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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

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Drittes Heft (Juni 1916)
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Runge, Wilhelm: Lieder
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https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0037

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Da zerbricht ein Wort der Lippen Fessel
und befreit den Hafen Deiner Stirn
in die Sonne segeln Deine Bücke
Deiner Wangen Geige
spannt die Saiten
zu des Blutes Julimorgenlied
und die Seele springt aus ihrer Sänfte
in den wilden Reigen
himmeltief
IV
In Dich unendlich Meer strömt all mein Denken
Deiner Hände leichter Wellenschaum netzt des
Sommers heißgespielte Wange
Sonne sucht ihr Gold
in Deinem Herzen
von den Muscheln Deiner Ebbe
zehrt mein Tag
Matt von Deiner Seele Flut
bricht das Ufer meines Glücks ins Knie
Rettung lockt der Stimme grüne Insel
Doch es strandet jeder Wunsch
an der Stirne wildgewirrten Klippen
und immer
schließt Du Deine Augen
erblicke ich das Dunkel dieser Welt
V
Du bist ein reissender Strom
erwürgst alle Brücken
bist Du nicht da
irrt meines Blutes Herde
hirtenlos
und nahst Du
flieht es
ein geschlagen Heer
scheu senken meine Augen ihre Lanzen
Bin ein träumend Dorf
im Geheg der Sterne
Deine Augen werfen Brand
in die Giebel
Deiner Hände Siegespsalmen bet ich
in den wilden Tempeln
meines Munds
Sonne blühen Deiner Stirne Alpen
nie lieg ich so selig
wie zu Deiner Stimme Füssen
diesem uferlosen Mai
VI
Blasse Finger kauern scheu in der bangen Hand
doch sie strecken wieder Frieden
trippetänzeln wieder Glück
von des Blutes Rosenblüten überrannt
Sommer steigt
die Glockenblumen läuten
und der Adern Dolden hängen schwer
Aus der Seele Wurzelwaldgewirr
jagt des Wollens Wildfang durch die Moose
über aller Träume Brückenrund
und jauchzt hin
der Füße Sonnenschimmer
und die Lippen zwitschern Morgentau
Wiesen spielen Frühling mit dem Wald
und der Himmel
aus der Stirne Wiege
fällt den Augen lachend in den Arm.
VII
Ueberzittern Deine Hände
machtlos vor dem Biß der Angst
jähes Fallen Deines Blutes
von dem leidgesteinten' Leib
Säule
ängstend in das Luftspiel
windehergewehtwehin
kauern Deine Augen Frage

Antwort
windgeweht — wohin
Qual
die Pulse schlagen Feuer
blutdurchglutet rast der Brand
und das Herz läutet wild
Sturmesglocken
Klippenstrandet
wirrer Sinn
Atem wirft das kurze Ruder hin
und des Herzens Meerestosen stöhnt
Krieg
VIII
Traum frieden alle Straßen
zweigen leise
in
die Sterne
Da erhebt sich leicht aus ihrem Laub
trillernder Morgen
schlägt zurück der Gassen dunklen Mantel
hell springt aller Fenster Müde auf
und Soldaten jauchzen Morgenglanz um der
Sonne Helmesspitzentanz
Brausen spült
des Himmels Purpurfuß
in den Kehlen tanzt das Paradies
Häuser wirbeln hin
Die Spatzen schwatzen
und die Dächer pfeifen es herab
IX
Deiner Augen Berge ringen Wolken
meine Lippen schielen scheu
Einst trug rosa Kleidchen meine Wange deines
Lachens Sommerstraßen lang
doch nun geht sie nicht mehr aus und ein
traurig trottet
durch den Herbst
ihr verwaister Fuß
stumm stemmt Deine Stirne Eisenfäuste
wider meiner Sehnsucht Drang
wilde Ungewetter türmt Dein Antlitz
jagt in Ebbe
meiner Wünsche Flut
und des Herzens blutversteinte Stadt
starrt ins irre Leuchten Deiner Blitze
zuckt gell auf
zerschellt
in schreiem Schlag
X
Des Himmels schwerster Atem keucht aus Gräben
irr schlägt sein Puls der Heimat Märchenkuß
scheu im Versteck der Adern wimmert Blut
nimmt zag ein letztes Denken auf diie Lippen
Aus allen Poren strotzt des Drübens Hölle
und mauert grell die Herzen in den Tod
Gewitter flattern
aller Mai verweht
der Seele immergrüne Zweige brechen
grün stiebt ein Lächeln durch die Wangenschwüle
und in die Fernen sickert Tod um Tod
fahl in die dürren Kniee sinkt der Tag
wühlt weh die letzten Seufzer aus der Brust
Gebete fegen Glück
die Wolken wiegen
und Sehnsucht wirft des Blutes Deckung auf
trotzt wilden Hohn dem Tod in Riesengröße
wieit überschattend alles Spiel der Welt
XI
Maienbäume pflücken aus dem Tag sich des
Himmels tausend blaue Blüten
Morgen läutet seiner Glocken Tau in den
chorgewöibten Vogelkehlen
und der Wind tanzt seine wilden Füsse in den
zarten Wolkenarmen wund

