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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 11 (11. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0085
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 11

4. Jahrgang

Anzeigen:
Die Nonparsillezeile oder deren
Raum SV Psg., Auktionen so Pfg.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, II. März I8S«
(Erscheint wöchentlich.)

Verbürgte
, Auflage 4000.

AME 4000 Zentral-OrganfürSammelweserr
' <' ' Versteigerungen und Alterthurnskrrnde.

Die Frofchtasse.
Novelle von
Hanns von Spielberg (Hanns von Zobeltitz)
in Berlin.
(Nachdruck verboten.)

Gin schönes Stück, nicht wahr? Und wunderbar
erhalten. Man hat mir von England aus schon hundert
Pfund für die Tasse geboten, aber sie ist mir nicht feil,
— für keine Summe I"
Ich mochte wohl ein etwas stark erstauntes Gesicht
machen. Hundert Pfund für eine Tasse! Es war ja
allerdings ein sehr hübsches Ding, diese Tasse; daß sie
indessen nicht für zweitausend Mark, ja sogar überhaupt
für keine Summe verkäuflich sein sollte, wollte mir doch
gar nicht in den Sinn. Freund Arthur war zwar ein
reicher Mann, der sich den Luxus kostspieliger Liebhaber-
eien erlauben konnte, aber hundert Pfund bleiben doch
immerhin hundert Pfund, und eine Tasse blieb eine
Tasse, — in meinen unverständigen Laienaugen we-
nigstens.
Arthur hatte inzwischen die Obertasse aus dem
kleinen Silbergestell genommen und ließ die Finger-
spitzen der rechten Hand sanft über ihre innere Wan-
dung gleiten, während er den Henkel mit einer, dem
hohen Werth, entsprechenden, liebevollen Sorgsamkeit
umspannt hielt: „Fühl' nur einmal an! Diese Weich-
heit, diese milde Glätte! Das hat Niemand so heraus-
bekommen, wie der alte Wedgwood."
In mir dämmerte endlich eine Spur von dilettan-
tenhaftem Verständniß auf. Wedgwood war ja wohl
ein alter Töpfermeister im Lande Großbritannien ge-
wesen, oder so etwas Aehnliches. Aber ich hütete mich,
meine Halbbildung in keramischen Dingen zu verrathen,
und begnügte mich mit einem kleinen bescheidenen Lächeln
der Zustimmung, während ich ebenfalls mit meinen
äußersten Fingerspitzen über das Porzellan strich. Es
fühlte sich für mich genau so an, wie irgend eine dick-
bauchige Bunzlauer Kanne.
Mein guter alter Studien-Genosse von der Kriegs-
Akademie her — ich hatte ihn Jahre hindurch nicht ge-
sehen, und aus dem schlanken Lieutenant von ehedem
war ein würdevoller Schloßherr geworden — drehte
das Ding jetzt um: „Da siehst Du das vertiefte Zeichen
von Etruria!"
Ich las nur den Namen „Wedgwood" in kleinen
lateinischen Lettern. „Etruria!" — Hatte ich mich doch
geirrt? Das klang ja mehr nach dem südlichen Europa;
Herr Wedgwood hatte am Ende seine Thonscherben
doch nicht im Nebellande jenseits des Kanals gebrannt.
Diesmal wurde mein thörichtes Antlitz entschieden
der Verräther meiner bedauerlichen Unkenntniß. Arthur
Achte. „Ach so, — entschuldige! — Was wißt Ihr
Barbaren im Mars-Gewandc davon, daß Mister Wedg-
wood seinen Fabrikort Etruria taufte? Aber das thut
1« nichts zur Sache; wundervoll ist die Tasse doch, —
was? Dieser feine gelbe Thon und das prachtvolle

Purpurviolett des Decors. Es ist mein Prachtstück, —
in jeder Beziehung, ganz abgesehen davon, daß wahr-
scheinlich nur noch Seine Majestät der Zar Pendants
zu dieser Tasse besitzt."
Wir standen im Arbeitszimmer des Hausherrn,
und er hatte mir bereits eine ganze Reihe „Prachtstücke"
vorgeführt.
Ich war spät am Abend auf Schloß Bütten ange-
kommen , um mein oft wiederholtes Besuchsversprechen
einzulösen und zugleich den mir feierlich zugesagten Reh-
bock zu schießen. Heute früh aber hatte mich Arthur
sofort, kaum daß ich die letzten Röstschnitte, die mir
Frau von Gildenbrug so allerliebst mit ihren feinen
weißen Fingerchen gestrichen, verzehrt hatte, in sein


