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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 34 (19. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0269
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4. Jahrgang

Nr. 34

Verbürgte
Auflage 4000.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 80 Pfg.

Stuttgart, IS. August 18S6.
(Erscheint wöchentlich.)

ME äentral-QrganfnrLammelwesen,
Versteigerungen und Mterthumskunde.

Das neue Museum in Bremen

Ausgrabungen in Aegypten

Szenen aus dem Leben der Eskimos, der Renthier-
lappen und der Ostjaken, in einem vierten spitzbergisches
Thierleben: Eisbären, Robben, Seevögel, alles in aus-
gestopftem Zustande. Außerordentlich vollständig sind
Walthiere, ausgestopft und in Skeletten, vertreten, u.
A. ein 24 Mtr. langes Skelett vom Finnfisch mit den
ganzen Barten, was in keinem Museum sonst vorkommen
soll. Andere lebensgroße Darstellungen betreffen afri-
kanische und Australneger und Chinesen, während weite
Reihen von Schränken ethnographische Gegenstände in

altbekannter Aufstellung enthalten, deren Vollständigkeit
allerdings hinter dem ethnographischen Museum in Ber-
lin weit zurückbleibt. Die erwähnten Darstellungen
der Entstehung und Gewinnung von Maaren sind nur
in Modellen von kleinem Maaßstab, so daß die Figuren
etwa 20 Ztm. hoch sind, ausgeführt. Aber man kann
kaum etwas Anmuthigeres und Lehrreicheres sehen als sie.
Alle Welt kennt Indigo, Schellack, Jute. Aber wer weiß,
wie sie gewonnen werden! Hier sieht man die Indigo-
fabrik inmitten der Jndigobäume; deren Zweige werden
in großen Kufen mit Wasser angesetzt und zur Gährung

Wiirttembergische Burgruinen. 50) Ruine Wartstein im Lauterthal,
im Jahre isss. (Text Seite sss.)

Prof. Dr. G. Schweinfurth veröffentlicht eine
leider nur zu berechtigte Klage über „Vandalismus
bei ägyptischen Ausgrabungen". Auf dem Feld der
ägyptischen Alterthumsforschung bleiben trotz aller
Fortschritte der Neuzeit große Gebiete so gut wie
unberührt. Insbesondere vom Standpunkt des Natur-
forschers aus müssen Aegyptologen den Ausführungen
des Berliner Gelehrten zufolge den Vorwurf über
sich ergehen lassen, die Wissenschaft mehr zu hem-
men als zu fördern. Es scheint, als ob unser Zeit-
alter des Dampfes mit allen Denkmälern des
alten Aegyptens „tabula rasa" machen will, um
kommenden Geschlechtern nichts mehr zum Erforschen
übrig zu lassen. Diese kommenden Geschlechter werden
aber ganz andere Ansprüche an Forschungsmethoden
stellen, sie werden Gesichtspunkte in den Vordergrund
rücken, von denen unsere Schulweisheit sich heute noch
nichts träumen läßt, und dann werden sie unsere Zeit
des Vandalismus unter der Maske der wissenschaftlichen
Forschung zeihen und uns für den Verlust an all' dem
Studienmaterial verantwortlich machen, das bei den
gegenwärtigen Zerstörungsarbeiten zu Grunde geht. Ist
denn das bisher zu Tage geförderte Material schon
derart erschöpfend wissenschaftlich bearbeitet worden, um

gebracht, die Flüssigkeit wird dann durch einen verwickel-
ten Vorgang abgepumpt und eingedickt: wir haben hier
alles vor Augen und dazu in köstlicher naturgetreuer
Nachbildung die arbeitenden Kulis. Ebenso wird die
Gewinnung des Schellacks, der Jute gezeigt. Von der
amerikanischen Baumwollkultur sehen wir ein Feld mit
pflückenden Negern, von den indischen ein fast wunder-
bares Straßenbild mit Hunderten von Charakterfigürchen.
Dann kommen Modelle von der nordamerikanischen Pe-
troleumindustrie, von dem Leben vor den Thoren der
Stadt Mexiko, von südamerikanischem Pflanzerleben,
von der Wollzucht Südamerikas und Australiens,
endlich eine Seefischerei-Ausstellung in Modellen.
In den oberen Geschossen sind die wissenschaftlichen
Sammlungen aufgestellt, unter denen namentlich
die Vogelsammlung alte Berühmtheit genießt. Sie
sind nun vervollständigt worden durch ausgestopfte
Thiere, welche zu Bildern des Thierlebens zu-
sammengestellt sind: hier Alpenthiere, dort Biber
und andere Wasserthiere, dann Füchse, Auerwild,
Birkwild, Fasanen, Wafferoögel, eine Ruine mit
gemischtem Thierleben, Eulen, Bussardfamilien u. s. w.
u. s. w. Nicht blos die Thiere sind naturgetreu,
sondern auch namentlich die Pflanzenwelt, in der
sie sich bewegen. Das Museum zu Kensington be-
sitzt einige Glasschränke dieser Art, aber die bre-
mischen sind ungleich zahlreicher und schöner. Viel-
leicht dienen sie mehr der Schaulust als der Wissen-
schaft, aber sie tragen manches Samenkorn der
Wissenschaft auf fruchtbarem Boden.

