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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 5.1912

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Nr. 4 (Juli u. August)
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Unverzagt, Wilhelm: Terra-sigillatagefässe des IV. Jahrhunderts n. Chr. mit Rädchenornamentik
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https://doi.org/10.11588/diglit.25475#0066

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ein Corpus der bis jetzt in Museen, Sammlungen usw. befindlichen
Râdchen aufzustellen. Es wird sich zeigen, dass in bestimmten Gegenden
bestimmte Rädchen häufig vorkommen, wahrend sie in anderen Gegenden selten
sind oder gar fehlen. Wenn sich nun gewisse Râdchen in einer Gegend besonders
hâufen, so kann man daraus den Schluss ziehen, dass dort ein Fabrikationszentrum
zu suchen ist.

Als alleiniges Herstellungsgebiet für rädchenornamentierte Gefâsse_
überhaupt scheint die zwischen Rhein und Seine gelegene Gallia Belgica in
Betracht zu kommen. Hier liegen in der spâteren La Tènezeit die Vorlâufer und
Anfänge der Râdchentechnik, die ein vereinfachtes Verfahren gegenüber dem vorher
geübten darstellt, bei dem man die Gefâsse mit Ornamentringen durch Neben-
einandersetzen von einzelnen Stempeln versah. Im ersten Jahrhundert n. Chr.
entfaltete sich die belgische Keramik und damit auch die Radchenornamentik zu
einer ungeahnten Blüte. Ihre trotz der ungeheueren Masse, in der sie auf den
Markt kamen, feinen und gediegenen Erzeugnisse beherrschten den Geschirrhandel
der umliegenden Gebiete durchaus. Den ersten Anstoss zum Niedergang gaben
der Bataveraufstand, der hauptsachlich in ihrem Gebiete wütete, und die Erhebung
des Antonius Saturninus. Dann taten sich infolge der glücklichen Züge Domitians
und Trajans zahlreiche Tôpfereien im Rheingebiet auf, die die einheimischen
belgischen Töpfer vom Markt verdrângten, deren Erzeugnisse bald nach 120 n.
Chr. verschwanden. Dieses Verschwinden der belgischen Ware erstreckt sich
wahrscheinlich nur auf das Rheingebiet, wâhrend im Innern die Tradition, wenn
auch in geringerem Umfang erhalten blieb. Hier ist fast noch garnichts getan,
sodass wir nur auf Vermutungen angewiesen sind. Erst als der Limes gefallen
war, der Rhein wieder die Grenze bildete, und die rheinischen Töpfereien allmâhlich
aufgegeben wurden, da 'konnte'n wieder die Tôpfer im alten belgischen Gebiet mit
Erfolg ihre Tätigkeit beginnen oder ausdehnen. Ihre Verzierungsweise, die Râdchen-
ornamentik, entfaltete sich zu ihrer zweiten Blüte, wobei nun, wie es scheint, nicht
das einfache Gebrauchsgeschirr, sondern die terra sigillata damit versehen wurde.
Es wird dies daran liegen, dass eben in der Spatzeit die Sigillata sich nicht mehr
viel von dem gewöhnlichen Geschirr unterscheidet. Wieder wird die Radchen-
verzierung zur Beherrscherjn der Ornamentik. Wir haben also hier nur das Wieder-
auftauchen einer demGebietzwischenSeine uiidRheineigenen alten Verzierungsweise,
die in demselben Masse, wie die rômische Produktion am Rhein zurückgeht (seit
rund 300 n. Chr.), wieder hochkommt. Ja, nach dem Sturz der Rômerherrschaft
verschwindet sie nicht, sondern lebt in der frankischen Keramik weiter. Die
Sigillata und die römischen Formen gehen zwar meistens unter, aber der frânkische
doppelkonige Kochtopf ladt geradezu ein, seinen oberen Teil in derartig bequemer
und doch ganz schmucken Weise zu verzieren. Hierbei ist zu bemerken, dass
der doppelkonige Topf, solange das Vollc auf dem rechten Ufer sitzt, keine Spur
einer derartigen Ornamentierung zeigt, sondern sie erst beim Besetzen des links-
rheinischen Gebietes aufnimmt 2). Die Rädchenornamentik in der frankischen Kera-
mik lehnt sich in Zeichnung und Feinheit zunachst unmittelbar an die rômische
an. Dann aber tritt Verrohung ein, besonders Zahn- und Punktrâdchen erscheinen
und werden zuletzt herrschend. Schliesslich verschwinden die Rädchen allmahlich,
und an ihre Stelle tritt die Ornamentik mit Hilfe von einzelnen Stempeln, wie Sterne,
Kreuze, Rechtecke mit Punkten oder Quadraten usw.

Den Schluss môgen noch die Ergebnisse meiner in den Museen von Alzei,
Mainz, Bonn, WTesbaden und Darmstadt zusammengestellten Sammlung von Radchen-
typen der Spatzeit bilden, die auf 24 verschiedene Nummern angewachsen ist.
Zunâchst muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass keines von den sechs
Râdchen, die das Bonner Provinzialmuseum geliefert hat, am Oberrhein vertreten
ist. Es ist daher ebenso wahrscheinlich wie natürlich, dass Bonn von einer anderen
Töpferei versorgt wurde als z. B. Mainz. Abb. 22c zeigt vier Râdchen als Beispiele.
Nr. I wurde sowohl in Mainz selbst, als auch in einem Grabfeld bei Oberolm und
einem Skelettgrabe bei Nierstein gefunden, Nr. 2 in Alzei und Mainz, Nr. 3 in
Alzei und einem germanischen Grabe bei Trebur 3) und Nr. 4 endlich in Alzei und

2) Vgl. dazu Brenner, Altert. uns. heidn. Vorzeit V, S. 422^.

8) S. Altert. uns. heidn. Vorz. V, Taf. 6 Nr. 104.
 
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