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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 14 (1. April)
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Nr. 14

4. Jahrgang

Abonnement:
Deutschland u Oesterreich s.so
vierteljährlich, Ausland s.—

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

Stuttgart, 1. April 1896.
(Erscheint wöchentlich.)

Verbürgte
, Auflage 4000

E Z-ntral-Or»a,,fürSam».clwcsc»
' ^»erstergernngen uno Attertyumsruuve.

Die Frofchtasfe.
Novelle
von
HannS von Spielberg
(Hanns von Zabeltitz) in Berlin.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)

Mas ich in der nächsten Nacht für haarsträubenden
Ansinn zusammengeträumt habe, das kann ich Dir gar
nicht beschreiben! Onkel Jos und der Porzellangraf, —
Mister Wedgwood mit seinem Stelzfuß, — Mütterchen
und Brigitte, — das wogte nur so durcheinander! Und
dann standen plötzlich sechs greuliche Pagoden unmittel-
bar vor mir und streckten mir die Zunge heraus: „Etsch,
— die Tasse ist ja gar nicht ächl, — wir
müssen es doch wissen, wir sind ja aus dem
Stammlande des Porzellans, — Etsch! —
Msch! Du Narr, — du Narr!" Schließlich
'konnte ich die sechs gräßlichen Spötter mit
ihren langen Zungen nicht mehr sehen! Ich
schlug um mich, — und da wachte ich auf.
Ich hatte die Wasser-Karaffe vom Nachttisch
heruntergeschlagen, der kalte Inhalt lief mir
gerade über die Brust, und als ich aus dem
Bett sprang, schnitt ich mich an einem der
Scherben.
Das war mir schon gesund!
Natürlich hatte ich mir haarscharf aus-
gerechnet, wann der Porzellangraf meine
«Epistel erhalten, wann seine Antwort ein-
treffen könne. Als der Briefträger an dem
betreffenden Tage ohne einen Schreibebrief
an mich kam, war ich außer mir, und am
nächsten Morgen lief ich persönlich Halbwegs
zur Poststation, bis mir der Stephansjünger
begegnete. Ich hätte ihn mit kaltem Blute
morden können, als er mir schon von Weitem
zurief: „Man blos die Zeitungen, — weiter
nischt, — rein garnischt, Herr Lieutenant!"
Na, — und nun denke Dir, daß am
Nachmittag eine Extrapost mit Trara auf
unseren Hof fährt. Und wer sitzt darin? Mein Porzellan-
graf ! Eingewickelt in einen Riesenpelz, die Beine in
einem Riesen-Fußwärmer, eine Riesen-Pelzdecke darüber.
Und unter der riesigen Pelzhaube funkelten mir zwei
kleine Augen ordentlich drohend entgegen, als wollten
sie sagen: „Wehe Dir, wenn Du Späne machst!"
„Vorsichtig! Bitte recht sehr, — vorsichtig!" brummte
er mich zur Begrüßung an. „Ich habe bis vorgestern
am Podagra gelegen, — kann mich kaum rühren, —
ah! — So! — Danke, — es geht schon!"
Endlich hatte ich den alten Herrn aus dem Wagen
und im Hause. Mama begrüßte er ganz als Kavalier
der alten Schule, mich sah er fortwährend wie zwei-
felnd und prüfend an, mit solch' einem nichtsnutzigen
Blick, als wollte er sagen: „O, Du Erzspitzbube, Du!
Ich weiß wohl, Du willst mich ordentlich hochnehmen!

