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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 31 (29. Juli)
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Nr. 31.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 2«. Juli 189«.
(Erscheint wöchentlich.)


Verbürgte
Auflage 4000.

ME. Zentral-QrganfiirLammelwesen,
" Versteigerungen und Alterthumskunde.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiert mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Anzeigen:
Die Nonpareillezcile oder deren
Raum so Psg., Auktionen so Pfg.

4. Jahrgang.

Anleitung zum Sammeln
von Münzen.
Von
Dr. M. Kirmis.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)

Geschichte des deutschen Miinzwesens.
Durch dm Vertrag zu Verdun, 843, wurde Deutsch-
land begrifflich einigermaßen fixirt; das deutsche König-
thum beginnt mit Konrad I., man könnte also die deutsche
Münzgeschichte mit dem Jahr 843, oder mit 912 be-
ginnen lassen. Es ist aber, abgesehen von den schwanken-
den Besitzverhältnissen unter den letzten Karolingern,
ganz unmöglich, diejenigen Gepräge, welche in zeitlich
deutschen Münzstätten entstanden sind, von den übrigen
Karolingermünzen auszusondcrn, so daß das Jahr 843
fallengelassen werden muß. Müller (Deutsche Münz-
geschichte, Leipzig 1860) und besonders Grote (Münz-
studien I p 117 und VII p 287) meinen, man solle die
Münzen Konrad's I. und Hetnrich's I. noch den Karolinger-
münzen zuzählen, weil sie deren Typus trügen, da die
lotharingischen Gepräge jener Zeit keine deutschen seien,
die Mainzer Münzen der beiden Könige mit denen Arnulf's
und Ludwig's des Kindes zusammengehörten und die selbst-
ständige Reichsgewalt eigentlich erst mit Otto I. beginne,
Dannenberg indessen führt mit Recht aus, daß man un-
möglich die Münzen Heinrich's I. deßhalb nur den Karo-
lingermünzen zuzählen könne, weil sie noch viel von
karolingischem Charakter an sich hätten. Dann müßten
auch der Otto Rex mit karolingischem Monogramm und
die Eßlinger Gepräge ausgemerzt werden und der Un-
klarheiten wäre kein Ende; deßhalb beginnt die Münz-
geschichte des deutschen Reiches, als eines staatsrechtlichen
Ganzen, am passendsten mit dem Jahre 912.
Das deutsche Reich hatte aber eine lange Vorge-
schichte; es ist die Geschichte derjenigen germanischen
Stämme, welche von Alters her bis heute auf deutschem
Boden angesiedelt waren.
Man nimmt an, daß um 2000 v. Ehr. die Kelten
bereits den Westrand Galliens erreicht hatten, und daß
700—800 v. Ehr. die Germanen an der Weichsel, Oder,
Elbe saßen, von der Quelle bis zur Mündung dieser
Flüsse. Bei Beginn unserer Zeitrechnung waren die
Kelten aus Böhmen, von der Donau und dem Rhein
bis auf geringe Reste vertrieben und die Germanen
hatten zu beiden Seiten des Rheins festen Fuß gefaßt.
Der Name „Germani" wurde (s. Tacitus, Germania IV)
von den Kelten den ersten (germanischen) Völkerschaften —
den Lungern — beigelegt, welche über den Rhein drangen
und die Gallier von dort vertrieben, und bald auf sämmt-
liche Völkerschaften desselben Stammes ausgedehnt. Die
Germanen zerfielen in die Ostgermanen oder Gothen,
von denen sich schon früh die Nordgermanen abzweigten,
und in die Westgermanen, welche einen großen Theil
des heutigen Deutschlands bewohnten. Die gothisch-

vandalischen Völker verließen in der zweiten Hälfte des
zweiten Jahrhunderts n. Ehr., mit suebischen Stämmen
vermischt, ihre Sitze im nord-östlichen Germanien, kamen
mit der römischen Kulturwelt in innigere Berührung,
und verloren bald den Zusammenhang mit ihren west-
lichen Stammesgenossen; deßhalb sind die Prägungen
jener Völker gesondert behandelt worden. Die alte volks-
staatliche Verfassung der Westgermanen zeigte sich den
Ansprüchen, welche der durch die Völkerzüge entfesselte
Kamvf um's Dasein an das Zusammenhalten der Staats-
genossen stellte, nicht gewachsen; überall, mit Ausnahme
der Sachsen und Friesen, die von den Wanderungen
wenig berührt wurden, vollzog sich der Uebergang von
der Republik zur Monarchie, oder, wo diese schon be-
stand , der Uebergang von Volksköuigthum zu einer
wahren königlichen Gewalt. Die Noth zwang benach-
barte Stämme zu Bündnissen, welche entweder einen
religiösen Mittelpunkt hatten, oder unter einem gemein-

Goldbrakteat, gefunden bei Geltorf in Schleswig.
Gewicht: 14,5 Gramm. Kieler Museum. (Text neben.)


