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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 18 (29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0141
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Verbürgte
Auflage 4000.

.ientral-OraanfttrSammelwesen,,
Versteigerungen und Alterthumskunde. 0

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Nr. 18.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich L.SO
vierteljährlich, Ausland s.—

Stuttgart, 28. April 1886.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeige«:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

Anleitung zum Sammeln von
Autographen.
Bon
Engen Ritter von Mor-Snnnegg.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
2) Erwerbung der Autographen und Beurthei-
lung ihres Werthes.
Wir gelangen in den Besitz von Autographen durch
Geschenke, Tausch oder Kauf. Das sind wenigstens die
legalen, anständigen und nutzbringenden Erwerbsarten,
denn das leider nur zu oft gebrauchte Auskunftsmittel,
einen berühmten Mann direkt um „einige Zeilen" zu
bitten, oder richtiger anzubetteln, entwürdigt nur das
auf ernster, wissenschaftlicher Basis ruhende Handschriften-
sammeln vor den Augen der Nichsammler oder Igno-
ranten in unverdienter und unberechtigter Weise, schädigt
seine Weiterentwickelung und verlohnt in den meisten
Fällen nicht die Auslagen, die einem solchen Autographen-
marder dabei erwachsen. Beschämend ist es, aus welch'
unlautere Mittel derartige Autographenjäger schließlich
gelangen, und wie dann zum Gespött der Sammelfeinde
die Tagesblätter über derartige Kniffe schreiben und
Autographensammler und Autographenjäger flugs in einen
Sack werfen. Und schließlich, was hat der Bittsteller
davon, wenn ihm im besten Falle dieser oder jener be-
rühmte Mann einige verbindliche aber nichtssagende
Worte, irgend ein abgebrauchtes Citat aus Schiller oder
Goethe, oft aber eine derbe, doch gerechte Lehre auf
ein Stück Papier wirft ? Sind es einige nichtssagende
Zeilen, so hat das Stück füglich nur einen ganz unter-
geordneten Werth; sind es wenige beißende und höh-
nende Worte, was soll er damit machen, um nicht lächer-
lich zu werden? Wie oft aber bleibt, wie es sich ge-
bührt, jegliche Antwort aus, und wie groß ist dann die
Enttäuschung!
Nun wir einmal im schwarzen Buche unserer Lieb-
haberei wühlen, so dürfen wir auch nicht jene absolut
unredliche Erwerbsart, den Autographendiebstahl, über-
gehen. Abgesehen von vielen unbekannt gebliebenen
Fällen drangen doch einige, namentlich wo es sich um
eine größere Anzahl und bedeutenden Werth des Ent-
lvendeten handelte, in die Oeffentlichkeit. Vornehmlich
wissen öffentliche Bibliotheken und größere Privatsamm-
lungen davon zu erzählen, wie arg sie, besonders von
wißbegierigen gelehrten Liebhabern mit weiten Taschen,
zugerichtet und ausgebeutet worden sind, weßhalb man
es den Besitzern von seltenen Autographen gewiß nicht
verargen wird, wenn sie solche unter Umständen nur mit
Vorsicht zur Ansicht vorlegen. So erschien im Jahre
1851 in Paris ein ziemlich umfangreicher Katalog aller
in den Bibliotheken Frankreichs seit einer Reihe von
wahren gestohlenen Doubletten, Manuscripte und Au-
tographen, gewissermaßen eine Criminalistik des Auto-
llraphensammelns. Aus dem Nachlasse eines 1856 ver-
storbenen berühmten Sammlers kaufte ein Pariser
Buchhändler um den Preis von 30,000 Frs. die Auto-

graphen- und Kupferstichsammlung, verkaufte eine An-
zahl Nummern unter Hand und veröffentlichte über den
Rest einen Katalog für eine öffentliche Versteigerung.
Die kaiserliche Bibliothek und die Bibliothek von St.
Genevieve in Paris legten aber auf eine Menge der
ausgebotenen Nummern als auf ihr Eigenthum Beschlag
und es wurde eine Untersuchung angestellt, welche ergab,
daß der Sammler vor 18 Jahren auf Empfehlung
von mehreren einflußreichen hohen Herren die Er-
laubniß erhalten hatte, auf beiden Bibliotheken auch in
Abwesenheit der Beamten zu arbeiten. Das ihm ge-
schenkte Vertrauen mißbrauchend, plünderte er in den


Auktion Stieb el in Frankfurt a. M.
Französische Pendule (Wanduhr) aus der Zeit Ludwig's XVI.
Bezeichnet: »1.8 VuueLere korloZsr äu roi."

