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Das Blättchen zierte vor kurzem die Beethovenausstellung in Baden.
Halm war in jenen Jahren rührig und fruchtbar. Ein Opus nach dem anderen
wurde veröffentlicht. Auch schrieb er einen musikalischen Beitrag zum dritten
Teil der „Wiener Pianoforteschule“ von Friedrich Starke, für die auch Beet-
hoven einiges beigetragen hatte Oft trat er auch — und das gewöhnlich
mit bestem Erfolg — als Klavierspieler auf, z. B. 1818 im Saale „zum
römischen Kaiser“. Er spielte dort am 5. Februar in einer musikalischen
Akademie. War diese Aufführung sehr gelungen, so konnte man, wie Pixis
uns überliefert hat, nicht dasselbe behaupten von der Vorführung der
Beethovenschen Chorphantasie mit Halm am Klavier. Es war am 15. No-
vember 1817. Halm spielte falsch, und Beethoven schimpfte weidlich Des
nächsten Tages im Musikladen bei Haslinger traf Pixis zufällig mit Beet-
hoven zusammen. Durch ein silbernes Hörrohr, das dort bereit lag, fragte
Pixis den Meister: „Waren Sie gestern im Konzert?“ Beethovens finsterer
Blick verfinsterte sich noch mehr und in wirklichem Zornestoben sagte er:
„Der Saukerl ist bei mir gewesen und hat wollen die Tempi’s wissen, die
hab ich ihm g’sagt und hab’n auch gewarnt vor der Stell, wo der Chor
dazu kommt; ich hab’m g’sagt, er soll dort acht geben, sonst schmeiß er
um, und so hat er’s g’rad gemacht“ Auf den Rand der gestochenen
Chorphantasie, die Pixis im Laden ergattert hatte, war von Beethovens
Hand zu lesen: „Nicht jeder Halm gibt Aehren.“ Viel besser hielt sich
Halm 1825 im Musikverein beim Roten Igel bei Gelegenheit eines der Kon-
zerte, die der Geiger Schuppanzigh veranstaltete. Man spielte zunächst ein
Haydnsches Quartett, dann Beethovens Klaviertrio aus Es und ließ Beet-
hovens Septett folgen. „Im Trio spielte Herr Halm die Klavierstimme und
zeichnete sich als ein großer Meister auf seinem Instrument aus.“ So be-
richtet Bäuerles „Allgemeine Theaterzeitung“ vom 24. Dezember 1825.
In jenen Jahren galt Anton Halm als einer der meist bedeutenden
Klavierspieler, wie das aus Dr. W. C Müllers „Briefe an deutsche Freunde“
von 1824 zu entnehmen ist. Seine Verehrung Beethovens blieb dabei un-
verändert und von irgend einer einigermaßen ernsten Störung des guten Ein-
vernehmens mit dem Meister ist erst aus späterer Zeit einiges bekannt ge-
worden. 1824 unterzeichnete Halm noch die ehrende Adresse, die man am
21. April jenes Jahres dem Meister überreichte. Erst zwei Jahre später, gegen
den 26. April 1826, kam es zu einem Zerwürfnis. Es löste sich übrigens
bald in Wohlgefallen auf und sogleich, am 21. März 1826, spielte Halm
Beethovens B-Dur-Trio in einem Wiener Konzert Um jene Zeit hatte Beet-
hoven die große Quartettfuge aus der ersten Formung des Streichquartetts,
op. 130, losgelöst und zu einem selbständigen Stück erhoben, das bald als
op. 133 veröffentlicht wurde. Halm wurde beauftragt, einen vierhändigen
Klavierauszug der großen Fuge zu machen und sandte die fertige Hand-
schrift in Begleitung eines Briefes am 24. April 1826 an Beethoven. In seinen
alten Tagen erzählte Halm Thayern von dieser Angelegenheit. Beethoven
war nicht ganz zufrieden mit der Verteilung der Stimmen und schrieb selbst
einen Klavierauszug, der später durch Artaria veröffentlicht wurde. Aber
nicht mit diesen.Meinungsverschiedenheiten hängt das Zerwürfnis zusammen,
sondern mit der Locke. Diese, noch erhalten, wie angedeutet worden, hat
eine ganz merkwürdige Geschichte. Frau Halm verehrte ja den großen
Meister sehr und hatte schon lange gewünscht, eine Locke von ihm zu be-
2*-
Das Blättchen zierte vor kurzem die Beethovenausstellung in Baden.
