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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Nebel, Otto: Geleit- und Begleit-Erscheinungen zur absoluten Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0239

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DER STU R M / VIERTES VIERTELJAHRHEFT

Es ist ein wahrer Segen der Natur, daß die Zeitung vor allen anderen Abtrei-
bungsmitteln diesen Untergang der Dummköpfe täglich mehrmals automatisch
ein großes Stück weiter gen Nichts ausbaut und den intelligenten Leser langsam
aber sicher auf die raffinierteste Art unter die aufatmende ERDE preßt.
Aber erst nach dem Untergang der letzten Abendzeitung wird der zerdrückte
Europäer fähig werden zu erleben, daß das befreite A-Be-Ce von A bis Zett
eine geordnete Sammlung graphischer Machtmittel ist, die Bewegung des SINNES
aus der Gestik der Laute dem sehenden AUGE eindeutig offenbar zu machen.
Und erst nach dem Untergang der letzten Morgenpest wird der abonnierte Intel-
lekt von seiner Borniertheit befragt werden, warum er vor ALLEM, was er ver-
sprach, in ALLEM versagte.
Und sie werden es beide für spitzfindig halten, wenn das primäre GEHÖR ihnen
beweisen kann, daß sie beide schon in dem Worte: BUCH-STABE nicht die
bildhafte HERKUNFT des Wortes erlebten, daß sie weder die BUCHE sahen
noch auch den STAB von der Buche, den Zweig vom BAUM der ERKENNTNIS,
der das UR-ZEICHEN trug, das die RUNE ist.
Und die BLÄTTER der BUCHE rauschen ERKENNTNIS.
Doch weder ERKENNTNIS, noch gar KUNST sind auf einem BLATTE oder in
einem BUCHE zu finden, deren UR-HEBER das UR der SPRACHE nicht hoben;
deren Urheber nicht RUNE neben RUNE fügte n, und das WORT nicht als ein
organisches WESEN aus allem URGRUND schufen, der der Boden der
Erde ist, von dem die ZEICHEN allen URSINNS aufgelesen sein wollen,
und vom MENSCHEN in aller Andacht aufgehoben werden wollen, um im GEIST
der ERDE leicht und LICHT und KUNST zu werden.
Das A-Be-Ce von A bis Zett ist eine ORDNUNG von sechsundzwanzig LESEZEI-
CHEN, die im Menschen der ZUKUNFT lebende ZEUGEN seines LEBENS
sind, denen die überzeugende Kraft innewohnt, geistige Bewegung zur
SPRACHE zu bringen, und das WESENTLICHE in objektiver Klarheit zu über-
mitteln. Das A-Be-Ce ist ferner die primäre Möglichkeit, das EIGENLEBEN der
SPRACHE in lauterster DICHTIGKEIT und elementarer URSPRÜNGLICHKEIT
ichlos zu fassen, zu halten und zu formen.
Es dient allso zwei unterschiedlichen Wirkungsgebieten, die sich gegenseitig er-
hellen und bereichern. Es dient der ERKENNTNISSCHRIFT und der DICHTUNG.
Die ERKENNTNISSCHRIFT sei künstlerisch, die DICHTUNG sei KUNST.
Die ERKENNTNISSCHRIFT sei die wortbewußte Gestaltung des offenbarenden
ßEDANKENS, des einen GEDANKENS, der in der Welt der ERSCHEI-

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