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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 1 (1. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0005
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VDU
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4. Jahrgang

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, I. Januar I8S6
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonparerllezetle oder deren
Raum 20 Pfg„ Auktionen >30 Pfg.

Herausgegebcn unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldeuen Medaillen in Stuttgart, Karlsruhe, München, Paris, Gent und London.

- Versteigerungen und Alterthumsknnde.

Verb ü ag-t e
Auflage MO.

Das Zeughaus mit der Ruh-
rneshalle in Berlin.
(Nachdruck verboten.)


Rüstung und Lanze des Kurfürsten Joachim
II. von Brandenburg, vom Jahre 1560.

°*M^as Zeughaus in Berlin, ein lang-
gestrecktes, ernsthaftes Gebäude
Unter den Linden, war ursprüng-
lich für praktische Kriegszwecke be-
stimmt. Hier waren bis zum Jahre 1877
die Waffcnbestände für die Armee aufbe-
wahrt. Kurfürst Friedrich III. legte schon
im Jahre 1695 den
Grundstein zu dem
trotz seines ernsten
Aeußeren doch har-
monisch wirkenden
Baues. Den Plan
zum Ganzen ent-
warf der damals
vielgenannte Nering,
welcher indessenstarb,
noch ehe die Bauar-
beit besonders weit
vorgeschritten war.
Nun übernahm
Grünberg und nach
diesem der berühmte
Schlüter die Leitung
des Baues. Von
Schlüter stammen
die in ihrer Art ein-
zig dastehenden Bild-
hauerwerke, dieKöpfe
an den Fenster-
schlüssen, die Tro-
phäen rc. Aber auch
Schlüter sollte den
Bau nicht vollenden.
Dies war dem Bau-
meister Johann de
Bodt Vorbehalten,
der 1705 damit fertig
wurde. In gleichem
Jahre wurde das
Zeughaus seiner Be-
stimmung übergeben.
Kaiser Wilhelm I.
befahl aber 7 Jahre
nach dem letzten
Kriege mit Frank-
reich, das Zeughaus
zur Aufnahme einer Waffensammlung umzuwandeln,
verbunden mit einem Schmuckraume, bestimmt zur Auf-
stellung von Standbildern preußischer Herrscher und
preußischer Heerführer; dieser Schmuckraum ist die
Ruhmeshalle. Betreten wir das Haus, so gelangen
wir zunächst in den Lichthof. Hier sind die berühmtesten

Arbeiten Schlüter's, die Masken sterbender Krieger als
Schlußsteine der Fenster, zu sehen. Es sind dies Ar-
beiten , die Schlüter's Ruhm dauernd gesichert haben,
denn bei den 22 Masken ist nicht eine, die sich wieder-
holt. Im Lichthofe erblicken wir eine geschmackvolle,
große Dekoration, gebildet aus französischen Geschützen
und Fahnen, die aus dem Jahre 1789—1804 und
1870—71 stammen. In der Mitte des Raumes steht
ein Werk von Meister Begas in carrarischem Marmor:

Bildern sind die berühmtesten Namen vertreten: Lang-
hausen, Anton v. Werner, Bleibtreu und Andere mehr.
Den preußisch-brandenburgischen Heerführern sind die
Räume rechts und links von der Herrscherhalle gewidmet.
Eine stattliche Reihe von Broncebüsten erinnert uns an
berühmte Namen, geehrt und gefürchtet in der Weltge-
schichte. Nunmehr gelangen wir in die eigentliche Waf-
fensammlung, die vielleicht einzig in ihrer Art
in der Welt dasteht. Der Historiker, der Liebhaber
wie der Künstler findet hier ein Material zu Studien,


Vollständige Ausrüstung für
I, Mann und Roß zum Turnier.
S is eine Borussia. Eine große Dop-
M peltreppc führt uns vom Licht-
Hofe hinauf zur Ruhmeshalle.
nh f Ein imposanter Raum. Die ele-
gant gewölbte Kuppel ist reich
s mit Stückwerk verziert, die Fen-
sterwände nach der Nordseite hi-
naus sind zu großen Flächen für Wandgemälde unserer
ersten Meister gewonnen und der Fußboden ist in allen
Räumen von Mosaik hergestellt. Die Herrscherhalle be-
treten wir auch von der Freitreppe aus. Um Schaper's
Siegesgöttin, jenes bekannte Werk des berühmten Bild-
hauers, gruppiren sich die in Bronce ausgesührten Stand-
bilder der Herrscher aus der brandenburgisch-preußischen
Geschichte. Auch hier vervollständigen schöne Gemälde
den Raum zu einem künstlerischen Ganzen. Bei diesen

wie nirgends wieder. Die einzelnen Stücke sind nicht
nur gültig für den Geschmack der Zeit, ans der sie
stammen, sondern sie haben auch historischen Werth.
Da ist zum Beispiel der Degen, den Kurfürst Georg
Wilhelm von Brandenburg zu tragen pflegte. Die
Waffe stammt aus dem Jahre
1620. Nicht weit davon er-
erblicken wir den Feldherrn-
stab, Degen mit Scheide,
Visirhelm und Handschuhe
des Markgrafen Christian von Bayreuth (1644
—1712). Die alte Zeit des Ritterthums ist na-
türlich auch vertreten. Und welche Stücke sehen
wir da! Neben prächtigen Ausrüstungen für
Roß und Reiter zum Turnier, sieht man Rüstung-
en , die nicht zum ritterlichen Spiele, sondern
im blutigen Ernst getragen wurden, wie z. B.
die des Kurfürsten Joachim II. von Branden-
burg vom Jahre 1560, oder des Grafen Uzees,
Philipp von Champagne, welche aus derselben
) Zeit stammt. Bedeutend ist eine Sammlung
orientalischer Waffen, die 625 Nummern umfaßt
und aus den Sammlungen des Prinzen Karl
von Preußen stammt. Persische Plattenhemden
mit Aermelu und Kniehosen, indische Dolche,
türkische Feuergewehre und Standarten, arabische
Schwerter und kaukasische Spieße aus der Zeit
von 1500—1800 erregen unsere Neugierde durch
eingegrabene Sprüche und technische Vollendung. Jedes
Stück repräseniirt einen Schatz. Hinweisen möchten wir
als auf ein Kuriosum, weil allein unter den vielen
Mordwaffen einer friedlichen Bestimmung anheimgegeben,
zugleich aber als historisch merkwürdig: auf den Stadt-
schlüssel von Adrianopel, den Kaiser Nikolaus I. im
Jahre 1829 nach Eroberung genannter Stadt dem König
Friedrich Wilhelm verehrte. Dann fällt uns in's Auge
als besonders prächtig ein arabischer Säbel, ein Ge-
schenk des Vizekönigs Mehemed Ali an den Prinzen.
Die Scheide ist mit rothem Sammet überzogen, Griff,
Parirstange und Beschläge der Scheide sind aus Silber,
verziert, vergoldet und mit gerundeten Türkisen besetzt.
Nicht minder schön und kostbar, dazu durch sein Alter
hervorragend, ist der Säbel mit Scheide, den man dem
Sultan Soliman I., dem Gegner Karl's V., zuschreibt.
Ein wunderbares Stück ist nicht minder ein Säbel mit
Scheide, der das goldene Brustbild seines Besitzers und
eine Inschrift trägt. Unter den abendländischen Waffen
sind vor allen Dingen die chronologisch geordneten Ar-
maturen zu bezeichnen. Interessant ist die Entwicke-
lung der Kopfbedeckung. Wir finden die Kopfbedeckungen
 
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