Halm war in jenen Jahren rührig und fruchtbar. Ein Opus nach dem anderen
wurde veröffentlicht. Auch schrieb er einen musikalischen Beitrag zum dritten
Teil der „Wiener Pianoforteschule“ von Friedrich Starke, für die auch Beet-
hoven einiges beigetragen hatte Oft trat er auch — und das gewöhnlich
mit bestem Erfolg — als Klavierspieler auf, z. B. 1818 im Saale „zum
römischen Kaiser“. Er spielte dort am 5. Februar in einer musikalischen
Akademie. War diese Aufführung sehr gelungen, so konnte man, wie Pixis
uns überliefert hat, nicht dasselbe behaupten von der Vorführung der
Beethovenschen Chorphantasie mit Halm am Klavier. Es war am 15. No-
vember 1817. Halm spielte falsch, und Beethoven schimpfte weidlich Des
nächsten Tages im Musikladen bei Haslinger traf Pixis zufällig mit Beet-
hoven zusammen. Durch ein silbernes Hörrohr, das dort bereit lag, fragte
Pixis den Meister: „Waren Sie gestern im Konzert?“ Beethovens finsterer
Blick verfinsterte sich noch mehr und in wirklichem Zornestoben sagte er:
„Der Saukerl ist bei mir gewesen und hat wollen die Tempi’s wissen, die
hab ich ihm g’sagt und hab’n auch gewarnt vor der Stell, wo der Chor
dazu kommt; ich hab’m g’sagt, er soll dort acht geben, sonst schmeiß er
um, und so hat er’s g’rad gemacht“ Auf den Rand der gestochenen
Chorphantasie, die Pixis im Laden ergattert hatte, war von Beethovens
Hand zu lesen: „Nicht jeder Halm gibt Aehren.“ Viel besser hielt sich
Halm 1825 im Musikverein beim Roten Igel bei Gelegenheit eines der Kon-
zerte, die der Geiger Schuppanzigh veranstaltete. Man spielte zunächst ein
Haydnsches Quartett, dann Beethovens Klaviertrio aus Es und ließ Beet-
hovens Septett folgen. „Im Trio spielte Herr Halm die Klavierstimme und
zeichnete sich als ein großer Meister auf seinem Instrument aus.“ So be-
richtet Bäuerles „Allgemeine Theaterzeitung“ vom 24. Dezember 1825.
In jenen Jahren galt Anton Halm als einer der meist bedeutenden
Klavierspieler, wie das aus Dr. W. C Müllers „Briefe an deutsche Freunde“
von 1824 zu entnehmen ist. Seine Verehrung Beethovens blieb dabei un-
verändert und von irgend einer einigermaßen ernsten Störung des guten Ein-
vernehmens mit dem Meister ist erst aus späterer Zeit einiges bekannt ge-
worden. 1824 unterzeichnete Halm noch die ehrende Adresse, die man am
21. April jenes Jahres dem Meister überreichte. Erst zwei Jahre später, gegen
den 26. April 1826, kam es zu einem Zerwürfnis. Es löste sich übrigens
bald in Wohlgefallen auf und sogleich, am 21. März 1826, spielte Halm
Beethovens B-Dur-Trio in einem Wiener Konzert Um jene Zeit hatte Beet-
hoven die große Quartettfuge aus der ersten Formung des Streichquartetts,
op. 130, losgelöst und zu einem selbständigen Stück erhoben, das bald als
op. 133 veröffentlicht wurde. Halm wurde beauftragt, einen vierhändigen
Klavierauszug der großen Fuge zu machen und sandte die fertige Hand-
schrift in Begleitung eines Briefes am 24. April 1826 an Beethoven. In seinen
alten Tagen erzählte Halm Thayern von dieser Angelegenheit. Beethoven
war nicht ganz zufrieden mit der Verteilung der Stimmen und schrieb selbst
einen Klavierauszug, der später durch Artaria veröffentlicht wurde. Aber
nicht mit diesen.Meinungsverschiedenheiten hängt das Zerwürfnis zusammen,
sondern mit der Locke. Diese, noch erhalten, wie angedeutet worden, hat
eine ganz merkwürdige Geschichte. Frau Halm verehrte ja den großen
Meister sehr und hatte schon lange gewünscht, eine Locke von ihm zu be-
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