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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 3 (15. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0021
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Karlsruhe, München, Paris, Gent und London.
Nr. 3. Deutschland"" s.so Stuttgart, 1». Januar 1886. Di- Non^"illeMe"°der deren 4. Jahrgang.
vierteljährlich, Ausland 3.— (Erscheint wöchentlich.) Raum so Psg., Auktionen so Psg. v , "

genannte Tafel einmal von einem Ulrich Grundherr
restaurirt und später (1716) nochmals durch drei Fa-
milienangehörige, nachdem sie der Blitz beschädigt hatte.
Aus dem Gedicht läßt sich gar wohl ersehen, daß die
großen Uhren jener Zeit, nach damaligen Begriffen,
noch als wirkliche Kunstwerke angestaunt wurden, —
und wir sollten nichts von Taschenuhren aus dieser
Zeit erfahren haben, wenn solche damals schon vorhan-
den gewesen wären? Wie sehr die Engländer mit
ihrer Behauptung — die Taschenuhren seien in viel
früherer Zeit erfunden worden, als allgemein angenom-
men, und zwar wahrscheinlich in ihrem Lande — im

Caligula's Leuchtthurm bei Bouiogne. (Text Seite so.)
Unrecht sind, werden wir aus Nachstehendem ersehen.
Der Engländer Barrington bringt 1779 die Nachricht
über eine um das Jahr 1772 von einigen Arbeitern bei
Bruce, einem Schlosse nahe Fifeshire, ausgegrabene
Taschenuhr, welche auf dem Zifferblatt die Worte:
„kodertns L. Lex Leottorum" trägt. Nach dieser Auf-
schrift folgerte Barrington, diese Taschenuhr müßte einst
im Besitze des Schottenkönigs Robert Bruce — welcher
von 1306—1329 regierte — gewesen sein. Seiner Be-
schreibung ist aber nur zu entnehmen, daß diese Uhr
ein silbernes Uebergehäuse mit getriebener Arbeit und
Email hatte. Daraus nun kann der Fachmann ersehen,

„Vierzehnhundert Vierundneunzig Jahr
AIS das Schießen zu Landshut war,
Da hat zu Nürnberg inn der Statt,
Geordnet ein Ehrbarer Rath,
Die da zu schießen hätten Lust,
Mit Büchsen und mitt den Armbrust,
Den thet ein Rath ein Reverentz
Jeglichem ein Roth Kleid behendts,
Zertzog Jörgen da zu Ehren
Gab man Herr Ulrichen Grundherrn,
Der siben alten Herren ein,
Daß er sollte Ihr Hauptmann sein;
Und sollt sie ordentlich regirn.
Zu gewinnen und zu verlirn,
«S sich zu solchem Ding gebürth.
"eit vom Schiessen,
Herr Ulrich Grundherr war beflissen
All eme Uhr dis hxzz ein Grund,
Die schlug viermahl in einer Stundt,
AeUt fem die Viertel alle auß,
nnna*i?°r^err "tt 'hm zu Hau,.
Und gabs den Herrn zu verstahn
Athen, bald eins machen lahn.
Ich hör Niemand dems Nit gesall
Tagldhner und Handwerksleuth all
Die lobn es wohl, als ich versteh,
Und glaub das nimmermehr abgeh
Dieweil der Himmel ob uns schwebt
Und ob Herr Grundherr nimmer lebt
So den-kh doch mancher sein Dabev
Das Gott seiner Seelen gnädig iev
Beth ein Ave Maria da
Das Gott der Herr sein Seel empsah
Und Hali sich ewiglich in acht.
Cuntz Haas der hat das Dicht gemacht.
Nach einem Vermerk in lateinischer Sprache wurde

