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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 44 (28. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0349
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Verbürgte
Auflage 4000.

« 7 1^ Zentral-OraanfürSammelwesen,
Auflage 4000.^Berfteig-rungen und Aa-rchumSlnnd-.j

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 44.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.SO
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 28. Oktober L8S«
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezelle oder deren
Raum so Pfg., Auktionen 80 Pfg.

4. Jahrgang.

Die Wissenschaften sind Gemeingut,
weil das Denken Gemeingut ist, und
das Denken aus der Quelle des Wissens
schöpft. (W. Wundt.)
Me Straub schen Sammlungen.

In der vortheilhaftesten Weise sind, soweit der
Raum sich dazu eignet, die von dem Generalvikar Dr.
Straub der Stadt Straßburg vermachten Sammlungen
mit Ausnahme der Bildergalerie im Saal links neben
dem Hohenlohe-Museum in Straßburg i. E. unterge-
bracht worden, und sie stehen jetzt zur Besichtigung für
das Publikum offen. Acht große Glasschränke bergen
die Kostbarkeiten, und ein Theil der Wände hat die al-
terthümlichen Möbel, die Wirkereien, Gobelins und
Stickereien ausgenommen. Einen Wandpfeiler schmückt
das große Bild des Geschenkgebers.
Beginnen wir mit der Aufzählung der Möbel, so
sollen zunäckst die großen Wandschränke im elsässischen
Stil aus den Jahren 1665 und 1735 erwähnt werden,
die in ihren reichen Verzierungen nachahmenswerth sind.
Ein Kabinetsschrank, reich mit Elfenbein eingelegt, soll
italienische Arbeit sein und stammt aus dem 16. Jahr-
hundert. Die italienische Herkunft wird angezweifelt,
es wäre sonst ein unbezahlbares Stück. Hübsch sind der
Sakristanschrank aus dem 16. Jahrhundert mit den gut
durchgeführten Flachschnitzereien, ferner ein Eckschränkchen
aus dem 17. Jahrhundert mit praktischer Anlage, drei-
eckigen Schubladen, die Aussätze und Schnitzereien aus
dem 18. Jahrhundert; die verschiedenen Möbeltheile aus
dem 15. bis 18. Jahrhundert sollen hier gleichfalls er-
wähnt werden. Zu dieser Sammlung sind auch die
verschiedenen alterlhümlichen Uhren zu rechnen, welche
Pfeiler und Wände schmücken, und die mit ihren in
verschiedenen Tonarten gehenden Doppelschlagwerken
einige Abwechslung in die Stille des Saales bringen.
Da finden wir zunächst eines der ersten Modelle zu den
Schwarzwälder Wanduhren (17. Jahrhundert), das
Läutewerk ist aus Glas, dann eine Uhr mit silbernem
-Gehäuse, aus derselben Zeit stammend, und eine Uhr
mit Einlegearbeit, aus dem vorigen Jahrhundert stam-
mend.
In der keramischen Sammlung finden wir ein ge-
fälliges Theeservice mit geflammtem Goldrand, welches
nach der Zeichnung von dem Engländer Wedgwood an-
gefertigt sein soll. Es kann aber auch sein, sagt die
Straßburger Post, daß es eine Magdeburger Nachahm-
ung ist. Von der feinen Fayence sind zwei Theeservice,
das eine blau-, das andere rothgeblümt, bemerkenswerth.
Sie stammen aus der Magdeburger Manufaktur. Der
Straßburger Hanong ist nur durch drei Apothekergefäße
vertreten. Die Industrie von Niederweiler weist einige
schöne Stücke in der Sammlung auf. Auch Züricher
Stücke (Teller) sind zu sehen. In dem Gläserschrank
bemerken wir Humpen mit fein geschliffenen Wappen,
auch zwei Stücke aus dem Haushalte des Straßburger
Ammeisters Wenker, mit dem Wappen desselben. Auf
einzelnen Humpen sind Trinksprüche eingravirt. Die

Gravirungen sind bemerkenswerth. Daß die Rappolts-
weiler Glasfabrikation nicht fehlt, soll kurz erwähnt
werden. Ein Tischchen mit Miniaturgläsern weist Nach-
bildungen römischer Gefäße auf. Auch Erzeugnisse der
neueren Glasindustrie sind in dem Schranke zu schauen.
Werthvoll ist die Plankettsammlung für Treibar-
beiten, wie man sie an alten Pokalen, an Büchern u. s.
w. angewendet findet. Die größere Sammlung wird
dem Pater Flötner zugeschrieben, der 1550 in Nürnberg
starb. Einzelne finden sich auf dem goldenen Becher
von Stampfer (1545) vor, den das hiesige Bürgerspital
dem Hohenlohe-Museum zur Ausstellung zur Verfügung
stellte. Man in darüber nicht klar, ob Stampfer die
Flötner'schen Vorbilder benutzt hat, oder ob letzterer
dem Stampfer die Bilder entlehnte. Auch die übrige
Sammlung von Planketten ist sehenswerth.
Der in der Mitte stehende Schrank zeigt kostbare
Elfenbeinschnitzereien, zumeist religiösen Charakters. Ein


Geschlossene Sturmhaube von einem Trabharnische des
Ritters Fernberger von Auer (gest. Iö8t). Um 15S0.