Stunden, wo er allein war, die Schränke und stahl die
werthvollsten Autographen, Kupferstiche u. s. w. Die
kaiserliche Bibliothek forderte allein über 514 Stück
Autographen zurück. Ganz ähnlich ist der Fall bei dem
Verkauf der Ashburnham-Handschriften in Italien aus
jüngster Zeit. Diese stammten aus dem Besitze des
G. Libri, der seine Sammlungen durch Kauf und Dieb-
stahl zusammengebracht hatte. Nach dem Tode des Lord
Ashburnham, der als eifriger Bücherfreund einen Theil
der Sammlungen G. Libri's gekauft hatte, wollte dessen
Sohn die von seinem Vater hinterlassenen Sammlungen

verkaufen; da forderte die Pariser Bibliothek einen
ziemlich großen Theil der ihr von Libri entwendeten
und an Lord Ashburnham übergegangenen Handschriften
als ihr Eigenthum zurück, beziehungsweise kaufte sie
zurück. —
Doch genug von diesen traurigen Fällen unredlichen
Gebührens von Seite einiger, glücklicherweise weniger
„Sammel-Collegen". Bekanntlich kostet jede Liebhaberei
Geld, und so wird auch nicht leicht Jemand eine um-
fangreiche Sammlung von Handschriften sich verschaffen
können, ohne daß er von Autographenhandlungen oder
von Autographenauktionen Stücke, die er nicht besitzt,
käuflich erwirbt. Gleich hier sei jedoch erwähnt, daß
man minderwerthige Stücke gut thut einzutauschen, wo
nicht sich schenken zu lassen, jedenfalls aber das für
seine Liebhaberei bestimmte Geld nur für gute und im
Tausch- oder Geschenkwege nur schwer oder gar nicht
erhältliche Stücke auslegen soll. Was den Kauf von
Autographen anlangt, so bestehen in Deutschland mehrere
Institute, die sich mit dem Autographenhandel beschäf-
tigen und deren wir einiger der' hervorragendsten zu
Schluß Erwähnung thun wollen. Wie bei jedem preis-
würdigen Kauf, bedarf es auch beim Erstehen der Au-
tographen einer gewissen Sachkenntniß. die man sich nur
durch längere Uebung, das häufige Dnrchblätttern der
erscheinenden Kataloge rc. verschaffen kann. Einen fixen
Preis gibt es eben bei Autographen nicht, die ja immer
einen gewissen Affectionswerth haben, der von mancherlei
Umständen abhängt. Im Allgemeinen läßt sich sagen,
daß in Deutschland die geforderten und bei Auktionen
erzielten Preise von Autographen bedeutend niedriger
sind als z. B. in Frankreich, ein Umstand, der sich wohl
daraus erklären läßt, daß der Franzose jedes ausgebo-
tene Stück ungemein sorgfältig und eingehend beschreibt,
während der Deutsche selbst werthvollen Stücken kaum
einige Worte im Kataloge widmet. Zudem fügt der
Franzose sehr häufig seinen Katalogen große Faksimilia
der ausgebotenen Stücke bei, während die deutschen Ka-
taloge nur einen trostlosen Wust von Namen, Zahlen
und Abkürzungen aufweisen, der wenig verlockend ist,
auf ein oder das andere Stück besonders viel auszu-
legen.
Wie sehr sich die geringe Mehrauslage bei Herstel-
lung des französischen Kataloges lohnt, mögen nur einige
wenige Beispiele illustriren. In zwei bald aufeinander-
folgenden Auktionen, von denen als erste die deutsche
des Direktors der königl. Hof- und Staatsbibliothek
Dr. K. v. Halm in München für die französische manches
Stück lieferte, wurden bei der Auktion Halm für ein
Autograph des Cardinals Dubois 1 Mk. 80 Pfg. erzielt,
dasselbe Stück fand in Paris um 25 Frs. einen Käufer;
Georg Ernst Stahl brachte in Leipzig 18 Mk. 40 Pfg.,
in Paris dasselbe Stück 100 Frs.; Maestlin, der Lehrer
Luther's, brachte es in Leipzig nur auf 20 Mk. 50 Pfg.,
in Paris das ganz gleiche Stück ebenfalls auf 100 Frs.
u. s. w. Der Preisunterschied ein und desselben Stückes
in Deutschland und Frankreich beträgt oft 200—300
Frs. zu Gunsten des letzteren. Es liegt eben alles an
der genauen Beschreibung, und die 10—15 Zeilen Druck
machen sich mehr wie bezahlt. Für den Anfänger bieten
 
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