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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 15 (8. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0117
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Verbürgte
Auflage 4000.

Zentral-OrganfürSammelwesen,
Auflage 4000. Versteigerungen und Alterthrrmskunde.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 15.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 8. April 18S«.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum so Psg., Auktionen so Psg.

4. Jahrgang.


Dann aber werden die bekannten Wirthschasten un
Remsthale gestürmt, und das Essen und Trinken schmeckt
nach dem Marsch und bei der erquickenden Frühlings-
luft vortrefflich.
Bei Gelegenheit eines solchen Ausfluges erzählte
mir ein Freund im Anschluß an die „Froschtasse" die
folgende, für Alterthümler höchst interessante Geschichte:
„Am 7. Februar des Jahres 1845 ging durch die
Abendblätter Englands ein einziger Schrei der Ent-
rüstung. Die weltberühmte Portlandvase, eine der herr-
lichsten Zierden des britischen Museums, lag in Trümmern.
Das Museum war an jenem Tage wie gewöhnlich dem
Publikum geöffnet; kurz vor vier Uhr hörten die Personen,

In der Gartenwirthschast. (Text neben.)

Die Portlandvase.
Von Emi Jssor.
(Nachdruck verboten.)

^enn man auch das ganze Jahr
lang nicht Gelegenheit hat, eine Parthie
in's Remsthal (Württemberg) zu ma-
chen, zur Zeit der Kirschenblüthe treibt
es uns gewaltsam hinaus in das schöne,
von der Rems durchflossene Thal, das
dann sein Festgewand angezogen hat
und einem großen Garten gleicht.
An schönen, sonnenreichen Tagen ist's eine ganze
Völkerwanderung, die hinauszieht nach Stetten, Grün-
bach, Schorndorf, Waiblingen und wie die Orte alle
heißen, um sich an dem selten-schönen Anblick zu weiden,
der uns dort geboten wird. —
Die Blüthenpracht ist auch in der Regel hier be-
sonders schön entwickelt. Der Remsthalbauer kann sich
dann nicht satt genug sehen an der Fülle, und kalkulirt,
daß ein gutes Jahr kommen müsse.
So materiell sind die Ausflüger allerdings nicht.
Sie empfinden ein mehr ästhetisches Behagen. Materielle
Wünsche kommen bei ihnen erst hinterher, wenn die
Füße müde werden und der Gaumen trocken ist.

welche im Hamiltonsaale die Kun stwcrke
betrachteten, auf einmal ein starkes
Krachen — sie eilten dem Schalle nach
— die vielbewunderte Vase lag zer-
schmettert am Boden. Die Bestürzung
war allgemein. Jeder fürchtete, der Ver-
dacht, diesen Vandalismus begangen zu
haben, könne sich auf ihn lenken. — Auf
ein Kommandowort des Aufsehers wur-
den alle Thüren geschlossen und die An-
wesenden inquirirt.
Ein bleicher junger Mensch, dem
Typus nach ein Südländer, Spanier
oder Italiener, stand zunächst dem That-
ort; er hatte die Hände auf dem Rücken
gefaltet und sah stier vor sich hin.
„Der war's, der war's," riefen
Mehrere, die Zeugen seiner Unthat ge-
wesen, und der Aufseher, Mr. Hawkins,
ein ebenso besonnener als gerechter Mann,
trat auf den Dunkelhaarigen zu mit der
Frage: „Haben Sie die Vase herabge-
stoßen?"
Man mochte einen Augenblick glau-
ben, er würde, wie es natürlich schien,
leugnen und trat allgemein näher, sein
„Nein" unisono zurückzuweisen, er aber
hob die schwarzen Augen vom Boden
und sagte mit einer Stimme, die auch
tausend Risse zu haben schien: „Ja, ich
that es."
„Dann sind Sie hiermit verhaftet!"
Der junge Mann verbeugte sich mit
dem Anstand eines gut erzogenen Men-
schen und ließ sich willig nach Bowstreet
Police-Station bringen. Er beantwor-
tete auch hier die Frage, ob er die Vase
zertrümmert habe, mit „Ja" und das-
selbe „Ja" auf eine zweite Frage: „Ab-
sichtlich?" Doch auf alle anderen Fragen
nach Namen, Geburtsort und Jahr schwieg
er hartnäckig, und seine Personalien
festzustellen wäre in einer Riesenstadt
wie London vielleicht unmöglich gewesen,
wenn ein Zufall nicht jede gewünschte
Auskunft gegeben hätte.
Am Tage nach der That, wo alle
Blätter Zeter schrien und dieses Verbrechen krankhafte
Bosheit oder Sucht nach Berühmtheit, herostratischen
Größenwahn schalten, kam eine tief verschleierte Dame
auf die Bowstreet-Station und wünschte den Lieutenant
äu jour zu sprechen. Nachdem sie demselben ein paar
Worte zugeflüstert, erhob er sich mit lebhaftem Inte-
resse und führte die Verhüllte in sein Sprechzimmer,
welches ein tots-ä-toto gestattete.
Mehr als eine Viertelstunde blieb diese Unterhal-
tung im Flüsterton geführt, dann verabschiedete die
Dame sich — am Abend wußte man, der Vandalist
heiße William Lloyd, sei Dekorationsmaler am Covent-
garden-Theater und aus Dublin gebürtig.
 
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