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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

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Zweites Heft (Mai 1916)
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Stramm, August: Die Unfruchtbaren: Tragikomödie
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https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0022

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Frau Rohrbruch (lustig, etwas burschikos
auflachend): ja, ja, ich komme ungewohnt, man
merkt
Kroller (leicht betroffen): Gnädige Frau emp-
finden? oh, entschuldigen (rückt hastig einen
Sessei), wir haben firnen ja nicht einmai einen
Stuhl angeboten.
Frau Rohrbruch: so meinte ich das aber
nicht (sie setzt sich)
Kroller: ja, Sehen gnädige Frau, wir Jung-
gesellen, uns fehlt so die richtige Luft.
Frau Rohrbruch (belustigt): was, wie meinen
Sie das?
Kroller (sucht nach Worten): na, so, wir emp-
finden jetzt schon die ganze Umgebung hier
anders, behaglicher, schöner, seitdem
Rohrbruch (ulkt): aufs Schwadronieren ver-
steht er sich.
Marx: rede du nicht, ja
KroH er (galant): ja, den.besten Beweis, für
das was ich sagen will, liefert Ihr Gatte ja selbst.
R o h r b r u c h (schmunzelnd): macht meine Frau
nicht eitel.
Frau R o li r b r u c h (natürlich): ach, doch, ich
glaube cs wohl. Das ist ja auch was, worauf
wir Frauen stolz sind, daß wir einen wohltuen-
den, beruhigenden Einfluß auszuüben vermögen,
auf (scherzhaft) .... solche Stürmer und
Dränger.
Kroller (setzt sich mit melancholischem Augen-
aufschlag 'in den Sessel ihr gegenüber und ver-
schlingt die Hände auf den Knieen)
Tcmbeck (ruhig): Gnädige Frau, dürfen wir
Urnen etwas anbieten?
Frau Rohrbruch: danke schön
T e m b e c k (leicht scherzhaft): Sie könnten dann
gleich mal einen Einblick gewinnen, in unsere
Nahrungssorgen.
Frau R o h r b r u c h (lustig): dann allerdings
Murx (rennt zur Tür)
Kroller (springt auf): Rh werde sofort alles
veranlassen.
Frau R o h r b r u c h: aber keine Umstände, bitte
ich, nichts holen lassen, das wäre Vorspiege-
lung falscher Tatsachen.
Kroller (galant): Gnädige Frau, die echte Gattin
eines Juristen.
Frau Rohrbruch (nickt ihm lächelnd zu): es
bildet sich so eins am andern.
Murx (noch in der Tür): Mensch, was mußt du
noch gebildet werden (er verschwindet lachend)
Kroller (hinter ihm)
Rohrbruch (lacht): ja, alles mit der Zeit.
Scherwenz (geht ebenfalls raus)
T e m b e c k (hat inzwischen die Kommoden-
schublade geöffnet und darin rumgekramt; er
holt einen Teller mit einigen Wurstzipfeln raus,
ein Stück Brot und Butter in Papier, hält es
einen Augenblick versteckt in den Händen, legt
dann hilflos alles wieder in die Lade zurück und
geht zur Tür): ich werde erst mal ein paar
Teller kommen lassen.
Frau Rohrbruch (steht auf): nein, nein, ich
will es gerade so haben. Kommen Sie, ich werde
die Hausfrau spielen (sie tritt an die Schublade
heran, schlägt überrascht die Hände zusammen
und lacht) o, welch köstliches Stilleben, und da
suchen die Maler immer nach neuen Motiven
Murx (tritt ein, die Tür mit dem Fuße aufstoßend,
im Arm eine Kruke Steinhäger und ein paar
Schnapsgläser, über dem andern Arm am Bind-
faden herabbaumelnd einen angeschnittenen
Schinken)
Frau R o h r b r u c h (lacht hell auf): so, so ists
recht. Sehen Sie, Sie haben mich verstanden
(nimmt ihm Flasche und Gläser ab und stellt
alles auf den Tisch; sie streift dann den.Mantel

