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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

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Neuntes Heft (Dezember 1916)
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Essig, Hermann: Der Wetterfrosch, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0106

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ihn sehen, aber mein Eis hat der Frosch zer-
schlagen.
Es brummte dem letzten schweren Krach eine
neidische Stimme nach.
„Dem Frosch seinen Neid merkte ich schon
beim Dunkelwerden."
„Hättest du mirs gesagt, daun wäre ich nach
Hause gegangen und du hättest dein Eis noch,
's ist doch meinetwegen."
„Ich habe ja darum gleich meine Schlittschuhe
ausgezogen und habe sie heimgetragen, damit er
mein Eis stehen lassen soll, wenigstens noch
einen Tag. Sonst rechnet er mirs immer an."
„Weils meinetwegen ist, sein Neid."
„Was wirds deinetwegen sein! . . aber eins
weiß ich, das letztemal wars, daß ich mich um den
wüsten alten Dickkopf kümmerte."
„Du kennst die Geschichte nicht, ich hätte auf
dem Froschteich bleiben müssen, er hat mir meine
Schlittschuhe extra deswegen geschenkt, daß ich
ihn damit ehre."
„So? . . das ist wohl neu, daß einem Frösche
Schlittschuhe schenken. Sagte es der alte
Schwindler, daß sie von ihm seien?" kicherte
das Mädchen laut vor Vergnügen.
Dem Knaben kam das Kichern sonderbar vor.
War denn mit der Schenkung etwas nicht echt?
Schick war ja als Zauberer bekannt.
„Das wäre auch ein Geschenk von einem
Frosch! . . die Qual! auf einem Teiche fahren zu
müssen, der nicht größer ist als ein Seerosen-
blatt!"
„Ich habs aber getan" . . . „eine Qual wars ja
für mich", das Geschenk kam ihm jetzt auch
zweifelhaft vor . . . „aber auf den See bin ich nun
nit gegangen".
„Für den See, ha ha, dafür ists ein ganz nettes
Geschenk" . . „für einen schmierigen Frosch-
teich sind die feinen Schienen gewiß nicht" . . der
Knabe schüttelte sie von den Füßen.
Es war an Land, so konnte er schon ein bis-
chen den alten Schick auslachen helfen. Schick
hätte sichs eben besser überlegen sollen, eh er ihm
etwas schenkte, er war doch nicht so sehr auf
den Hinterkopf gefallen! . . es freute ihn, daß ers
Schick heimgezahlt hatte . . . „Wie schön ist da-
gegen dein See!" rief er noch dazu aus.
Hierfür umschlang ihn das Mädchen.
Wars ein Blitz und Donner mitten im Winter?
. . Schick brummte ferne, vom Dorfe her, aus dem
Froschteich . . man ging zu weit in der Verhöh-
nung Seiner!
„Ist der Blitz nicht im See untergetaucht?" frug
leise der Knabe.
„Wenn dus gesehen hast . ." das Mädchen
lag an des Knaben Brust und — weinte, vorhin
hatte sie noch gelacht.
„Warum weinst du?" frug der Knabe, der sich
auf einmal wie ein derber Mann vorkam.
„Wirst du auch ohne Eis — zu mir kom-
men?"
„Wenn du so große Seerosenblätter hast, wie
Schicks ganzer Teich! . . denke doch . . weine
nicht. Ich käme aber auch ohne die zu dir, ich
liebe dich sehr."
Die Erklärung war bestimmt und trocken. Dem
Mädchen kams vor, als ob der Knabe wahrer und
liebreicher wäre, wenn er schwieg . . „Oder du
kommst nicht wieder, dir bin ich bloß zum Schlitt-
schuhlaufen gut genug."
„Du! gut genug? du schönes Mädchen."
„Du hast mich bei Tag noch nicht ohne meinen
Schleier gesehen."
„Du bist schön, ich habe manchmal durch den
Schleier hindurchgesehen, du hattest schöne
Augen. Und dein Mund war so warm . . . Höre
auf zu weinen! ich komme wieder."

