
den war.
Die wichtigsten Untersuchungen des
Buches sind sodann der Umgrenzung des
Kolonie-Territoriums gewidmet. Antike
Zeugnisse fehlen hier ganz und die For-
1) Latinische Kolonien oder Titularkolonien, von
denen in den Darstellungen gallischer Stadtgeschichten
so viel die Rede ist, gibt es meiner Ansicht nach in
der Zeit von Caesar bis zum Ausgang des erstenjahr-
hunderts n.Chr.überhaupt nicht mehr,bezw. noch niclit.
schung ist durchaus auf Rückschlüsse aus
den spateren kirchlichen und politischen
Gebilden angewiesen. Die Kontinuitat,
welche von der rômischen zur alemannisch-
frânkischen Zeit hinüberführt, ist zur Genüge
bekannt. Weniger bekannt sind dieSchwie-
rigkeiten derartiger Untersuchungen. Der
Verfasser ist sich ihrer durchaus bewusst
gewesen, und seine Arbeit ist ein schônes
Beispiel umsichtiger Forschung. In man-
chem Punkte ist sie zu umstândlich; doch
das verschlâgt wenig. Ein empfindlicherer
Mangel ist das Fehlen einer Karte.
Zuerst wird die Frage erôrtert, ob etwa
ein Zusammenhang zwischen den Diozesan-
grenzen des âltesten Basler Bistums und dem
Territorium der Kolonie bestehe. Die Unter-
suchung ist ergebnislos, da die Grenzen
des Bistums nicht zu bestimmen sind.
Überdies, meint der Verf., würden sie nicht
das Gebiet der Kolonie allein, sondern
zugleich das der Volksgemeinde umfassen.
Gerade im Hinblick auf die Scheidung von
Kolonie und Civitas erscheint es ihm aus-
sichtsvoller, von dem alten Augstgau aus-
zugehen. ,,Denn der Gau heisst nicht
Raurikergau, sondern Augstgau, verdankt
also seinen Namen nicht dem Volksstamm,
der ihn bewohnt, sondern der Rômerstadt
Augusta“. . . Auch bei dem Augstgau kann
freilich die Grenzbestimmung „leider nur
durch Vermutungen geschehen, da uns alle
urkundlichen Nachrichten fehlen, die be-
stimmte Antwort auf unsere Frage enthal-
ten würden.“ Immerhin mag das Ergebnis
als recht wahrscheinlich gelten: die Grenze
des Gaues folgt im Norden dem Rhein von
der Aaremündung etwa 60 km bis Basel,
lauft dann etwa 22 km sftdwârts zum Kloster
Beinwil und von da über den Jurakamm
zur Aaremündung zurück. Das ware das
Gebiet der Kolonie ; die Civitas lasst derVerf.
nordwestwârts im Sundgau anschliessen.
Mit einem Territorium von etwa 1115
qkm wâre die Kolonie bei ihrer Gründung
auf 2000—3000 Kolonisten berechnet ge-
wesen, hatte somit zu den grossen Kolonien
gezählt 2). Ich hâtte mir die Grenzkolonie
2) Vgl. etwa die Beispiele Botiner Jahrbücher 120
1911 S. 77 und 104.
nommen : dies wäre die auf die unter Domitian besetzte Alblinie Kôngen—
Gosbach—Mellingen—Urspring gefolgte, etwas bequemere Linie zur Verbin-
dung von Neckarlimes mit Donau (bei Faimingen) und müsste in Trajanische
Zeit gesetzt werden. F. Haug bezweifelt in der Neuauflage seiner rôm.
Inschriften und Bildwerke Württembergs S. 64 mit Grund diese Filstallinie,
da seither alle rômischen Spuren im Filstal fehlten, und wirft die Frage auf,
ob die Rômer nicht auf jene Alblinie sofort die Remstallinie besetzt haben.
Keltische Spuren sind auch erst vor ganz kurzer Zeit hier bekannt
geworden, nâmlich 3 Skelettgrâber der mittleren La-Tènezeit in Altenstadt
bei Geislingen, etrva U/2 Wegstunden vom Fundort der Steine talaufwârts.
Stuttgart. P. Goessler.
LITERATUR.
55
'Th. Burckhardt-Biedermann, D.ie Kolo-
nie Augusta Raurica, ihre Verfas-
sung und ihr Territorium. Basel 1910.
103 S. 8°.
Das Buch ist eine Fortsetzung der
Untersuchungen über „Die Wohnsitze der
Rauriker und die Gründung ihrer Kolonie“,
die Burckhardt-Biedermann 1909 im XXIV.
