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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 32 (5. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0253
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V erbürgte
Auflage 4000.

^entrat-QrganfiirLarnmelwesen,
. Berfteigerungen und Alterthumskunde.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert -in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 32.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 5. August 18S6.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezerle oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

Auf der Kunstreise

Porträt und

jener Summe Anfang dieses Jahres für die Bildung einer
Galerie alter Bilder im Etat ausgeworfeu und die Mu-
seumskommission mit der Anschaffung betraut. Die Un-
terhandlungen, die seither gleichzeitig in Paris, London,
Italien und Deutschland betrieben wurden, haben einen
so raschen und günstigen Verlauf gehabt, daß bis zum
Sommer für die bewilligten Gelder eine Art Galerie
schon beisammen war; die Reinigung einzelner Bilder
und die Beschaffung von neuen Rahmen verzögerte aber
die Aufstellung bis zum Spätherbst. Diese erfolgte erst
vor einigen Wochen, unter Beistand von Dr. Bode aus
Berlin, durch den Dozenten der Kunstgeschichte an der
Straßburger Universität, Professor Janitschek, welcher
an der Anschaffung der Bilder hervorragenden Antheil
hat und zur Zeit mit der Anfertigung eines Kataloges
beschäftigt ist.
Die kleine Galerie (ich zählte 62 Bilder) hat von
Allem etwas; jede Zeit, jede Schule bis zum Ende des
vorigen Jahrhunderts ist vertreten; die Absicht, eine
Uebersicht über die Entwicklung der Malerei von Giotto
bis auf Watteau und Guardi zu geben, ist schon jetzt
in gewisser Weise gelöst. Dabei hat man sich keines- >
wegs damit begnügt, nur Schulbilder oder Werke zweiter
und dritter Meister zur Vertretung der einzelnen Schulen
anzuschaffen, sondern eine Reihe der ersten Maler sind
vertreten und obenein in guten oder selbst hervorragen-
den Bildern. Das Streben nach einer gewissen Voll-
ständigkeit erscheint für die Sammlung einer großen
Universitätsstadt sehr berechtigt, doppelt anzuerkennen
ist es aber, daß darüber nicht — wie es so häufig den
Herren Kunsthistorikern zu gehen pflegt — die Rücksicht
auf den künstlerischen Werth vernachlässigt ist, daß die
historischen und erziehlichen Zwecke doch der Rücksicht
auf künstlerischen Genuß und Geschmacksbildung nach-
gesetzt sind.
Unter den ältesten Italienern fiel mir ein kleines
Kreuzigungsbild von Giotto besonders auf, ein Bild von
außerordentlich edler und tiefer Empfindung und von
trefflicher Zeichnung. Unter den Bildern des fünf-
zehnten Jahrhunderts erschien mir eine kleine An-
betung der Hirten von Crivelli das werthvollste Stück,
sowohl wegen seiner köstlich naiven Auffassung wie
durch seine fabelhafte Durchführung. Von zwei
großen venezianischen Bildern hat die heilige Fami-
lie von Bartolommeo Mo ntagna die diesem Meister
eigenthümliche Großartigkeit der Figuren und die
Kraft und Tiefe der Färbung. Sehr nett ist auch
die Landschaft mit dem heiligen Hieronymus von
Basaiti. Diese Bilder umschließen als Mittelbild der
italienischen Wand ein Frauenporträt, das als „For-
narina" bezeichnet wird und dem Penni zugeschrieben
ist. Ob's Penni ist, weiß ich nicht; ein herrliches Bild
aus Raphael's Schule oder Werkstatt ist's auf alle Fälle,
und die bekannte Geliebte Raphael's stellt es sicher dar.
Es sind genau dieselben Züge wie in dem Bildnisse
dieser schönen römischen Bäckerstochter in der Galerie
Barberini, das Raphael selbst gemalt hat; nur hat der
Schüler sie weniger verschönert, weniger idealisirt wie
der Meister, und dann durfte er sie nicht nackt belauschen
wie der Geliebte. Aber gerade die Individualität des
Kopfes, die Kraft und Schönheit der Farben, sowohl

