Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

DOI Heft:
Nr. 22 (27. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0173
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Verbürgte
Auflage 4000.

Zentral-OrganfürSammelweserr,
Versteigerungen und Alterthumskunde.

Verbürgte
Auflage 4000.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Berkert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 22.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 27. Mai 18S«
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

Anleitung zum Sammeln von
Autographen.
Von
Eugen Ritter von Mor-Sunnegg.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)

Wenden wir uns nun zu dem der Zeit nach weit
jüngeren französischen Autographensälschungsprozeß des
Vrain Lucas, der weit frechere Thatsachen, zu deren
Entschleierung viel geringerer Aufwand von Lilteratur-
und sonstigen Kenntnissen nothwendig war, aufweist und
bei welchem ein Gelehrter, Michel Chasles, von euro-
päischem Rufe, als Betrogener erscheint. Die Zeit des
Prozesses fällt in den Monat Februar 1870 und
wurde vor dem Pariser Strafgerichtehofe verhandelt.
Der berühmte Mathematiker Michel Chasles suchte den
Beweis zu führen, daß das Gesetz der Gravitation nicht
von Newton, sondern von Blaise Pascal entdeckt worven
sei und legte zu diesem Behufe der Akademie einen
Briefwechsel zwischen Newton und Pascal aus dem
Jahre 1654 vor. Diese Briefe riefen in Paris und
England lebhaften Widerspruch hervor und es wurde
dargethan, daß Newton zu der Zeit, als diese Briefe
geschrieben sein sollten, als elfjähriger Knabe die La-
teinschule zu Grantham besuchte und seine wissenschaft-
lichen Anlagen, in Uebereinstimmung mit vielen seiner
Altersgenossen, im Construiren von kleinen Mühlen,
Sonnenuhren u. s. w. bewies, und daß er erst im 21.
Lebensjahre die Untersuchungen anstellte, die ihm einen
unsterblichen Namen für alle Zukunft sichern sollten.
Ueberdies zeigten sich bei den Handschriften, die Chas-
les von Pascal vorlegte, sehr große Verschiedenheiten
an Schrift, Styl u. s. w. von den in der Pariser Natio-
nalbibliothek aufbewahrten Manuskripten dieses Autors.
Auch innere Ungereimtheiten und Jrrthümer wurden
nachgewiesen, so vom Litterarhistoriker Faugsre, daß in
einem angeblichen Briefe PaScal's von 1652 die Rede
von einer Tasse Kaffee war, während der Kaffee erst 1669,
also sieben Jahre nach Pascal's Tode, am französischen
Hofe eingeführt wurde, und daß Vieles aus bekannten
Büchern in dem Briefwechsel abgeschrieben sei, z. B.
aus der Lobrede auf Descartes von Thomas. Diesen
vernichtenden Beweisen setzten Chasles, der den Ruhm
auf eine der größten Entdeckungen nicht preisgeben
wollte, und einige seiner Anhänger, wie: Thiers, Eli
de Beaumont u. A., nur ihre unverrückbare Ueberzeugung
von der Aechtheit der vorgewiesenen Schriftstücke ent-
gegen, da Chasles die Quelle ihrer Herkunft durchaus
nicht bekanntmachen wollte. Seine Freunde erzählten
von reichen Autographenschätzen, die Chasles gekauft
habe, von Briefen Molisre's, Rabelais', La Bruhöre's,
Montes quieu's, Shakespeare's u. s. w. Nun aber kannte
man von Shakespeare nur eine im Britisch-Museum wie
eine Reliquie gezeigte Unterschrift, von Molisre hängt
eine unterzeichnete Quittung als Unikum unter Glas
und Rahmen in der Pariser Nationalbibliothek, und die

Briefe La Bruysre's sind sehr selten und ihre Schrift
glich keineswegs der von Chasles vorgewiesenen! Man
erging sich nun in Vermuthungen über die Person des
frechen Fälschers, rieth auf den bekannten Bücherdieb
Libri, der von London aus, wo er sich zu der Zeit auf-

«nävnleN formest
rnsclo. srärnnion «keffs fra-mso rnrr^ov
laß-Ußres'
,rr<1irrttV Irdosren
innHnrHL HLnqa rrrr>(!on isiro
osf rarrenj,e>r.

