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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 30 (22. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0237
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Verbürgte
Auflage 4000.

AME 4000 Zenteal-OrganfürSammelweseu,
. Versteigerungen und Alterthumskunde.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiert mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 30.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, SS. Juli 18S«.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeige»:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum so Psg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

Das Textil-Mufenm in
Wiesbaden.

Das Textil-Museum in Wiesbaden gehört seit
mehreren Jahren zu den Sehenswürdigkeiten dieser auch
kunstgewerblich aufblühenden schönen Kurstadt. Es ist
in vieler Hinsicht bemerkenswerth. Abgesehen von dem
überaus reichen Material, das vier Säle und drei
große Corridore bedeckt, ist man überrascht zu erfahren,
daß Alles Privat-Eigenthum des Kunstgewerbschul-Direk-
tor a. D. Fr. Fischbach ist. Mithin haben wir es mit
dem einzig derartig angelegten Museum zu thun, welches
käuflich ist. Die Stadtbehörde gab Herrn Fischbach die
zufällig freien Mansarden-Räume des neuen Rathhauses
zur Errichtung dieses Museums, wogegen der Besitzer,
der sämmtliche Kosten für Mobiliar-Unterhaltung, Rei-
nigung, Heizung, Stellvertretung rc. trägt, die freie Be-
nutzung des Studien-Materials Jedermann gestattet.
Ja, er bietet mehr, denn in diesen Räumen gibt er
Vereinen und Gewerbeschülern rc. wöchentlich die Vor-
träge über Ornamentik (unentgeltlich). Wie lange dieses
Beneficiu m für Wiesbaden bleibt, ist fraglich. Bei un-
serem Besuche erfuhren wir, daß verschiedene Anfragen
vom Auslande vorliegen, daß der Besitzer aber als
Fachmann wünsche, sich nicht von diesen Sammlungen
zu trennen, die er zu fachlichen Studien angelegt. Selbst-
verständlich sei der Preis billiger,
wenn er Alles um sich herum
behalten könne. Herr Direktor
Fischbach zeigte uns eine Stelle
in G. Semper's Werk „Die tex-
tile Kunst", welche prophezeit,
daß aus dem Studium der Tex-
tilkunst die Ergänzung der ver-
gleichenden Sprachforschung her-
vorgeheu werde. Mit diesen
Studien ist Herr Fischbach, nach-
dem er seit 1888 seine amtliche
Thätigkeit abgeschlossen, beschäf-
tigt. Vergleichen wir sein Mu-
seum und die Art, wie er das-
selbe Jedermann dienstbar macht,
mit anderen Museen. Zuge-
geben, daß in Berlin, Wien,
Dresden, München rc. ebenfalls
reger Eifer ist, und daß Privat-
Mittel nicht so weit reichen wie
Staatsgelder, so kommt Herrn
Fischbach doch das Verdienst zu,
zum ersten Male das Gesammt-
Gebiet der Textil-Ornamentik
umfassender und übersichtlicher
veranschaulicht zu haben. Fast
alle Museen sind durch Raum-
mangel verhindert, in gleicher
Weise auszustellen, weil sie alle Zweige des Kunstge-
werbes cultiviren wollen. Die Mühe, aus Mappen und
Schränken mit Hülfe der Kustoren das herauszufinden.

was man speziell studiren und zeichnen will, fällt in
Wiesbaden weg. Fast alles ist an Wänden und Stellagen
unter Glas in Gruppen historisch und nach dem Mate-
rial geordnet. Was nicht in Original erreichbar, ist


durch gute Kopien eingereiht. — Vor ungefähr 30 Jahren
entstanden auf dem Kontinent die Textil-Sammlungen.
Heute sind sie unentbehrlich für die Archäologie und für

