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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 26 (24. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0205
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Verbürgte
Auflage 4000.

SZentral-OrganfürSammelwesen,!
Versteigerungen und Alterthnmskunde. I

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Berkert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 26.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich s.so
vierteljährlich, Ausland S.—

Stuttgart, 24. Juni 18S6.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

„Unser Fritz"
als Antiquitätensammler.
Von Fred Pavels.
(Nachdruck verboten.)

Es war Mitte der sechsziger Jahre. Die Furie des
Krieges war durch das meerumschlungene Schleswig-
Holstein gerast mit ihrem Gefolge von Blut, Brand und
Verwüstung; — hatte dem Lande tiefschmerzende Wun-
den geschlagen und viele blühende Menschenleben und
friedliches Eigenthum vernichtet. Jetzt war der Schlach-
tendonner verhallt und der Friede war wieder einge-
zogen in den schleswigschen Landen.
Anstatt der Mitglieder des
dänischen Königshauses hatten
sich hohe und höchste Herrschaften
aus Berlin in dem freundlichen
Nordseebade Wyk auf Föhr ein-
gefunden, und statt des Danebrog
auf dem Brückenkopf und den
Schiffen im Hasen flatterten jetzt
überall lustig die deutschen
Farben.
Goldig war die Sonne em-
porgestiegen über die grünen
Triften und wogenden Kornfelder
der schönen Nordseeinsel und
hatte die Morgennebel, welche in
der Frühe wie ein weißes Meer
über der Landschaft lagerten, zum
Theil in Dunst aufgelöst oder zu
Thautropfen verdichtet, welche
jetzt an den Spitzen der Gräser
.im Hellen Sonnenschein funkelten.
In der Nähe des Dorfes B.
schritt über eine Wiese, deren
Langes Gras noch der Sense des
Mähers harrte, ein barfüßiger,
schlanker Bursche von ungefähr
fünfzehn Jahren. — Lustig pfiff
er den Düppeler Schanzen-Marsch,
und während er mit einer Wei-
denruthe Gräserbüschcl und Distelköpfe absäbelte, ließ er
mit scheinbar wonnigem Behagen das nasse Gras an
feine nackten Beine peitschen.
Ueber einen Graben springend, gelangte er auf die
Chaussee, und bald bog er um eine Scheunenecke auf
den Hof eines geräumigen Bauernhauses. Plötzlich blieb
der Bursche stehen, als ob er seinen Augen nicht traute.
Aber machst Du denn, Hans, was soll das? rief er.
Na, wie Du siehst, Fritz. Ich mache den Jagd-
wagen zurecht und werde den Bleß davor spannen, er-
widerte Hans, der Hausknecht — ein altes Factotum
des Hauses, Du kannst ihn mir aus dem Stall holen,
damit ich bald fertig werde , ich möchte den Sonntag
auch mal für mich ausnutzen.
Ja, aber will der Großvater denn allein fahren,
und wohin?

Na, ja, er will nach der Wyk, um den Kronprinzen
zu sehen, Du weist doch, daß der Kronprinz Friedrich
von Preußen mit Gemahlin als Kurgast eingetroffen ist.
Nach wenigen Minuten stand ein lebhafter Fuchs-
wallach vor dem leichten Wägelchen angeschirrt und
scharrte ungeduldig mit den Hufen; gleich darauf er-
schien in der Stallthür ein alter Herr mit schneeweißem
Bart- und Haupthaar, dessen lebhafte Augen und ge-
wandte Bewegungen indessen keineswegs den Achtzig-
jährigen verriethen.
Der junge Mensch eilte auf ihn zu.
Guten Morgen, Großvater! Aber warum hast Du
mir das nicht gesagt, ich wäre ja doch so gerne mitge-
fahren.
Ja, mein Junge, erwiderte der Greis, das glaube
ich Dir gerne, aber es geht nicht gut. Hans hat heute

frei, er will seine Schwester besuchen, und Bartel wird
auf die Mühle müssen, — es gehörte eine Kornwind-
mühle zu dem Bauernhof — der Südwest scheint heute
durchkommen zu wollen; da bleibt doch Keiner übrig,
nach dem Vieh zu sehen wie Du. Wohin hast Du denn
heute Morgen die Arbeitspferde gebracht?
Hinter die Burg, Großvater.
Gut, dann geh' erst in die Küche und laß Dir
Frühstück geben, und dann mußt Du nach Wollmeda
und Wädel, um nachzusehen, ob das Jungvieh noch
Wasser hat. Nimm Dir einen Spaten mit, Du wirst
ihn gebrauchen müssen.
Aber, Großvater, schmollte der Bursche.
Na, sei gut, mein Junge, sprach der alte Herr
lächelnd, indem er dem Enkel über die dunkeln Haare
strich. Du wirst ein ander Mal Dein Vergnügen haben.

