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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 50 (9. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0397
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Verbürgte
Auflage 4000.

Zentral-OrganMeSammelwesen,
Versteigerungen und Alterthnmsknnde.

Verbürgte
Auflage 4000.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
gegründet 1881, prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 50.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich X s.so
vierteljährlich, Ausland S.—

Stuttgart, S. Dezember 18S«.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum so Psg., Auktionen so Psg.

4. Jahrgang.

Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken A
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens
schöpft. (W. Wundt.) E


Anleitung zum Sammeln
von Münzen.
Von
Dr. M. Kirmis.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)

Der ersten Periode der Karolingischen Prägung ge-
hören , so weit mir bekannt, die Funde von Jmphy
und von Schenefeld in Holstein an.
Der Schatz von Imp Hy (^.. äs I-ouKpsrisr:
„Oeut äsuisrs äsRspiu, äs Öarlowau et äs Obarls-
mktAns, äeeouverts xrss ä' ämpbi en Mvsruais." Revue
muwisw. 1858) setzt sich aus Denaren Pipin's, Karl-
mann's und Karl's von ganz ähnlichem Typus zusammen,
muß also in den ersten Regierungsjahren Karl's ver-
graben sein; das Durchschnittsgewicht ans 15 der best-
srhaltenen Karls-Denare beträgt 1,26 Gramm.
Der Fund vomKrinkberge, einem um-
wallten Grabhügel, südlich von Schenefeld, Kreis Stein-
burg, ist, numismatisch verwerthbar, noch nicht beschrieben
worden. Hier nur das für unsere Zwecke Nothwendige.
Im August 1885 wurde der Schatz, leider unter nicht
ganz sachgemäßer Lestung, gehoben. Er bestand aus
zerhackten Silberbarren, zerbrochenem Silberschmuck,
«inigen Emailperlen, Eisenwaffen und zirka 100 De-
naren. 91 derselben gelangten in das Museum vater-
ländischer Alterthümer zu Kiel, einige wenige wurden
versteckt und nach Hamburg verkauft. Der Schatz ist
anscheinend bald nach dem Jahre 781 vergraben worden,
denn der Kieler Bestand enthält 90 Gepräge Karl's
d. Gr. von altem Typus und einen archaischen Denar
Ludwig's des Frommen für Aquitanien. Dieser trägt
auf der Vorderseite zweizeilig „bRII — VUäb", auf der
Rückseite ein Monogramm, welches sich als (eoolssia)
Stephani (8t. Rtisune) deuten läßt; er wiegt 1,049
Gramm und ist wohl bald nach der Ernennung Lud-
wig's zum Könige von Aquitanien (781) geprägt worden.
Einige der Denare sind gelocht, einige (schon vor der
Vergrabung) abgebrochen, die meisten sind sehr gut er-
halten. Die Patina besteht aus fest aufliegendem Chor-
silber, die Patinirung ist nur in wenigen Fällen eine
tiefergehende, vielfach zeigt die eine Seite einen Hauch
von weißgrauem Chlorsilber, während die andere metal-
lisch rein ist; von Verkalkung und dadurch Unbrauch-
barmachung für numismatische Zwecke ist keine Rede.
— Mit Erlaubniß und Hülfe von Fräulein Direktor
Mestorf und Herrn Dr. Splieth bestimmte ich genau
bas Gewicht sämmtlicher intakter Stücke. Das Durch-
schnittsgewicht der 34 besterhaltenen Denare be-

trägt 1,16 Gramm, der schwerste (Melle) wiegt 1,400
Gramm, der leichteste (Dorestat) 1,010 Gramm, 18 da-
von gehören Dorestat (Durchschnitt 1,12 Gramm) 14
anderen Münzorten (Limoges, Paris, Lyon, Melle,
Verdun, Speyer, Mainz) an, zwei sind o. O. mit ,,R(sx)
R(raueor)". Fast dasselbe Mittelgewicht (1,165 Gramm)
ermittelte Longpsrier aus 30 älteren Denaren der Rous-
seau'schen Sammlung (^.. äs I-ouApSrisr, „Roties äes
wouuickss äs Rrauvs oomxosaut la eoUsotion äs N. ä.
Rousseau." Raris 1848.) Würden wir zu dem Gewicht
von 1,16 Gramm zehn Prozent Abnützung zurechnen,
dann hätten wir das Normalgewicht des Pipindenars;
indessen ist diese Gewichtserhöhung nicht angängig, da
ein Auswaschen des Chlorsilbers nicht stattgefunden
hat, die Patinirung also den Abgang ersetzte. — Die
gewonnenen Durchschnittszahlen beweisen, daß Karl d.
Gr. von 768 bis etwa 774 in der Art seines Vaters