runter, wobei Rohrbruch und Tembeck zu-
springen) nun wirds gemütlich.
Al u r x (streift den Schinken ab und legt ihn auf
den Tisch, geschmeichelt): ja, gnädige Frau.
Frau Rohrbruch (springt zu): oh. die schöne
Decke (sie hebt den Schinken hoch und sieht
sich suchend um)
Rohrbruch (wischt gemütlich über die Decke
und betrachtet seine Hand): sag lieber der gute
Schinken.
Frau R o h rb r u ch: haben Sie keinen Teller?
Kroller (tritt pin): es kommt alles, gnädige Frau
(springt zu und nimmt ihr den Schinken ab) aber
wer hatt denn den so hier reingebracht?
Frau Rohrbruch (wehrt ab): nun -lassen Sie
doch
Kroller (nimmt ihn ihr ab): nein, nein. Teller
und Schüsseln kommen sofort (er dreht sich hilf-
los mit dem Schinken um und hängt ihn dann
an den Bettpfosten, wütend Murx zuraunend):
Mensch, ganz verrückt geworden? hast nicht
Hirn Sechser Lebensart im Leibe?
S c h e r w e n z (bringt einen Postkarton rein): so,
gnädige Frau. Entschuldigung für einen alten
Bierstudenten, aber ich bringe Ihnen meine Vor-
räte gleich in Originalatrappe (er stellt das Paket
auf den Tisch)
Frau Rohrbruch: aber das ist ja reizend,
von wem ist denn das Paket?
Scherwenz (hebt den Deckel ab): von meiner
Braut, gnädige Frau, soeben angekommen (er
brüllt) Teller!
ALurx (reißt die Tür auf und brüllt in den Flur
hinaus): Teller, was ist das für eine Wirtschaft?
Kroller (gibt ihm einen Rippenstoß): brüll nich
so.
Scherwenz (nimmt aus dem Paket eine große
in Papier gewickelte Schlackwurst und wickelt
sie aus)
F r a u R o h r b r u c h (bewundernd): oh, wir be-
rauben Sie.
Rohrbruch (lacht): das ist er gewöhnt, Kind.
Die Braut hat uns schon mehr wie einmal vom
Hungerstode errettet.
Frau Starsch (trägt ein Tablett mit Tellern,
Messern. Gabeln): ik komme schonst, dät Je-
schreie, däs jeht ja her, wie uff Hochzeit.
Frau Rohrbruch (lacht und nimmt Teller und
Bestecke vom Tablett, alle springen diensteifrig
zu) wann wollen Sie denn heiraten?
Scherwenz (nachdenklich): ja
Frau Rohrbruch (tröstend): die Zeit kommt
auch.
Frau Starsch: Kinder, aber doch erst n Tisch-
tuch (sie stellt das Tablett aufs Bett, nimmt ein
Tischtuch und faltet es auseinander, während
Scherwienz sein Paket hält und die übrigen die
bereits hingesetzten Teller und Bestecke fort-
nehmen und halten)
Rohrbruch: Mutter Starsch weiß immer, was
. sich gehört.
Frau Starsch (selbstbewußt): nu nich Jnädij-
ste, mit de Ordnung, wissen Se, wat dat hier
heeßt, Ordnung, son bischen blos durchhalten
Rohrbruch (ulkt): Sie hats wirklich schwer.
Frau Starsch (ruhig): S i e waren immer noch
eener von de ruhigsten, ja, mit de wenigsten An-
sprüche.
Frau Rohrbruch: siehst de Männe, das
freut mich, nun hör ich dich doch mal loben,
Frau Starsch: ja, höchstens Abends, wenn er
den janzen Dag jesoffen hatte, dann jingt los.
Murx (lacht hämisch)
Kroller (tritt neben Frau Starsch mit Handbe-
wegung, aber einen scherzhaften Ton wahrend):
wenn Sie jetzt nich däs Mund halten.
Frau Starsch (pomadig): Sie? (während sie
deckt) bei Tag und bei Nacht? und denn andere