Bande der Zeitschrift f. d. Geschichte des
Oberrheins verôffentlicht hat. Der Erorte-
rung der Gründungsgeschichte der Kolonie
folgen hier Studien über ihr Recht und ihr
Gebiet.
Die Kolonie ist im J. 44 v. Chr. von
Munatius Plancus deduciert worden. Ob die
Gründung indes seinen Plânen entsprang,
ist mir sehr zweifelhaft. Ich môchte eher
glauben, dass sie wie so manche andere
jenes Jahres auf Grund der acta Caesaris
erfolgte. Den Beinamen Augusta führt der
Verf. mit Recht auf eine Neukonstituierung
durch Augustus zurück.
Der Boden der Stadt ist bisher merk-
würdig sprôde gewesen. Bedeutsamere
Inschriften hat er nicht hergegeben, und so
sind die Zeugnisse für die Verfassung der
Stadt sehr dürftig. Der Verfasser stcllt sie
zusammen und ergânzt das Bild treffend
durch Hinweise auf die lex Julia municipa-
lis. Die Kolonie des Plancus und Augustus
war sicherlich eine Kolonie rômischer
Bürger 1)- Wenn daher in der Ala Indiana
ein Rauriker dient, und spâterhin am Limes
eine cohors I Sequanorum et Rauracorum
begegnet, so erklârt der Verf. dieses Auf-
treten peregriner Rauriker mit Recht da-
durch, dass neben der rômischen Stadt die
gallische Volksgemeinde selbstândig fort-
bestand, wenn auch ihr Gebiet durch die
Anlage der Kolonie arg geschmalert wor-
den war.
Die wichtigsten Untersuchungen des
Buches sind sodann der Umgrenzung des
Kolonie-Territoriums gewidmet. Antike
Zeugnisse fehlen hier ganz und die For-
1) Latinische Kolonien oder Titularkolonien, von
denen in den Darstellungen gallischer Stadtgeschichten
so viel die Rede ist, gibt es meiner Ansicht nach in
der Zeit von Caesar bis zum Ausgang des erstenjahr-
hunderts n.Chr.überhaupt nicht mehr,bezw. noch niclit.
schung ist durchaus auf Rückschlüsse aus
den spateren kirchlichen und politischen
Gebilden angewiesen. Die Kontinuitat,
welche von der rômischen zur alemannisch-
frânkischen Zeit hinüberführt, ist zur Genüge
bekannt. Weniger bekannt sind dieSchwie-
rigkeiten derartiger Untersuchungen. Der
Verfasser ist sich ihrer durchaus bewusst
gewesen, und seine Arbeit ist ein schônes
Beispiel umsichtiger Forschung. In man-
chem Punkte ist sie zu umstândlich; doch
das verschlâgt wenig. Ein empfindlicherer
Mangel ist das Fehlen einer Karte.
Zuerst wird die Frage erôrtert, ob etwa
ein Zusammenhang zwischen den Diozesan-
grenzen des âltesten Basler Bistums und dem
Territorium der Kolonie bestehe. Die Unter-
suchung ist ergebnislos, da die Grenzen
des Bistums nicht zu bestimmen sind.
Überdies, meint der Verf., würden sie nicht
das Gebiet der Kolonie allein, sondern
zugleich das der Volksgemeinde umfassen.
Gerade im Hinblick auf die Scheidung von
Kolonie und Civitas erscheint es ihm aus-
sichtsvoller, von dem alten Augstgau aus-
zugehen. ,,Denn der Gau heisst nicht
Raurikergau, sondern Augstgau, verdankt
also seinen Namen nicht dem Volksstamm,
der ihn bewohnt, sondern der Rômerstadt
Augusta“. . . Auch bei dem Augstgau kann
freilich die Grenzbestimmung „leider nur
durch Vermutungen geschehen, da uns alle
urkundlichen Nachrichten fehlen, die be-
stimmte Antwort auf unsere Frage enthal-
ten würden.“ Immerhin mag das Ergebnis
als recht wahrscheinlich gelten: die Grenze
des Gaues folgt im Norden dem Rhein von
der Aaremündung etwa 60 km bis Basel,
lauft dann etwa 22 km sftdwârts zum Kloster
Beinwil und von da über den Jurakamm
zur Aaremündung zurück. Das ware das
Gebiet der Kolonie ; die Civitas lasst derVerf.
nordwestwârts im Sundgau anschliessen.
Mit einem Territorium von etwa 1115
qkm wâre die Kolonie bei ihrer Gründung
auf 2000—3000 Kolonisten berechnet ge-
wesen, hatte somit zu den grossen Kolonien
gezählt 2). Ich hâtte mir die Grenzkolonie
2) Vgl. etwa die Beispiele Botiner Jahrbücher 120
1911 S. 77 und 104.