„Versprich mir nur, gehe nicht mehr zu Schick
. . dann wirst du vielleicht Wort halten", sie
ging schnell weg und ließ den Knaben stehen, sie
mußte zu sehr weinen, sie hatte jetzt schon Heim-
weh nach ihm.
Sie verschwand im See . . . dort wohnte sie . . .
das arme Mädchen wohnte in dem nassen grossen
See?! Es war so mild und bescheiden und war
doch Eiskönigin, sie hatte ihre Pracht und ihren
Glanz ganz still abgelegt und war .mit Trauer im
Herzen in den See hinabgestiegen. Der Knabe
wollte es sehen, wollte es hören, nur ein leises
Wasserplatschen war da und hielt an. Es war ihm,
als hätte sie den Reichtum seiner Seele an sich
genommen und würde ihn aufbewahren, daß nichts
davon verloren ging. Das Mädchen, wenn's nur
schon am Morgen wäre! besuchte er täglich, dann
sah er auch den See und erfuhr das Geheimnis, wo
sie wohnte und woher sie ihr liebliches Wesen
hatte. Sie webte sich ihre Lieblichkeit gewiß aus
den gebleichten Lichtfaden des Mondes und war
am Tage mit diesem Schleier verhüllt. Das wissen!
und niemals mehr ging er zu Schick, weil sies nicht
haben wollte. Ihr alles zu lieb!
Schick, der eigennützige Schenker, hatte aus
Wut ihm und dem Mädchen das Eis zerschlagen.
Benutzte denn jener seine grelle Stimme in
schönen Sommernächten wirklich bloß für den
Froschteich . . raubte er nicht mit ihr dem ganzen
Dorfe den Schlaf, weils ihm gefiel?
Damit hatte er den passenden Vergleich ange-
zogen und konnte befriedigt den Regen auf sich
niederklatschen lassen. In Zornwallung nahm er
sichs vor, Schick, wenn er nächsten Sommer sein
markerschütterndes Gerätter losließ, in einer hellen
Sommernacht aufzulauern und ihm eins mit der
Peitsche, mit langer Schmitze überzuzünden, weil
er — in den Froschteich gehörte. Dann wars ver-
golten. Fürs Eisbrechen! Er empfands, Schick
war ein rachsüchtiger Mensch . . rachsüchtig für
das unschuldigste Vergnügen. Er stapfte in Stock-
finsternis dem Dorfe zu.
„Holla!" er war auf die Strasse gekommen und
ausgeglitten.
„Haha!" lachte es hinten nach.
„Elender Schick! auf der Strasse brauche ich
kein Eis, da ärgerts mich."
So, der Knabe sah ihn genau sprechen mit
breitem Grinsen, ich dachte, du wärest verliebt in
die Eiskönigin, habest dadurch eine freundliche
Erinnerung an sie, durch gutes Glatteis auf der
Straße. Aber da täppelst du wie eine vollgefres-
sene Ente auf Parquet. Überhaupt woher hast du
auf einmal so viel Temperament gegen mich her-
genommen? von dem Mädchen? Patsch, klatsch,
wir wollen dich ein bischen hinschlagen, daß du
wieder mein ordentlich demütig Büblein wirst. Das
Mädchen verderbt deinen Kopf, Knäblein. Klatsch,
patsch, noch einmal hin.
Au, au, dem Knaben schmerzten die Knie so
schon. „Schick", rief er freundlicher, kannst du
denn gar nicht genug bekommen?, höre doch auf."
Schick brach mit seinem Kopfe die Decke vom
Froschteiche auf, er hörte nicht auf, er hätte am
liebsten dem Knaben die Eisschollen über den Kopf
geschleudert . . dafür war er aber zu weit ent-
fernt. Noch lieber im See ertränkt! Und Schick
hatte das Heer hinter sich in seinen Gedanken, er
legte es in einen Hinterhalt, Blut mußte
fließen! Weh dem, der treulos war, und auf den
Stadtsee ging!
Die ersten Lichtscheiben tauchten vom Dorfe
auf, dem Knaben klopfte das Herz, weil er heim-
kam, und seinen Ruhm verkündigen konnte, er
zählte die Steinhaufen, es waren noch dreie, ein
schwacher Schimmer pinselte sie, dann kam das
erste Haus, dann kamen die beiden großen Scheu-

