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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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UMGESTALTUNG DER MUSEEN

IM SINNE DER NEUEN ZEIT

VON

OTTO V. FALKE UND CURT GLASER

Aus einer unter vorstehendem Titel erschienenen
Broschüre von W. R. Valentiner* erfahrt man mit
Genugthuung, dass Deutschland im Ausland den Ruf ge-
niesst, die bestgeordneten Museen zu besitzen. Um aber
zu zeigen, „dass Deutschland den Zeiten zum Trotz im
Organisieren der Museen an der Spitze der Völker
bleibt", hält Valentiner Umgestaltungen unserer Kunst-
sammlungen für nötig, die an Stelle der bisherigen
Organisation eine bis zur Auflösung gehende Des-
organisation setzen sollen. Warum? weil die vornehm-
lich historisch geordneten Sammlungen nicht genug für
die Erziehung des Volkes zur Kunst gethan hätten,
weil dem Volke nur die Kunstwerke höchsten Ranges
in Isolierung gezeigt werden dürfen, nicht aber die
nach der heutigen Auffassung weniger hoch stehenden
Werke, die mehr das Verständnis für die geschichtliche
Entwicklung der Kunst als den unmittelbaren Kunst-
genuss vermitteln. Es ist zwar für die Volkserziehung
zur Kunst von vielen Seiten vieles versucht und ge-
arbeitet worden, aber die Ergebnisse waren in der
That nicht voll befriedigend, weif es sich offenbar um
ein Problem handelt, das von den Museen allein mit
Vorträgen, Führungen, Ausstellungen und literarischen
Mitteln schwerlich ganz gelöst werden kann.

Mit der angesagten und stark unterstrichenen Ab-
sicht, der Masse des Volks den Genuss der Kunstschätze
zu erleichtern, stehen jedoch die Reformvorschläge
Valentiners vielfach in so auffallendem Widerspruch,
dass man die Mitwirkung anderer Motive herausfühlt.
Es sind im Grunde die Lorbeeren des italienischen
Futuristenführers, die Valentiner nicht mehr schlafen
lassen. Nur widerstrebend giebt er zu, dass die „aus
berechtigten Empfindungen geborene" Forderung, die
Museen müssten überhaupt beseitigt werden, vor
ruhiger Überlegung nicht bestehen könne. Die Museen
werden also weiter bestehen, denn „wo soll das Beste
unserer modernen Kunst sonst aufbewahrt werden"?
Mit diesen überaus kühlen Gefühlen für unsere Kunst-
sammlungen schreitet er an ihre Umgestaltung.

Seine erste und eigenste Forderung ist die Gründung
eines internationalen Museums der Meisterwerke. Der
Inhalt steht schon zur Verfügung. Den Museen in
Berlin, Dresden, München, Frankfurt, Köln, Kassel,
Nürnberg, Sigmaringen, Schwerin und selbst Kolmar,
ferner einigen Kirchenschätzen werden ihre besten
Meisterwerke an Gemälden, Skulpturen und Kunst-
gewerbe entzogen, um an dritter Stelle in einem Neu-
bau zu „Gesamtbildern der künstlerisch bedeutungs-

* Berlin, G. Grotesche Verlagsbuchhandlung.

vollen Epochen", also doch wieder in historischer
Ordnung, vereinigt zu werden. Bei der Auswahl der
schönsten Kunstwerke Deutschlands soll der expressio-
nistische Standpunkt gebührend zur Geltung kommen:
demgemäss beginnt das Museum mit Negerplastik und
indianischen Federdecken; von der griechischen Plastik
haben die archaischen Werke den Vortritt vor der
Blütezeit der Phidias und Praxiteles, da die letztere
nach heutiger Empfindung der Negerplastik nicht gleich-
gewertet werden kann. Das- neunzehnte Jahrhundert
»vertreten allein die Franzosen von Daumier bis Manet
und Cezanne; die Menzel, Böcklin, Leibl, Liebermann
haben keinen Zutritt, denn „das neunzehnte Jahrhundert
war doch nun einmal eine der unfruchtbarsten Perioden
der deutschen Kunst". Für das achtzehnte Jahrhundert
darf sich die deutsche Kunst wenigstens mit Porzellan-
figürchen von Kandier und Bastelli einstellen, die frei-
lich nur im Saale der Franzosen Unterschlupf finden
können. Wie lange aber kann ein nach so rasch wechseln-
den Anschauungen zusammengestelltes Museum wirk-
sam und verständlich bleiben?

Mit der praktischen Durchführung der vonValentiner
grundsätzlich gefordertenlsolierungdereinzelnenKunst-
werke scheint es im neuen Internationalmuseum auch
nicht weit her zu sein. Der Saal 13, Deutsche Renais-
sancekunst, enthält künftig Grünewalds Isenheimer
Altar aus Kolmar, Holbeins Darmstädter Madonna
und seine bedeutendsten Bildnisse in Dresden, Berlin
und Danzig, Dürers Apostel aus München und Bild-
nisse aus Berlin und Dresden, Handzeichnungen und
Graphik, dann Skulpturen von Tilman Riemenschneider
und Veit Stoss und schliesslich die besten Stücke des
Lüneburger Silberschatzes in Berlin. Alles das in
einem Saal so isoliert zu verteilen, dass der Beschauer
nicht in die von Valentiner wegen des damit ver-
bundenen Energieaufwandes gefürchtete Lage kommt,
bei der Betrachtung eines Bildes zugleich die Anwesen-
heit eines anderen zu bemerken, wird auch dem künf-
tigen Museumsleiter nicht leicht fallen. Die Silberpokale
aus dem Lüneburger Ratsilber sollen nach Valentiners
Meinung den Zeitstil und die Umwelt markieren; denn
„grosse Persönlichkeiten sind nur aus ihrer Umgebung
zu begreifen". Man kann das gerade für die höchsten,
über die örtliche Bedingtheit hinausragenden Kunst-
schöpfungen bezweifeln; würde wirklich die Wirkung
der Parthenonskulpturen dadurch so wesentlich gehoben,
dass man einige attische Vasen und griechische Schmuck-
sachen in den Saal der Elgin Marbles stellte? Es beruht
doch auf einer falschen Einschätzung der Museums-

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