den kunstgewerblichen Fortschritt. Ja, die jüngsten Aus-
grabungen in Pern, in Aegypten rc. haben eine solche
ungeahnte Fülle der wichtigsten Ornamente dem Stu-
dium zugänglich gemacht, daß wohl kein anderes Ge-
biet der Archäologie mehr in den Vordergrund getreten
ist. Fünf Sechstel aller Ornamente wurzelt in der Tex-
tilkunst. Mit dieser müssen sich die Archäologen daher
mehr wie früher vertraut machen.
Ein besonders interessantes Stück des Wiesbadener
Textil-Museums ist der aus einer Pyramide stammende
Modeldruck der Göttin Neith. Diese ägyptische Athene
(die Verschleierte von Sais) sitzt am Webstuhl und
wirft das Webschiffchen. An den Hüften hat sie herab-
fallende streng stilisirte Cherubim-Flngel. Auf dem
Haupte trägt sie die „vergoldete" Sonnenscheibe. Sper-
berflügel und Ibisse vervollständigen die Attribute. Wahr-
scheinlich gehört dieser Modeldruck zu den ältesten Druck-
erzeugnissen, die wir auf Erden besitzen.
Ebenso wichtig ist eine Borte, welche die primitivste
Verwerthung des Aufzug-Webstuhles bekundet. Der
Charakter der Hand-Wirkerei ist noch gewahrt, aber die
Vorrichtung des Aufzuges ermöglichte die Multiplicalion
des Musters.
Da Herr Direktor F. Fischbach seit 30 Jahren als
Ornamentist und Schriftsteller thälig ist, und ferner
Beziehungen zu den besten Sammlern hat, so ist selbst-
verständlich der Werth seines Museums dadurch erhöht,
daß er weniger Curiosa und Schaustücke, sondern Fach-
lich-Lehrreiches sammelte und ordnete. Jede Gruppe ist
gut vertreten. Die Besucher der
schönen Kurstadt Wiesbaden
mögen nicht versäumen, dieses
Museum im Rathhause (Ein-
gang Thür 73) zu besichtigen.
Es ist an jedem Wochentage
von 11—>/2l Uhr geöffnet.

Galerie Miethke.
In Wien ist soeben in der
Dorotheergasse Nr. 11 die Ge-
mäldegalerie des Herrn H. O.
Miethke für den allgemeinen
Besuch eröffnet worden. Eine
auch nur Halbwegs vollständige
Aufzählung all der Kunstschätze,
welche die Galerie Miethke birgt,
ist hier nicht möglich. Zu den
hervorragendsten Werken gehört
in dem mit prächtigen Ober-
lichte versehenen Parterrege-
schoß Hans Makart's letztes
Werk, Der Frühling, ein tadel-
los erhaltenes, höchst charakte-
ristisches Gemälde des Wiener
Meisters. In unmittelbarer
Nähe erblicken wir ein kleines
Gemälde von Burne-Jones, Die Musik, das in altnie-
derländischem Stile zwei musizirende Frauengestalten
darstellt und von Miethke um 40,000 Mk. erworben


Autographen. (Text Seite 234.)
Unterschrift der Königin Elisabeth von England, i»b8—isos.
Da ihr Papst Paul IV. dis Anerkennung versagte, rächte sie sich durch Einführung der Reformation. Den zahlreichen
Bewerbungen um ihre Hand fetzte sie beharrlichen Widerstand entgegen; auf einen deSfallstgen Antrag des Parlaments antwor-
tete sie, daß sie eine Ehre darein setze, „die jungfräuliche Königin" zu bleiben. Ihren Günstling, den Lord Robert Dudley,
erhob sie indes! zum Grafen Leicester. Bei einem männlichen Charakter hatte sie die Schwachheit, für die schönste Frau
Europas gelten zu wollen. Im Jahre IS87 ließ sie Maria Stuart hinrichten, auch ließ sie, dis Folgen sürchtend, den
Staatssekretär Davison wegen Ueberschreitung der Vollmacht hinrichten. Sie schloß Frieden mit Frankreich, hatte großen Erfolg
gegen Philipp II. von Spanien (Vernichtung der spanischen „Armada" 1SS8), begründete Englands Seemacht. Als ihr Günstling
1S88 starb, ersetzte sie denselben durch seinen Stiefsohn, den 2ljährigen Grafen von Essex, welchen sie ebensallS, am 2S.
Februar isol, hinrichten ließ. Auf ihren Befehl durfte ihr Leichnam nicht untersucht werden, weßhalb man auf ein körperliches
Gebrechen schloß, das ste an der Vermählung hinderte.
 
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