Helm des Georg Castriota, Fürsten von Albanien, genannt Skander-
beg (re »S—1466). Orientalistrend. Das Scheitelstück aus blankem
Eisen, die Helmbinde wie das Zimier aus Kupfer, theilweise ver-
goldet. Auf der Binde liest man in gothtschen Bandminuskeln
(Ikesus ^usaroiius U krineixi Lmatiiius W RsZi ^Ibanias W
'vorrori Osinanorum'W KsZi Lxiri W Lsnsckioat.) Der Ziegen-
kopf als Zimier weist auf Ältere Zeit als das iS. Jahrhundert.
Zimmer gezogen: „Ich muß ihm doch meine Tassen
zeigen!"
Die kleine junge Frau war lachend entflohen. „Da
kann ich Ihnen nicht helfen, Herr von Spielberg! Wenn
Arthur seine Tassen-Parade abhält, sind Sie ihm aus
mindestens zwei Stunden verfallen. Auf Wiedersehen!"
Es waren ihrer gewiß zweihundert Stuck, — der
Tassen nämlich, die auf den Eichenholz-Borden wirklich
wie zur Parade aufmarschirt standen, und ich hatte in
der vergangenen Stunde schon Gelegenheit gehabt, ganz
hübsche Kenntnisse zu sammeln. Da gab es zuerst
chinesischeSchaalen.derenGlasur wie von tausend Sprüngen
durchfurcht war, sodaß ich unwissender Patron schon im
Begriffe stand, sie für im Brand mißlungen zu erklären,

bis mir Arthur gerade noch im richtigen Moment er-
läuterte, daß dies „Craquels", und zwar ein sehr schönes
sei. Da gab es ein zerbrochenes Obertäßchen, für das
ich nicht acht gute Groschen gegeben hätte, das er,mir
als „Jellow Dragon China" und als eines der werth-
vollsten Stücke der Sammlung mit dem Bemerken vor-
stellte, daß auf die Ausfuhr dieses Porzellans einst sei-
tens des wohlweisen Hofes von Peking Todesstrafe ge-
setzt worden sei. Ich hörte mit etwas größerem Ver-
gnügen einen kleinen Vortrag über das Fritten-Porzellan
von Sevres und das doppelte I- der allerchristlichsten
Könige auf einigen Barock-Tassen und schaute mir eine
ganze Anzahl graziöser Rococo-Schälchen von Meißen
an. Nacheinander mußte ich die Fabrikzeichen von Berlin,
das Scepter, und von Wien, das Reichsschild der Habs-
burger, kennen lernen und wurde über das Geweih von
Ludwigsburg, das von Fürstenberg und das Mainzer
Rad der berühmten Höchster Manufaktur unterrichtet.
Mir ging es schließlich selbst wie ein Rad im Kopfe
herum. So sehr ich mich über die ungemischte Samm-
lerfreude, die aus Arthur's Augen sprühte, amüsirte,
— bei dem Excurse, den er an Höchst anknüpfte, und
in dem er von dem betrügerischen „Arkaniiten" Löwen-
fink auf den Kurfürsten Emmerich von Mainz, und von
diesem auf seinen trefflichen Modelleur Melchior kam,
um dann über Farbengebung im Allgemeinen und Höchster
Purpur im Besonderen zu sprechen, — bei diesem länge-
ren Excurse hatte ich mich scheu nach der Reihe der noch
nicht vorexerzirten Tassen umgeschaut. Ich athmete er-
leichtert auf; es waren ihrer nur noch ein halbes Dutzend
etwa. Und als ob der gute Kerl in meiner Seele ge-
lesen hätte, fertigte er auch seine Schätze in Chelsea-
und Bristol-Porzellan und seine kleine, aber exquisite
Sammlung in Delfter Tassen kurz ab. Dann aber
wandte er sich um und zog mich nach der anderen Seite
des Zimmers, wo oberhalb seines Schreibtisches noch
ein, von mir bisher ganz übersehenes, kürzeres Bord
hing.
„Da hast Du Wedgwood, — hier die „Basalt-
Waare", dort zwei schöne Stücke in „Queens-Waare",
und dort — leider nur eine Obertasse in Jaspis; die
dazu gehörige Untertasse hat meine Frau früher einmal
— aber das erzähle ich Dir später." Damit hatte er
das Mittelstück der ganzen Reihe herabgenommen, das
abweichend von den übrigen Tassen in einem Silberge-
stell prangte, und dies war die Hundert-Pfund-Tasse
gewesen.
„Du mußt nämlich wissen, lieber Junge: die Tasse
gehört eigentlich zu einem Service', das Wedgwood im
Auftrage der Zarin Anna Ende vorigen Jahrhunderts
anfertigte, und von dem jedes Stück mit einer anderen
russischen Landschaft decorirt ist. Es ist eine ungeheure
Seltenheit, vieleicht das einzige Stück in Privatbesitz.
Aber das ist es nicht, was mir die Tasse so besonders
Werthvoll macht. Ich muß Dir das ausführlicher er-
zählen."
Offen gestanden, — mir grauste. Ja ich wagte
sogar, bescheiden einzuwerfen: „Du wolltest mir ja
heute morgen noch Deinen Juckerzug Vorfahren."
„Ach der—! Der hat Zeit! Die Geschichte von der
 
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