daß man es mit einer aus dem Jahre 1680 bis 1700
stammenden Uhr zu thun hat, welche sehr wahrscheinlich
gewinnsüchtigen Zweckes halber untergeschoben wurde,
und deren Zifferblatt eine grobe Fälschung war, oder
— es liegt der Herstellung jener Uhr die Annahme zu
Grunde, daß sie, gemäß ihrer Ausstattung, ein Erin-
nerungsstück an den Schottenkönig Robert Bruce dar-
stellen sollte. Man sollte freilich glauben, daß bei einem
Funde von solcher Bedeutung auch das Werk einer ge-
nauen Untersuchung unterworfen worden wäre, denn in
diesem Falle wäre durch die im Werke enthaltene Tech-
nik gewiß die Aufklärung erfolgt, daß man in der In-
schrift auf dem Zifferblatte wohl eine
Ehrung Robert Bruce's feststellen konnte,
aber durch diese Inschrift nicht zu der
irrigen Annahme verleiten lassen durfte,
daß zu Zeiten des Schottenkönigs Ro-
bert Bruce ein solches Uhrwerk und
solches Gehäuse gefertigt worden oder
gar dessen Eigenthum gewesen sei! —
Herr Earl Friedrich, welcher bei der
seinerzeitigen Besprechung dieses Falles
ganz meiner Anschauung war, sagt
noch, daß bei der damals (1779) noch
wenig entwickelten Denkmälerkritik hin-
sichtlich des Kleingewerbes wir uns
überhaupt nicht wundern dürfen, wenn
die Herstellungszeit einer solchen Uhr,
in Folge gefälschter oder mißverstan-
dener Inschrift auf dem Zifferblatt,
um mehr als 300 Jahre zu früh an-
gesetzt wurde. Derselbe bemerkt weiter:
„Schade, daß Barrington anzumerken
vergessen hat, wie das auf dem Ge-
häuse angebrachte Email ausgesehen,
und ob es eine Büste oder irgend sonst
eine Darstellung zeigte." Die Be-
hauptung der Engländer, die Taschen-
uhr sei ihre Erfindung, dürfte durch
vorstehende Abhandlung vollständig
widerlegt sein. Wir wollen nun auch
die Franzosen in dieser Streitsache
hören, doch führe ich gleich die Ein-
wendungen des Herrn C. Friedrich
gegen ihre Behauptung, daß der Er-
finder der Taschenuhren ihrer Natio-
nalität angehört habe, an. Herr
Friedrich schreibt: „Freilich das,
was der Franzose Pierre Dubois hierüber äußert,
ist fast zu leichtfertig, als daß es einer ernstlichen
Widerlegung bedürfte. Ec glaubt, die geschichtliche
Thatsache der Erfindung der Taschenuhr in Nürn-
berg durch die einfache Behauptung zu beseitigen,
daß nichts diese allgemein verbreitete Ansicht rechtfer-
tige; die kleineren Uhren seien vielmehr in Frankreich
aufgekommen, wo sie sich auch mehr als anderswo ver-
vollkommnet hätten. Diese Ueberzeugung habe er be-
kommen, als er die öffentlichen und privaten Samm-
lungen Europas und besonders jene von Oesterreich
und Preußen besucht und dort eine große Anzahl von

. Alles in Vorstehendem Gesagte soll blos den Nach-
weis erbringen, das das Wort „tragbar" es ist, welches
drei dazu bcigetragen hat, über die
Zert der Erfindung der Taschenuhren
Irrungen zu erzeugen. Weiter will
ich aber noch den dokumentirten Beweis
seststellen, daß es nicht gerade eine
Taschenuhr sein mußte, welche einen
Dichter zu begeistern vermochte, sondern
daß die großen eisernen Thurmuhren
lener Zeit dieselbe Wirkung her-
vorbrachten. Bei meinen fachgeschicht-
Uchen Forschungen entdeckte ich im
Thurme der St. Sebalduskircke zu
Nürnberg eine aus dem Jahre 1491
stammende Holztafel, auf welcher die
That eines Grundherr, der zum Bau
einer Vierteluhr (auf dem Thurme der
St Sebalduskirche zu Nürnberg) Ver-
anlagung gab, feierlich im Liede ver-
herrlicht ist. Der Wortlaut ist fol-
gender :

War der Nürnberger Schlosser
Peter Hele der Erfinder der
Taschenuhr?
Von Hosuhrmacher Gustav Speckhart.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
 
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