Merkchen aus dem 10. bis 11. Jahrhundert, ein Altar-
stück bildend, stellt die Gefangennehmung Christi und
das Abendmahl dar, ein anderes, aus dem 13. Jahr-
hundert stammend, hat vier durchwirkte geschnitzte Bilder,
andere Täfelchen zeigen die Kreuzigung, die Heimsuchung,
die Geburt Christi, Christus in der Glorie jder Engel.
Es sind dies meist Einlagen für Buchdeckel.
In dem Schranke, welcher die Gold- und Silber-
sachen birgt, fallen zwei fein gearbeitete Figuren, die
Madonna und der heilige Martin, den Mantel zerschnei-
dend, auf. Sie stammen unstreitig aus dem 15. Jahr-
hundert und weisen, irren wir nicht, den Straßburger
Stempel auf, sie sind demnach Arbeiten der früheren
hochberühmten Straßburger Goldschmiedekunst. Ganz
sicher stammt die Hostienbüchse aus dem 15. Jahrhundert
aus Straßburg, denn sie trägt unverkennbar den Straß-
burger Stempel. Diesen führen auch eine Reihe gothischer
Trinkbecher, alles Arbeiten aus dem 15. Jahrhundert.

Wir sehen dort auch Ketten, Uhren, Gehänge, Anhänger-
so einen mit Bergkrystallverzierung, getriebene Schaalen-
aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Bemerkenswerth sind
die vier Tafeln mit Halbedelsteinen, alle zu einem Ringe
passend, welche wohl im 17. Jahrhundert einem Straß-
burger Goldschmiede gehört und diesem zu Vorlage bei
seinen Kunden gedient haben wird, unter Benutzung des
Normalringes zur Beobachtung der Wirkung eines jeden
Steines. Unter allen Umständen ist diese Sammlung
erwähnenswerth, da sie Stücke Alt-Straßburger Jndustrie-
und Gewerbefleißes und feiner Kunstsinnigkeit enthält.
Acht ausgehöhlte silberne Thaler mit schöner Prägung
fallen gleichfalls dem Beschauer auf. Es ist zu bedauern,
daß der edle Geschenkgeber keinerlei Notizen über die
einzelnen Sammlungen hinterlassen hat. Der Bericht-
erstattung nicht allein, sondern auch der Forschung würden
dadurch große Dienste geleistet worden sein.
Unter den neueren Sachen sind des Straßburgers
Kirstein Jagdstücke in Silberreliesarbeit bemerkenswerth.
Dieselben wurden in der Ausstellung von Alterthümern
in der Aubette vor fünf Jahren bereits sehr bewundert.
Interessant ist die Sammlung von Braut-, Hochzeits-
und Pathenthalern und -Groschen, die in zwei besonderen
Schränken ausgestellt sind. Eine weit größere Zahl
bergen des Raummangels wegen noch zwei alterthüm-
liche Truhen. Wenn einmal die Sammlungen des
Hohenlohe-Museums sich im Schlosse ausbreiten können,
werden auch diese Schätze zu schauen sein.
Die schöne, jetzt noch in einigen Landstrichen Deutsch-
lands geübte Sitte, bei feierlichen Gelegenheiten Denk-
münzen zum Andenken zu schenken, hat gerade in Straß-
burg eine große Anzahl solcher Münzen, namentlich im
13. Jahrhundert gezeitigt, und eine erkleckliche Anzahl
Stücke verschiedenster Prägung wird hier gezeigt.
Welches Gewerbe, ob Müller, ob Mühlenbauer,
Johann Michael Schuh einstmalen betrieben, das weist
ein von ihm hinterlassener, ein gewerbliches Wappen
darbietender Holzstock nicht auf. Bemerkenswerth ist
noch ein atter Holzstock zur Anfertigung von ornamen-
tirten Dominosteinen.
Die Sammlung von Bronce, Kupfer und Zinn ist
in mehreren Schränken untergebracht. Da sieht man
Schüsseln, Mörser, Kannen, große Tabaksdosen und
Leuchter aus Bronce. Interessant sind die beiden Sup-
pennäpfe, Gefäße, in welchen die Nachbarinnen und Ge-
vatterinnen den Wöchnerinnen Suppe an das Bett
brachten, wie das jetzt noch auf dem Lande vielfach Ge-
brauch ist, in der Stadt aber seit etwa 100 Jahren
nicht mehr geübt wird. Alle diese schön geformten Sachen
tragen den Straßburger Stempel, sind also unverkenn-
bar Erzeugnisse der früheren Straßburger Industrie.
Die Sammlung von Schlüsseln, Bestecken, Griffen,
Kaminvorsätzen ist ebenso sehenswerth wie die Holz-
schnitzereien, die an den Wänden und Pfeilern Aufstell-
ung gefunden. In einem mit Holzschnitzereien gefüllten
Schrank sieht man acht Bergleute in der Bergmanns-
tracht der Markircher Gegend, hübsche, bemalte Figuren.
Auch ein Schwalbenschwanz (Keil) der Heidenmauer bei
Barr ist vorhanden. Ein weiterer Schrank, wie die
anderen doppeltheilig verfertigt, birgt kleine Möbel und
 
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