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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 16 (15. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0125
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Verbürgte
Auflage 4000.

!Zentral-OrganfürSammelwesen,!^"7^o
Versteigerungen und Alterthnmsknnde. vUisUUjl.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Berkert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 16.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.SO
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 1». April 18S6.
(Erscheint wöchentlich.)

4. Jahrgang

Anzeigen:
Die Nonpareilleieile oder deren
Raum S0 P»g., Auktionen 30 Pfg.

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lichkeit, sich bewegen zu sehen. Diesen Vortheil hat der
Autographensammler, der oft genug die Schreiber seiner
Briefe ungezwungen mit Freunden und Verwandten
verkehren sieht, ihre kleinsten Eigenheiten und Regungen
kennen lernen und daraus ihr Wesen und ihre Art er-
fassen kann. Bekanntlich verdanken wir es den emsigen
und gelehrten Mönchen des Mittelalters, daß wir die
Schriften eines Homer und Virgil, eines Demosthenes
und Cicero, eines Herodot und Livius und so vieler
unsterblicher Denker und Dichter des Alterthums über-
kommen erhielten. Wenn es verstattet ist, Kleines mit
Großem zu vergleichen, so ist es fast ausschließlich den
fleißigen Autographensammlern zu danken, daß die Briefe
des hl. Franziscus v. Sales, Fsnslon's, Bossuet's und
mancher Anderer erhalten blieben. Der Autographen-
fammler kann daher Wohl mit vollster Beruhigung einem
Vergleich der Berechtigung seiner Lieblingsbeschäftigung
mit der von Sammlern anderer Richtungen entgegen-
setzen. _

1. Geschichte des Autographcnsammelns und
dessen Grenze. Die gebräuchlichen Abkürzungen.
Die allgemeinste Verbreitung hat seit altersher das
Sammeln von Selbstschriften in China, dessen Bewohner
eine große Verehrung vor dem Geschriebenen haben,
indem sie in der Kunst, durch Zeichen zum Geiste zu
sprechen, etwas Göttliches erblicken. In ihren Tempeln
bewahren sie sorgsam Papierstücke, die von der Hand
eines Kaisers beschrieben worden sind, Zettel, von denen
manche bis zu 2000 Jahre zurückreichen. Doch kann
man bei ihnen von einem Autographensammeln im mo-
dernen Sinne nicht sprechen, denn ihre Verehrung vor
dem Geschriebenen erstreckt sich auf alles, stamme es
woher es wolle; daß Schriften berühmter Männer ihnen
von besonderem Werth sind, ist selbstredend. Auch aus
den Römerzeiten erfahren wir von Selbstschriften, indem
Plinius der Aeltere es als besondere Merkwürdigkeil
erwähnt, daß er die Handschriften der beiden Gracchen,
Cicero's, des Kaisers Augustus und Virgil's gesehen

Autographen. (Text neben.)
Unterschrift des heiligen Bischofs Eligius: w. 6HL(I8ll?)I. MiMM LLI6IV8. Lkfl80OI>vf8. 8VL fserixsif. Zn
der Gründungsurkunde der Abtei von Solignac bei Limoges. Nach der gewöhnlichen Angabe wäre Eligius damals noch
Laie und Goldschmied gewesen (zum Priester geweiht und zum Bischof von Nopon erwählt L. v. S3S). Wegen seines früheren
Berufes verehren ihn die Goldschmiede, auch die Schmiede und dis Schlosser als ihren Patron. Die Legende macht ihn auch
zu einem geschickten Hufschmied, der einmal den Heiland als Gesellen annahm und es diesem überlassen mußte, das Roß des
Ritter« St. Georg zu beschlagen, da er selbst nicht damit fertig wurde.

Correspondenteu der
Sammlungen beraubte und sie vernichtete. Es mögen
Wohl die französischen Auswanderer und Flüchtlinge,
die nun Deutschland als Heimstätte anfsuchten, mit so
vielem Anderem auch die Lust am Sammeln von Selbst-
schriften von ihrer Heimath über den Rhein mit herüber-
gebracht haben, den nun finden wir auch in Deutschland
das Autographensammeln in steter Verbreitung. Im
Jahre 1801 wurde in Paris der erste Versuch gemacht,
eine Autographensammlung, welche von dem Marschall
Richelieu Herrührte, öffentlich zu verkaufen; ein Buch-
händler erstand sie und sie wurde in alle Welt ver-
zettelt. Im Mai 1822 erschien in Paris der erste Au-
tographenkatalog (von de Pixcrecourt), und im Jahre
1838 fand in Wien die erste deutsche Autographenver-
steigerung, veranstaltet vom Buchhändler Franz Grösser,
statt. Seit dieser Zeit finden wir fast alljährlich mehrere
Autographen-Auktionen in Frankreich, England, Deutsch-
land, Italien und selbst Schweden, und es sind die Selbst-
schriften zum Handelsartikel vieler Buchhändler und

Anleitung zum Sammeln von
Autographen.
Von
Engen Ritter von Mor-Sunnegg.
(Nachdruck verboten.)