Leute Ruhe jebieten? nee. Wissen Sie, Jnädijste,
ik bin jejen meine Herren wie ne Mutter,
(brüllendes Gelächter)
Frau Ronrbruch (hat sich schon vorhin in
einen Sessel fallen lassen und lacht in ihr
Taschentuch)
Murx (iu tiefem Tone). Mutter Starsch, Mutter
Starsch!
Frau Starsch (deckt seelenruhig und mit
Würde weiter, die Gabeln und Messer noch am
Tischtuch nachwischend): wenn se man alle sone
Mutter hätten.
Kroller (reibt die Füße an den Waden): dann
würden die Eisbeine billiger werden.
Frau Starsch (sieht ihn über die Schulter an,
ruhig weiterdeckend): haben Sie nich meer-
schtendeels über jeheizt?
(Lachen)
Frau Starsch: Ja, Jnädijste (stellt Butter und
Brot und zum Schluß ein Körbchen mit Schrip-
pen hin) dat werden Se ja ooch noch erleben,
anerkannt is nich bei de Männer. Un de Schrip-
pen stifte ik.
Frau Rohrbruch: das ist reizend von Ihnen.
Kroller (zu Frau Starsch, die das Tablett vom
Bett nimmt und rausgehen will, halb großspurig,
halb bittend): haben Se noch ne Flasche Wein
im Haus, Frau Starsch?
Frau Starsch (überhört ihn): guten Appetit.
Kroller (ihr nach): ne Flasche Wein
Frau Starset! (in der Tür)
Kroller (nervös, aber mit Selbstbeherrschung):
seit wann sind Sie schwerhörig, Frau Starsch?
Frau S t a r s c h (setzt ein paar mal an, dann):
wat macht Ihre Jicht! wie? können Se bald
wieder in die Tasche langen (sie tut, als greife
sie in die Tasche, gellt raus und schlägt die Tür
hinter sich zu)
(Lache!!)
Scherwenz (hat inzwischen weiter ausge-
packt)
Frau R o h r b r u c h (nickt ihrem Mann zu)
R o h r b r u r h (versteht): also den Wein spen-
diere ich.
Kroller: aber Mensch, du als Gast
Frau Rohrbruch: das gestatten die Herren
doch, daß ich auch etwas zugebe zu dem Pick-
nick.
Kroller (galant): unter diesen Umständen,
gnädige Frau, das ist uns allerdings eine be-
sondere Ehre.
Kohrbruch (zieht die Börse und nimmt ein
Zehnmarkstück raus, es in der Hand haltend):
also, zwei Flaschen wollen wir sagen, nicht
wahr? Brauneberger.
Alurx: feudal!
Kroller (hält die Hand hin): komm her
Rohrbrnch (gibt ihm das Geld)
Kroller: Zehn Mark, Donnerwetter! (er geht
selbstbewußt zur Tür) so (in der Tür, herrisch)
Frau Starsch, ach bitte doch!
Frau Starsch (behäbig draußen): nu?! (sie
erscheint in der Tür, sich die Hände an der
Schürze abtrocknend)
Kroller (reicht ihr das Geldstück mit Pose):
zwei Flaschen Brauneberger, verstehen Sie,
zwei Flaschen . . Brau . . ne . . ber . . ger . .
Frau Starsch (sieht prüfend das Geldstück an
und murmelt etwas, wendet sich dann, die
Schürze abbindend zur Tür)
Kroller (setzt sich triumphierend an den Tisch)
Murx: däs war Trumpf!
Scherwenz (stellt die leere Schachtel beiseite)
Frau Ro h r b r u c h: nun sieh mal Männe (weist
auf die Teller mit Wurst und Schinken, die
Scherwenz aufgehäuft hat) ist das nicht delikat?
solche Braut
 
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