nen, er wußte, schräg hinüber lag der Frosch-
teich, er wendete den Kopf aber nicht dorthin, son-
dern starr geradeaus auf die Mitte der Strasse, auf
den schwarzen Haufen in der Mitte, hielt er den
Kopf.
Er trat kurz.
Er trat kurz, das war das Heer.
Ihm graute. Sein Herz hämmerte, daß es das
Heer hörte und' unter sich „Pscht" machte. Um-
biegen? ausweichen nach dem Froschteich? Um-
kehren?
Ein sclmtzflehender Gedanke nach dem Mäd-
chen band ein Eisenband auf seine Stirne, es wallte
sein Blut vor Stolz und Heldenerlebnis auf dem
großen Sec, er setzte Hörner an die Ecken vom
Kopf, worunter die Schläfen zucken und schuf sich
einen Hammer, wie Karl Martell, mit seinen
Schlittschuhen. Sie mußten in Schwung, sie
sausten wie eine klingende Kreissäge durch die
Luft.
Vorwärts! er fühlte sich nur als mitsausende
Achse, so duckte er sich in den Kern der iossprin-
genden Säge, seine Faust.
Der Heerführer sank zu Boden und den Hagel
von Hieben durchschnitt die Säge wie vorge-
worfene Prügel.
Leichenstille.ein stummes Heer.
Der Knabe trug seine warmen rieselnden
Kopfwunden zu seinem Vater und erwartete von
seiner gnädigen Hand den Lorbeerkranz.
* *
*
Die Nacht war lang und das Sickern der
Wasserrinne am Hause war wie ein endloser
Faden, der ihn wirr mit dem Mädchen, für das er
in den Heldentod gegangen war, verband. Er hörte
das Plätschern . . von einem Brunnen, der in der
Nacht von Schick vors Haus gestellt wurde . - -
und seltsame Dinge geschahen um den Brunnen,
sein Becken war grün wie der Froschteich und er
stand am Rand und weinte darüber, daß ihm die
Eier auswichen und untersanken und das Becken
sich mit trübem Wasser füllte. Und Schick sa!
bescheiden in die Ecke der aus der Mitte ragen-
den Brunnensäule gedrückt, und sah wehmütig aus
und machte ganz zaghafte Nickerchen zu ihm, als
traute er sich nicht, ihn einzuladen, weil er nun der
große Herr Eiskönig sei. Er hatte Mitleid mit
dem alten verlassenen Freund, wenn der Wind die
Strahlen der Rohre schüttelte und Schick die Haut
zusammenzog.
Der Nacht folgte ein trüber Tag. Der Knabe
saß herum, mürrisch und wehleidig. Es war ihm,
als hätte ihm Jemand das Mädchen gestohlen und
ihn Jemand mit Schick entzweit. Die Freundschaft
zu dem Mädchen am großen See war wie nie,
oder schon vor langer Zeit gewesen, so daß man
sie nicht mehr erneuern konnte, ohne den Ein-
druck jenes Tages zu zerstören und die Erinne-
rung an ein bestimmtes liebliches Aussehen der
Geliebten zu verwischen, oder ganz zu verlieren.
Und mit Schick konnte es nicht mehr das Alte
werden, man. hatte sich gegenseitig beschimpft und
verleumdet. Er preßte die Nase an die Fenster-
scheiben und sah stundenlang die Schmiedknechte
an Bindfaden vom Himmel auf die Erde sausen
und ihre Hämmer durcheinander auf der Straße
schwingen bis die Schlacke abfloß und die harte
Rinde erschien . . . dann hörten sie auf. Schick
war Geschäftsmann und sah die Sache weniger
sentimental an. Er brauchte notwendig Jemand,
der seine Anschauung im Dorfe vertrat. Hatte das
der Knabe früher getan, so wirds auch wieder
werden, dachte er. Das Heer konnte ein böser
Bundesgenosse werden, wenns einmal ans Angeln
und Fischen ging, den Erlen die Zweige schnitt,
Pfeifen klopfte, und Peitschen handelte, das sah

roo
 
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