Geschloffene deutsche Sturmhaube mit Absteckvisier. Die oberste Folge
d-S Bisters ist herabgeschlagen gezeichnet. Bom Harnische Kaiser
Ferdinand'» I., genannt „mit den Rossnblättern", um ISS0. Ber-
muthlich Arbeit des Hans Rosenberger in Dresden.
weiterprägte, d. h. aus dem Pfunde von 327 Gramm
264 Denare schlug.
Nach dem Jahre 774 trat die Theilung
des Pfundes in 20 Solidi ein und das rö-
mischePfund wurde durch ein neues, schwer-
eres ersetzt. Dasselbe wog wahrscheinlich nahezu 367
Gramm; die Bestimmungen von Gusrard zu 480 Gramm
und von Jossati zu 433 Gramm sind unrichtig, weil sie
die schwereren Denare der späteren Karolinger mit in
Rechnung zogen.
Mit ziemlicher Sicherheit kann man annehmen, daß
das englische und niederländische Troy-Pfund, besonders
aber das altfranzösische Pfund Roiäs äs. maro aus dem
Pfunde Karl's d. Gr. hervorgegangen sind; zwölf Unzen
koiäs äs maro-Gewicht geben aber ein Pfund von 367,129
Gramm. Das in Paris aufbewahrte Muttergewicht der
Roiäs äs wäre, die Riis äs ObarlsmaAns, eine Kopie

der unter König Johann im Jahre 1350 restituirten
Riis besteht aus 12 Gewichtsstücken von zusammen 50
Mark Schwere und ergibt eine Mark von 244,753 Gr.,
also ein Pfund von 367,129 Gramm. Mit der Zahl
367 stimmen auch die Gewichte der späteren Denare
Karl's d. Gr. überein, insbesondere kommen hier die
Funde von Wyk te Duerstede, dem einst wichtigen Han-
delsplatz Dorestat nahe der alten Rheinmündung, in
Betracht. Da Dorestat zuerst im Jahre 834, dann
wieder 835 und 837 von den Nordmannen geplündert,
verwüstet und zusammengebrannt worden war und später
nicht mehr zu Bedeutung gelangte, läßt sich annehmen,
daß die dort gemachten Funde von Karls- und Lud-
wigs-Denaren vor dem Jahre 837 der Erde anvertraut
worden sind, die Karlsdenare also Karl d. Gr., nicht dem
Kahlen zugehören. Sie wiegen (nach Coster) im Mittel
1,42 Gramm, was bei einer Abnützung von zirka 10°/,
ein Münzpfund von etwa 370 Gramm ergeben würde.
Die Frage, woher Karl d. Gr. sein neues Münz-
pfund entlehnt habe, ist schwer zu beantworten, da gleich-
zeitige schriftliche Nachrichten hierüber fehlen. Saigey
gibt an (Traits äs mstrolvAis, Raris 1834), daß Karl
Maaß und Gewicht von den Arabern entlehnt habe und
daß sein Münzpsund mit dem arabischen „Vusäroman"
identisch sei, — Le Blanc will das alte gallische Gewicht (?)
zu Ehren hringen und behauptet, wie später auch Grote,
Karl habe ein Pfund aus 12 gallischen Unzen gebildet,
d. h. das gallische Gewicht mit der römischen Theilung
verschmolzen, Blancard endlich meint, italienische Rechen-
meister, welche Karl nach Frankreich überführt hatte,
hätten aus praktischen Gründen, um bei Zahlungen ein
einfaches Verhältniß zwischen dem Werth der alten und
der neuen Denare herzustellen, das Gewicht des neuen
Pfundes in der vorhandenen Schwere herausgerechnet.
(Llanearä, „Ra Rils äs VbarlswaKus. . Xnnuairs
äs la sos. kram), äs uum. 1887. — „Rs poiäs ä' artend
squivalaut ä 300 äsuisrs visux, qui xa^a Iss 200 äs-
nisrs ueuks pssaud snssmbls uns livrs rowaius, kut
eslui auquel on tailla Iss 20 sous äs ess äsuisrs
usuks. 6s poiäs ä'arKSut äsviut Is poiäs äs tkcklls. 6s
tut sa kortuns Ra Rivrs äs ObarlsmaKue stickt eräes."
(Weich' herrlicher Pathos!) Die Behauptung Saigey's
hat Soetbeer gründlich widerlegt, die Annahmen von
Blancard sind gekünstelt; das Pfund Karl's, das ara-
bische Gewicht, das griechisch-gallische und das römische
Pfund sind einander sehr ähnlich oder stehen in einfachen
Verhältnissen zu einander, weil sie alle aus gemeinschaft-
lichen baylonischen Wurzeln hervorgegangen sind. Karl
d. Gr. fühlte sich als Germane, die fränkische Silber-
währung war rechtsrheinischen Ursprungs, die Deutschen
besaßen ein uraltes Handelsgewicht, welches sie aus
dem Osten mitgebracht hatten und auf welches ihre Han-
delsbeziehung zu den Völkern des schwarzen Meeres
hasirt gewesen waren. Ist es so unwahrscheinlich, daß
Karl dieses, dem Volke vertraute Gewicht zur Grund-
lage des neuen Münzsystems machte. — Schon bei Besprech-
ung der Regenbogenschüsselchen wurde auf ein germa-
nisches Urgewicht von 360—370 Gramm hingewiesen
und auf dessen mögliche Identität mit der leichten phö-
nicischen Silberminc. —
 
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