Schriftprobe von 842.
Die Straßburger Eidschwüre. Die Brüder Ludwig und
Karl vereinigten sich im Jahre 842 mit ihren Heeren bei Straßburg
und schwuren sich angesichts der beiden Heere einen Eid der Treue zu
unwandelbarem Zusammenstehen gegen Lothar. Desgleichen schwuren
nach den Königen auch die Häuvter des beiderseitigen Heerbanns
im Namen ihrer Leute. Die Eidschwüre der Könige, die Nithart
(der Sohn des Angilbert), der Geschichtschreiber jener Zeitläufte,
mitthei't, und die ein günstiges Geschick uns erhalten hat, sind als
Proben der schon vollständig von einander geschiedenen Sprachen,
des Altromanischen (später Altfranzösischen) und des Altdeutschen,
worin das Werden der zwei Nationalitäten enthalten ist, so charakte-
ristisch und interessant, daß wir dem Leser ihren Wortlaut mittheilen.
Ludwig schwur romanisch?ro veo amur et pro Odiiskian podlo
et nostro eominun 8alvamsnk, äi8t die in avank, in yuauk Oeu8
8avir et podir nie dunat, 8i 8a1vaiasio ei8t ineon kradrs Laris,
et in adjndka et in eaäliuna 608a, 8i euni oni per äreit 8on-
kradra 8alvar ä'i8t, in o (iuid il mi altresi karret; et ab Luäber
(Lothar) nnl plaid nuntiuani prindrai, (pii ineon vol eist ineon
kradrs Laris in danino 8it."
Dagegen schwur Karl in germanischer Sprache: „In OodS8
minna ind in tbes ebri8tian68 koiebe8 ind un8«r bedbero AS-
tia1tni88i, kon tbeseino da^e krainmorde8, 80 kram 80 mir (lot
A6^vi8ei indi madb kur^ibit, 80 baidib tesan minan bruodber,
8080 man mit rebtu 8inan bruodber 8sai, in tbiu, tbarr er mi^
8080ma duo; indi mit Ludberen in nodbeiniu tbinK ne 86-
Aantz-a, tbe minan ^viiion imo ee 8eandten werben." — Zu
Deutsch: Aus Liebe zu Gott und um des christlichen Volkes, sowie
unser beider Heil, will ich von diesem Tag an fernerhin , soweit mir
Gott Wissen und Macht gibt, diesen für meinen Bruder halten, wie
man mit Recht seinen Bruder halten soll, daß er mir Gleiches thut;
und mit Lothar werde ich keinen Vergleich eingehen, der nach meinem
Willen ihm zum Schaden gereicht. — Darauf folgt der Vertrag
zu Verdun, 843, den man als die Geburtsstunde deS deutschen und
französischen Volkes bezeichnet. Von da an datirt sich der Zusammen-
schluß der in Sprache und Sitten gleichartigen ostfränkischen Stämme
zu einem Königreich deutscher Nation; ihr erster Herrscher führt in der
Geschichte den Namen Ludwig der Deutsche; er regierte von 843—876.
(Zu dem Artikel: „Anleitung zum Sammeln von Autographen.")

hielt, mit vollster Energie gegen diese Zumuthung pro-
testirte, bis Chasles endlich den Lieferanten seiner
Schätze in der Person des Vrain Lucas, eines ziemlich
übel berüchtigten täglichen Besuchers der Nationalbiblio-

thek, angab. Und nun gab es Enthüllungen, die diese
Affaire zur heitersten Geschichte, welche das Autogra-
phenwesen aufzuweisen in der Lage ist, stempelt.
Chasles besaß Briefe von Alkibiades, Alexander
dem Großen, Attila, Julius Cäsar, Aeschylus, Herodes,
Judas Jschariot, Maria Magdalena, vom auferweckten
Lazarus u. s. w.! Eine Commission wurde zur Prüfung
der Autographen eingesetzt und constatirte 27.000 falsche
neben kaum 100 ächten Stücken. Am 16. Februar 1870
erschien Vrain Lucas, damals 51 Jahre alt, vor Gericht.
Als das Ziel seines Strebens gab er den Wunsch an,
Bibliotheksbeamter zu werden, doch hatte es die Vor-
sehung gefügt, daß die diversen Bücher, da Vrain Lucas
in Ermangelung des Baccalaureats sein Ziel nicht er-
reichen konnte, von einem derartigen Hüter verschont
blieben. Der Angeklagte hatte, wie Chasles aussagte,
ihm anfänglich einige Stücke angeboten mit dem Vor-
geben, selbe in einer Dachkammer gefunden zu haben,
welche das Archiv des 1791 ausgewanderten Grafen
Boisjourdain enthalte, dessen Sammlung der Mehrzahl
der Stücke nach aus der von Ludwig XVI. angelegten
herstamme. Unter diesen zeitweilig angebotenen Hand-
schriften befanden sich stets solche, welche für die wissen-
schaftlichen Fragen, mit welchen sich Chasles beschäftigte,
von besonderem Interesse waren und neue Thatsachen
und Beweise beibrachten. Doch einzeln wollte sie Vrain
Lucas nicht abgeben und so kaufte denn Chasles dem-
selben, den für ihn werthvollen Stücken zu Liebe und
ohne sich um das übrige Material zu kümmern, nach
und nach für beinahe 140,000 Francs ab. Den neuen
Besitzer jedoch machte einmal die Nachricht mißtrauisch,
daß der Buchhändler Lemerre eine Korrespondenz Rabe-
lais' als zu schön, um wahr zu sein, zurückgewiesen,
und der berühmte Autographensammler und Händler
I. Charavay den Verkäufer selbst hinausgewiesen habe.
Vrain Lucas, darüber befragt, forderte keck seine Briefe
zurück, er werde das Geld wieder zurückgeben. Durch
diesen Kniff beruhigte er seinen Käufer, der sich um
keinen Preis von seinen Documeuten trennen wollte.
Vor den Richtern behauptete Vrain Lucas, er habe
Niemand geschädigt, denn seine Autographen, ob ächt
oder falsch, seien ihren Peis werth. Er habe dadurch
vergessene oder den meisten Gelehrten völlig unbekannte
historische Thatsachen wiederum in's Gedächtniß gerufen,
in Einem belehrt und unterhalten unv, wenn auch nicht
klug, so doch rechtlich und patriotisch gehandelt. Es
kamen nun einige der haarsträubendsten Stücke aus
seiner Fabrik unter homerischem Gelächter der zumeist
dem Gelehrtenstande angehörigen Zuhörer zur Verlesung,
vorerst die altfranzösisch abgefaßten Briefe aus dem
Alterthum.
Llsxavärs rsx bezeugt seinem Freunde Aristote sein
Mißfallen über die Veröffentlichung von Büchern ohne
des Herrschers Genehmigung, gestattet ihm jedoch zugleich
eine Reise nach Gallien zu Studien über die Religion
der Druiden, welche Nation ihm besonders werth sei,
da durch dieselbe Licht in die Welt käme. Datirt: „Is
XX. äss valsnäss äs La/, an äs la OV. ol/mxiaäs."
— Von Kleopatra lagen drei Briefe vor an Cato, an
Pompejus und an Cäsar, welch letzterem sie mittheilt.
 
Annotationen