Mitte Januar ist in Bremen das neue Mu-
seum eröffnet worden, das als ein Heiligthum mehrerer
Wissenschaften angesehen werden kann, in zwei Punkten
aber geradezu einzig in seiner Art dasteht, nämlich als
H an d el sm us eu m und in der Entfaltung ganzer
Szenen aus dem Thierleben. Handelsmuseen
hat man auch früher schon veranstaltet, sie aber
meistens nach kurzem Bestände wieder eingehen lassen,
weil das Interesse daran nach ganz kurzer Zeit er-
lahmte. Man brachte es nämlich nie weiter als bis
zu mehr oder minder hübsch dekorirten Probenaus-
stellungen; und es bot natürlich gar keinen Reiz,
so und so viel Proben von Kaffee, Reis, Thee, Zucker,
Indigo u. s. w., die man bei jedem Händler auch
sehen kann, eigens in einem Museum zu besichtigen.
Bei der nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-
ausstellung im Jahre 1890 in Bremen fing man
zum ersten Mal die Sache anders an. Statt der
erdrückenden Masse von bloßen Handelsproben wollte
man von einer kleineren Anzahl wichtiger Maaren
die Herstellung und Gewinnung in allen ihren Theilen
durch Modelle zeigen. Das hat einen ganz über-
raschenden Erfolg gehabt, so daß Bremer und aus-
wärtige Besucher in dem Urtheil übereinstimmten,
daß die Handelsausstellung weitaus der Glanzpunkt
des Ganzen war. Die Kaufmannschaft hatte sich
eine Ehre daraus gemacht, diese Handelsausstellung
zu stiften, ohne daß das Hauptunternehmen damit
irgend belastet wurde. Und als der Erfolg so groß
war und allgemein bedauert wurde, daß sie nach
nur vier Monaten ihr Dasein schon wieder beenden
solle, da trat der lebhafte Wunsch hervor, sie dauernd
zu erhalten, wozu natürlich eine Vorbedingung war,
daß an Stelle des leichten Holzbaues ein großes
neues Gebäude geschaffen werde. Da auch die städt-
ischen Sammlungen für Ethnographie und Natur-
wissenschaft einer besseren Unterkunft bedurften, so
beschloß man, beides zu vereinigen. Der bremische
Staat bewilligte 400,000 Mk. und außerdem 260,000
Mk. für Schränke, die Kaufmannschaft brachte durch
Sammlungen 240,000 Mk. auf und die Sparkasse
gab aus ihren Ueberschüssen 160,000 Mk. her, je-
doch unter der Bedingung, daß an drei Tagen der
Woche der Eintritt frei sein sollte. Damit stand
mehr als eine Million zur Verfügung. Was damit
geschaffen ist, übertrifft die schönsten Erwartungen. In
einem dreistöckigen Bau, dessen Mitte ein großer, bis
zum Dach hinaufgehender Lichthof bildet, findet man
neben den naturwissenschaftlichen und völkerkundlichen
Sammlungen das Handelsmuseum in verjüngter und
verbesserter Gestalt wieder. Alle drei Zweige berühren
sich vielfach und vereinigen sich zu einem Gesammtbilde.
So findet man z. B. gleich beim Eintritt die Polar-
länder dargestellt, sowohl was die Zoologie, als die
Völkerkultur und den Handel betrifft. In drei großen
Glaskästen sieht man in lebensgroßen Nachbildungen
 
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