Ich hatte in der Schweiz zu thun. Mein Weg
führte mich durch das Elsaß; von Weitem tauchten in der
kahlen Winterlandschaft auf dem dunklen Grunde der
Vogesen die Thürme des Münsters von Straßburg auf.
Da erwachte die Sehnsucht, die schmucke alte Reichsstadt
einmal wiederzuseheu, in den engen Straßen der Alt-
stadt die Zeugen der verflossenen Größe zu bewundern
und den weitläufigen Schmuck, den sich die neue Stadt
im Reiche anlegr, zu mustern.
Ich war in die neue Universität eingetreten; ein
Zögling der alma water machte mir den liebenswürdigen
Cicerone in dem Säulenlabyrinth der unteren Räume.
„Wollen Sie unsere Abguhsammlung im oberen Stock
nicht ansehen?" fragte der junge Philologe, der bei
Professor Michaelis Archäologie belegt, hatte. „Nein,
um Alles in der Welt nicht, die Gipse habe ich satt seit
meinem letzten Besuche in Berlin," war meine unhöf-
liche Antwort, und obgleich der wackere Archäologe mir
rübmte, daß ihre Straßburger Sammlung sehr viel
besser sei, wie die Berliner, und daß sie ganz famos
aufgestellt sei, blieb ich dabei, keine Abgüsse sehen zu
wollen. „Ja, aber mit Originalen können mir Ihnen
auch dienen. Wissen Sie, daß wir seit wenigen Wochen
eine Bildergalerie haben? Und zwar eine ganz brillante
Sammlung mit Bildern von Raphael, van Dyck, Rem-
brandt, Rubens! Sie soll in nächster Zeit dem Publi-
kum zugänglich gemacht werden." Ich wußte von nichts
und wurde über alle die großen Namen so bedenklich,
daß ich mich am liebsten lofort aus dem Staube ge-
macht hätte. Aber mein junger Freund wurde so ein-
dringlich, sprach mir gar von einem Pieter de Hooch,
von dem ein Bild in Paris erst kürzlich mit mehreren
Hunderttausenden bezahlt worden sei, von einem Deniers,
einem Giotto — und als er dem vorübergehenden Kastellan
zurief, er möge die Schlüssel zur Kunsthistorischen
Abtheilung holen, folgte ich beiden willig zu dieser
„Galerie".
„Hier sind wir schon", sagte mein junger Führer.
Wir traten in einen Saal von mäßiger Größe, wo-
rin man mit vieler Mühe durch schräggestellte Holz-
Wände der Blendung der großen Fenster an zwei
Seiten abzuhelfen gesucht hatte. Mein erster Blick
fiel auf das große Bild einer schönen Matrone in
Wittwentracht vor einem tiefrothen Vorhang; ein
prächtiges altes Bild, ohne Zweifel-und wahrhaftig
ein ächter, trefflich erhaltener van Dyck aus seiner Ge-
nueser Zeit! Ich äußerte laut meine Bewunderung, zur
Freude meines Begleiters, der mir bestätigte, daß das
Bild aus Genua erworben sei und eine vornehme Ge-
nueser Dame darstelle.
„Aber sehen Sie doch hier unsere Amsterdamer Gold-
schmiedegilde von Thomas de Keyser und darunter den
famosen kleinen Rabbiner von Rembrandt!" damit zog
mich der Studio zu einer anderen Wand, an der ich
mich vor einem großen prachtvollen Regentenstück in eine
der ersten holländischen Galerien versetzt glaubte. Da-
runter der Rembrandt und wirklich ein „famoser"; da-

Aurographen.
Unterschrift Karl'S II. von England. (Text Seite 250.)

Mark für Begründung einer neuen Galerie. Damit hat
man sich aber nicht übereilt; jene Summe hat nahezu
zwanzig Jahre unangetastet im städtischen Säckel depo-
nirt gelegen; aus ihren Zinsen wurde das Kunstge-
werbemuseum durch Herrn Schlicker begründet und wur-
den gelegentlich moderne Bilder angekauft. Im ver-
flossenen Jahre soll das Angebot einer großen italienischen
Bildersammlung, die als gar zu gemischt und theuer
schließlich abgelehnt wurde, bei den Vätern der Stadt
den Anstoß gegeben haben, die Frage der Bildung einer
wirklichen Galerie wieder iu's Auge zu fassen. Auf
Vorschlag des Bürgermeisters Back wurde ein Theil

neben ein ebenso schöner D. Teniers, zwei Skizzen von
Rubens — ja, mein junger Führer hatte recht: hier
war ich wirklich vor Originalen und zwar vor trefflichen
Originalen.
Während ich nun im Saale mich orientirte und von
Wand zu Wand, von Bild zu Bild wanderte, prüfend
und genießend, ließ ich mir die Geschichte dieser merk-
würdigen Sammlung erzählen.
Die wenig bedeutende Bildersammlung, welche
Straßburg früher besaß, ist beim Bombardement 1870
in Feuer aufgegangen. Die Stadt erhielt dafür die
stattliche Entschädigungssumme von einer halben Million
 
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