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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 3
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Grautoff, Otto: Die Sammlung Serge Stschoukine in Moskau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0097

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DIE SAMMLUNG SERGE STSCHOUKINE

IN MOSKAU

VON

OTTO GRAUTOFF*

Die französische Kunst hat sich thatsächlich die
Welt erobert. Wer heute alle Hauptwerke
Gericaults kennen lernen will, muss bis Johannes-
burg und den Reunioninseln reisen. Wer alle Ge-
mälde der Schule von 1830 zu sehen wünscht,
muss Amerika durchfahren. Für Picasso scheint
vorläufig Moskau die äusserste Station zu sein.

Es ist ein seltsames Phänomen, dass inmitten
der Steppe, die an der deutschen Ostgrenze beginnt
und nicht zu enden scheint, sich eine der umfang-
reichsten Sammlungen moderner, französischer
Kunst befindet. Man glaubt in ein fremdartiges
Kulturzentrum zu gelangen, das anders ist als die
westeuropäischen, bereitet sich auf besondere und
fremdartige Eindrücke vor und wird enttäuscht.
Dass der Bahnhof nur durch seine Jämmerlichkeit
und Ungepflegtheit russisch ist, verzeiht man. Die

* Geschrieben 1914.

erste nachwirkende Enttäuschung bietet der Weg
durch die engen, holperigen Strassen, die von
Schlamm triefen. Man glaubt sich in einer deutschen
Provinzstadt vom Jahre 1890. Die Fassaden der
älteren Privathäuser gehen über die arge Nüchtern-
heit des Notwendigen nicht hinaus und ihre Farben
sind so grau und sonnenfremd, dass sie das Auge
nicht zu verweilender Betrachtung laden. Zwischen
diesen primitiven Wohnstätten erheben sich seit
neuerer Zeit Bazare und Cafes in einem Stil, der in
Mailand und Madrid ebenso häufig erschreckt wie in
deutschen Mittelstädten. Etwas hinter der Strasscn-
linie liegt das Rumjanzew-Museum so blendend
weiss wie frische, kunstvoll geformte Konditorware.
Wäre der Kreml nicht, schaute man nicht bei jedem
Schritt russischen Gesichtern ins Auge, würde man
niemals erraten, dass man in Moskau ist. Steht man
endlich vor der grauen Masse des Stschoukineschen

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