samen Oberhaupte standen; dabei erweiterten sich die
Völkerschaftsnameu zu Gesammtnamen ganzer Stämme,
oder sie erfuhren eine Reduktion, wie bei den Sueben,
zum Theil auch treten die Stämme unter ganz neuen
Namen auf, wie z. B. die Alamannen, Bayern, Franken.
Die Franken (d. i. Freien), ein Zweig der Chatten,
waren schon frühe über den Rhein gegangen, hatten sich,
dem Laufe des Stromes folgend, in Batavien niederge-
lassen, hatten erst Toxandrien erobert, dann die Herr-
schaft des Siagrius gestürzt und unter Chlodowech das
große Frankenreich gegründet; vermischte sich ihr west-
licher Zweig auch rasch mit Galliern und Römern, so
ist das Frankenreich doch sicher ein germanisches, und
die Münzen der Merowinger und Karolinger gehören
der deutschen Münzgeschichte an. — Die Franken zer-
fielen in die Salier (Seefranken, erwähnt zuerst bei
Ammianus Marcellmus 358: IVsuLos, eos viäeliest
guos sousustuäo 8alios axpsllavit, ausos olim in Ro-

mano solo apull Doxianäriara loenm babitaeula 8idi ü^ors
prasliesutsr) und in die Ribuarier (Uferfranken) mit
der Hauptstadt Köln; die ersteren nahmen die Gewohn-
heiten und die Sprache der Besiegten an, die Ostfranken
behielten die Volkssprache bei, und hierin liegt der wesent-
liche Grund, weßhalb sich aus dem fränkischen Reiche
ein französischer und ein deutscher Volksstaat ausscheiden
mußten. Schon die dem Verduner Vertrage vorangehen-
den Straßburger Verhandlungen lassen die Verschieden-
heit der Sprachen als die Grundlage der politischen
Auseinandersetzungen erkennen; die Westfranken Karl's
II. bedienten sich der UuKua. roms.ua, die Ostfranken
Ludwig's des Deutschen der Volkssprache, der linKua
tbsuäisea. Nach der Lostrennung im Jahre 911 behielt
das östliche Reich noch längere Zeit die Namen Ost-
franken, Austrasien, Ostreich; erst allmählich erhielt das
die Sprache bezeichnende Wort politisch-nationale Be-
deutung, bis im 11. und 12. Jahrhundert die Bezeich-
nung des Reiches mit rsAuum I'sutouieum — Deutsch-
land — allgemeine Verbreitung und gewissermaßen
päpstliche Sauktionirung erfuhr. — Die Geschichte des
deutschen Geld- und Münzwesens können wir also mit
jenen Zeiten beginnen lassen, in denen germanische
Stämme feste Sitze auf heute deutschem Boden inne-
hatten.
Die Urgeschichte deS deutschen Geld-
und MünzwesenS.
Lange vor der Zeit, in welcher die Germanen zuerst
mit den Römern und mit römischer Kultur in Berührung
gekommen waren, kannten sie Metallgeld. Die lebhaften
Handelsbeziehungen, welche schon sehr frühe zwischen
den griechischen Küstenstädten des Pontus und den Ost-
seevölkern stattfanden, haben den Germanen wohl zuerst
die Kenntniß und die Schätzung des gemünzten Edel-
metalls vermittelt und sie mit dem orientalischen Ge-
wichtssysteme bekannt gemacht. Das römische Psund
war den Bewohnern Deutschlands zwar bekannt, sie be-
dienten sich aber im Verkehr untereinander anderer Ge-
wichtseinheiten, die sie aus östlichen und nordöstlichen
Wohnsitzen mitgebracht hatten. Ein Beispiel für das
Hineinklingen alter Ueberlieferung in späteres germa-
nisches Kulturleben bietet das altskandinavische Gewicht.
Nach Holmboe war die Einheit eine Mark zu acht
Aurar (Plural von Ezrir); ein Ezrir wog 26,719 Gramm,
die Mark also 213,752 Gramm und das Pfund 427,504
Gramm, d. i. fast genau die Größe der leichten baby-
lonischen Goldmine königlicher Norm von 427,2 Gramm.
Die ersten ausführlicheren Nachrichten über Deutsch-
land und seine Bewohner gibt uns 98 n. Chr. Tacitus
in seiner Schrift „Vs oriKins, situ, moribus so xopu-
lis Vsrwanoium." Im 5. Kapitel heißt es darin: „Das
Geld gefällt ihnen, wenn es alt und lange bekannt ist,
besonders die gezackten Denare und solche mit dem Bi-
gastempel (ssrrati st biAati). Auch trachten sie mehr
nach Silber wie nach Gold, nicht aus besonderer Vor-
liebe, sondern weil die größere Zahl der Silbermünzen
ihnen zum Gebrauch bequemer ist, da sie gewöhnliche
und billige Maaren einhandeln." — Die Deutschen schlugen
kein eigenes Geld. Die Annahme, daß jene Erzmünzen,
welche um Trier häufig gefunden werden, und die
 
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