Einleitung.
Das Wort Autograph stammt aus dem Griechischen,
hat im Deutschen in dem Ausdrucke „Selbstschrift" seine
vollkommen gleichwerthige Bezeichnung und kommt nach-
weislich zum ersten Male in dem Sinne für eigenhän-
dige Handschrift hervorragender Personen 1733 bei Jamet
in einem Briefe vor. Was nun das Sammeln von
solchen Autographen anlangt, so gehört es zu den vor-
nehmsten und berechtigtesten Liebhabereien, der seit langer
Zeit hervorragende Männer und Frauen, wie Napoleon,
Metternich, Goethe, Friedrich III. als Kronprinz des
Deutschen Reiches, Königin Victoria
von Großbritannien, Carl von Hol-
tet und Andere mit Lust und innerer
Befriedigung zugethan waren und
sind. Haben auch die Selbstschriften
in erster Linie nicht die Aufgabe,
den historischen oder sonst literari-
schen Studien zu dienen, so hat
doch mancher Gelehrte und Forscher
es der Mappe eines fleißigen Au-
tographensammlers zu verdanken,
wenn er Aufschlüsse erhielt, die
ihm keine Chronik, keine Memoiren
und Biographien je bieten konnten.
Bieten auch die Autographen nicht
einen Kunstgenuß, wie etwa Bild-
werke, oder einen Jedermann in
die Augen fallenden Nutzen, wie
naturhistorische Sammlungen, so
sind sie doch nicht als bloße Kurio-
sitäten zu betrachten, sondern es knüpft sich an sie ein
gewisses geistiges Interesse, das Interesse an der Person
und den Thaten des Schreibers selbst, so daß der Samm-
ler von Selbstschriften säst selbstverständlich sich um die
näheren Verhältnisse und Werke dieser oder jener be-
rühmten Persönlichkeit, deren Handschrift er besitzt, be-
kümmert und sich ein reiches, allgemeines Wissen er-
wirbt. Mit Erkenntniß der Wahrheit, daß dem Men-
schen von Allem, was er hienieden zurückläßt, vielleicht
mchts so ganz eigen ist, als seine Handschrift, das Pro-
dukt seiner geistigen und körperlichen Thätigkeit und der
unmittelbare Ausdruck seines eigensten Jchs, war auch
der hinfälligen Spekulation Thür und Thor geöffnet,
der Schriftendeuterei (Graphologie oder Chiromantik),
mit der der Autographensammler durchaus nichts ge-
mein hat. Es ist von hervorragendem Werthe und In-
teresse, berühmte Leute, die gleichsam einen Markstein
m der Wissenschaft, Kunst und dem Leben der Völker
bezeichnen, oder sonst eine bedeutende Stellung ein-
nehmen, als reine Menschen, ohne Scheu vor der Oeffcnt-

habe. Läßt sich auch vermuthen, daß das Interesse an
Selbstschriften berühmter Personen so alt ist als die
Schrift selbst, so läßt sich doch von einem Autographen-
sammeln im eigentlichen Sinne erst seit 250 bis 300
Jahren reden. Den ersten Anstoß hierzu mögen wohl
die Stammbücher gegeben haben, welche seit der Refor-
mationszeit immer weitere Verbreitung, theils als werthes
Andenken an Verwandte und Freunde, theils als Em-
pfehlungsschreiben, namentlich bei den Schülern dec Uni-
versitäten, fanden. Diese machten wohl den Wunsch
rege, viele weit bekannte und berühmte Männer einge-
zeichnet zu haben, um damit zu prunken und ein Erin-
nerungszeichen an den Schreiber zu besitzen.
Die erste bekannte Autographensammlung war die
des Antoine Lomsnie de Brienne (ch 1638), Gesandten
Heinrich's IV., welche später Ludwig XIV. erwarb und
als „Vonäs äs Urisnns" in der Bibliothek zu Paris
aufstellen ließ; sie umfaßte 310 Foliobände. Seit dieser
Zeit finden wir häufig Autographeniammlungen von
bedeutendem Umfange und reichen Inhalte erwähnt.
Die Lust und Vorliebe zum
Sammeln von Handschriften ge-
schichtlich hervorragender oder
durch Kunst und Wissenschaft, so-
wie durch außerordentliche Geistes-
gaben oder Schicksale ausgezeich-
neter Personen ging von Frank-
reich nach England über und
verpflanzte sich, insbesondere seit
dem Anfänge dieses Jahrhun-
derts, vorzüglich auch nach Deutsch-
land. Zur Zeit der französischen
Revolution, zu Ausgang des
vorigen Jahrhunderts, sielen viele
Sammlungen von Selbstschriften
dem Vandalismus zum Opfer,
indem man die Büchersammler,
welche zumeist auch Autographen
besaßen, als Hehler der Fami-
lienpapiere des Adels und als
Aristokratie verdächtigte, ihrer
 
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