Mit jugendlicher Behendigkeit schwang er sich dann
auf das leichte Gefährt, und fort ging es im scharfen
Trab auf der Chaussee entlang nach dem kaum eine
Meile entfernten Badeorte.
Es war um die Mittagsstunde, als Fritz, den
Spaten geschultert, dem heimathlichen Dorfe wieder
zuschritt. — Das wunderbar schöne Wetter hatte viele
Kurgäste hinausgelockt, um per Wagen sich das Innere
der Insel anzusehen. — Der Bursche hatte in verschiedenen
Richtungen Badewagen (Badewazen — Badegast, landläu-
fige Ausdrucksweise), fahren sehen und wunderte sich nicht,
als er einen solchen am Eingang des Dorfes haltend fand.
Ein großer, kräftig und schlank gewachsener Herr
mit einem dunkelblonden Vollbart, und in einen hell-
grauen Sommeranzug sehr leicht gekleidet, schwang sich
gerade aus der einfachen Kutsche; ihm folgte eine junge
Dame, mit einem frischen, hüb-
schen rundlichen Gesicht, ebenfalls
in einfacher Reisetoilette. — Der
stattliche Herr wandte sich mit
freundlichem Gruß an eine Schaar
Knaben, zu denen Friy sich ge-
sellt hatte und die, leichgültig
den Vorgang betrachtend, an
dem Einfriedigungswall eines
Gartens entlang standen.
Sag' mir mal, mein Junge,
wandte sich der Herr an Fritzen,
als den größten unter der Kna-
benschaar, Du bist wohl hier aus
dem Dorfe, nicht wahr?
Jawohl, Herr!
Und weißt hier in den ver-
schiedenen Häusern und Familien
Bescheid?
Ja, Herr!
Ich suche nämlich alterthüm-
liche Holzschneidearbeiten, wie die
Grönlandsfahrer sie vielfach
früher auf ihren Reisen verfertigt
haben. — Ich will die Sachen
gut bezahlen.
Ja, das wohl, Herr, aber
trotzdem werden Sie nicht viel
mehr auftreiben, es sind seit
vorigem Jahr so Viele hier gewesen; unter Andern
ein Kunstmaler aus Schleswig, der zeitweise in Nieb-
lum wohnt, der hat Vieles aufgekauft.
Ich weiß es, antwortete der Badeherr, aber Eini-
ges wird sich wohl noch entdecken lassen, wenn wir" uns
Mühe geben.
Ja, wir wollen 'mal versuchen, ob noch was Ordent-
liches zu finden ist.
Volkert, wandte sich Fritz an einen der größeren
Knaben, lauf' Du 'mal nach Ketel Jirrins, da ist noch
ein alter Stuhl — und Riwert, Du kannst nach Dank-
lef Rickmers gehen, die haben noch so'n spaßiges Uhr-
gehäuse, — ich will selbst nach Jungbohn Jensen wegen
den Kasten, für seine Violine.
Bald waren die Häupter des Expeditionskorps in
voller Thätigkeit; andere Rangen unternahmen auf


Inschrift vom ehemaligen Stammschloß Wirtenberg (I0SS).
Von der damaligen Gestalt der Burg hat sich kein Bild und keine Beschreibung erhalten. Die vorhandenen
stammen alle aus der Zeit nach dem Wiederausbau unter Herzog Ulrich (ISS4). Gewisse Grundzüge müssen sich wohl aber
durch alle die wiederholten Zerstörungen der Burg hindurch (von denen die unter Herzog Ulrich durch den schwäbischen
Bund am iS. Oktober ISIS ersolgte die gründlichste war) namentlich in den inneren Räumlichkeiten gerettet haben, bis
dann vom Herbst I8IS an die Reste des Schlosses sammt dem Haus des BurgvogtS und Försters abgebrochen wurden, um
dem Mausoleum sür die Königin Katharina Platz zu machen. Jetzt ist an Ort und Stells nur noch ein einziger, aber
äußerst interessanter Ueberrest der alten Burg erhalten, ein in der Sakristei der von Salucci erbauten griechischen Rotunde
ausbewahrter Stein mit einer Inschrift, die in Usbersetzung lautet: „Im Jahr 108S der Menschwerdung des Herrn, der
Römerzinszahl im sechsten, am 7. Februar, ist diese Kapelle geweiht worden von Adalbert, Bischof von Worms, zu Ehren
des Heiligen . . ., (eins Urkunde von irsi gestattet zu ergänzen: des Heiligen Nikolaus)." Der Stein bildete, als er zu
Ende des vorigen Jahrhunderts vom Oberamtmann Seyffer in Cannstatt entdeckt wurde, die Oberschwelle einer Lhüre zu
einem Stall, dem man aber bei weiterem Zusehen wohl anmerkte, daß er einst der Raum der Schloßkapelle gewesen war.
Nach dieser Inschrift können wir als Zeit der Vollendung des Baues an der Burg Württemberg ziemlich sicher das Jahr
I08S festste»«», weil die Einweihung der Burgkapelle doch wohl damit zusammengsfallen sein dürste. Von nun an schrieb
sich Konrad als der Erste: „von Württemberg."
 
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