Augen flattern blau
die Steine duften
Hummeln bummeln durch das Sommerblut
und der Sterne Schwalben nisten in der Seele
Trunken steigt der Stirne Sonnenblume
von des Frühlings gärtenweichem Lager
Lippen breiten ihre weiten Flügel
schwingen überweit ihr Kinderglück
und die Sonne durch der Adern Gassen
trällert selig
Tau und Tod
XII
Urwald brausen wuchtig Deine Lippen
moosgeschmiegt
zirpt zag
mein Herz
schnellt vom krummen Bogen meiner Stirn
nach der goldnen Locke
übertänzelnd
Deines Lachens blauen Mai
wild der Augen schärfsten Sehnsuchtspfeil
sinkt aufs Knie
die Hände schluchzen
von der Seele Rücken springt das Leid entzwei
und zersplittert einen Tanz des Glücks
Sorge wankt geknickt
die Sterne flüstern
leise weht das Blut
und des Atems Teppich
fällt pulsauf pulsab
stockend
Dir
zu Füssen
XIII
Aus den schwarzen Falten deiner Augen
zucken Dolche
zurück in seine Halle schlägt mein Herz
tastet scheu
Säule um Säule
nach dem Gewölbe Deines Angesichts
Dein Atem trägt den Arm voll dunkler Wälder
und sein blaues Meergefieder schlägt der Tag
in der Sonne Goldgelächterflitter
Alle Hände voller Silberblumen
springen Bächlein durch der Adern Sturmgehölz
und der Stirne blumenwilde Wiese
senkt die windgeschwächten Schmetterflügel
in des Abends weltenweiten Schoß
XIV
Wild wirft mich die Gondel Deiner Augen
in der Stirne Wellenungestüm
Sturm zerzaust der Hände scheu Geäst
und des Blutes Wolken schweben fern
Sterne stehen Deinem Hauch gebückt
Deine Lippen weiten ihren Strand
wiegen nieder junges Himmelblau
;in der Wangenflügel Faltertanz
Sträucher lispeln durch das Dorf geduckt
Sonne beißt die prallen Lippen wund
blutet ihren Sommer in die Seele
XV
Wollken Schluchten in die Wälder
und das Moos im Sonnegoldgezweig
schlägt die sammtverträumten Augen auf
leise neckt des Windes Frühlingsfinger
Straßen harfen durch die Wälderweite
Dörfer heben ihr betautes Haupt
aus der Wiesen düfteschwerem Strauß
Kirchen beten in das Abendrot
Auf den Sternen brennt ihr Orgelton
Seele wirft die Nächte in den Staub
wiegt in ihrem Arm den Himmelsglanz

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