Aber warte nur, wir sind auch nicht aus Dummsdorf,
— wir Alten, wir!"
Und dann, nachdem er kaum eine Tasse Kaffee ge-
trunken hatte, ging er direkt auf sein Ziel los.
„Sie wissen, weßhalb ich gekommen bin. Wegen
der Im Zrencmillisrs-Tasse selbstverständlich!"
Das war mir durchaus einleuchtend; weßhalb er
aber die Wedgwood-Tasse als eine Grenouillisre-Tasse
bezeichnete, ahnte meine Unschuld nicht. Infolge dessen
machte ich ein doppelt wissendes Gesicht. Grenouillisre?
Grenouilliöre ? Ich halte doch auch meine französische
Bonne gehabt, aber im Augenblick fehlte mir die Vocabel
vollständig!
„Selbstverständlich!" echote ich also. „Aber daß
Sie sich persönlich herbemühen, Herr von Fliedner, —
ich freue mich ja unendlich, — bei dieser Kälte, — Sie
hätten nur zu befehlen brauchen, und ich hätte mich bei

Ihnen eingefunden!"
Unter den buschigen Brauen schoß wieder ein Blick
zu mir herüber, der ungefähr zu besagen schien: „Du
bist mir aber ein Feiner! Na, warte, — na warte, —!"
Laut meinte der Porzellangraf aber: „O, — ich bitte
recht sehr —. Es ist mir ein Vergnügen, mit Ihnen
hier über die Tasse zu verhandeln. Wenn ich Ihre
Zeilen recht verstanden habe, so wollen Sie das — hm !
— das schöne Stück verkaufen!"
Bei einem spinnefadendünnen Härchen hätte ich eine
kollossale Dummheit gemacht. Mir lag es nämlich schon
auf der Zunge, dem alten Herrn zu sagen: „Schenken
will ich sie Ihnen, — schenken! Und wenn Sie dafür
ein Uebriges thun wollen, so gestatten L>ie mir, Ihrer
reizenden Enkelin persönlich die Tasse zu überreichen!"
Ich besann mich aber noch rechtzeitig, daß ich damit

alle meine Chancen aus der Hand geben würde, und
so begnügte ich mich denn, ausweichend zu entgegnen:
„Vor allem, mein hochverehrter Herr von Fliedner,
möchte ich gern Ihre Ansicht über das Stück hören."
»Hm, — hm! So? Sollten Sie denn darüber nicht
ganz genau informirt sein?" Aus den wenigen Worten
klang das Helle Mißtrauen.
„Ich habe die Tasse erst hier durch einen sonder-
baren Zufall erhalten, Herr von Fliedner. Und hier
aus dem Lande fehlen mir alle Hülfsmittel, Näheres
über das Stück zu ermitteln."
„Hmmm! — Ja, — so! Nun — es ist ein Wedg-
wood, — hmmm! — Aus der besten Zeit von Etruria!"
Er holte tief Athem, und dann schloß er mit einem
energischen Entschluß: „Wozu die Umschweife, mein
Verehrtester? Entweder Sie wollen mir die Tasse über-
lassen, dann, bitte, machen Sie den Preis! Oder, —
oder — ich bin vergebens zu ihnen gekommen."
„Herr von Fliedner, ich kenne wirklich
den richtigen Werth des Stückes nicht!"
„Soo — ? Wirklich? Wirklich! Nun, —
wenn ich Ihnen nun 500 Mark für die Tasse
bieten würde?"
Mir war's wieder als müsse ich sagen:
„Verkaufen, — nein! Aber netunen Sie das
Ding, wie es ist, — umsonst!" Der Greis
schien indessen mein leises Zögern falsch zu
deuten. Ohne meine Antwort abzuwarten,
fügte er hastig hinzu: „Die Wahrheit zu
sagen, — ich bin bereit, auch einen höheren
Preis anzulegen, — ich möchte mir die Frosch-
tasse nicht entgehen lassen, — unter keiner
Bedingung!"
Die Froschtasse!
Es fiel wie Schuppen von meinen Augen!
Jetzt erinnerte ich mich deutlich, neben der
Marke von Wedgwood auf der unteren Seite
des Stückes einen kleinen grünen Frosch be-
merkt zu haben, und jetzt wußte ich auch
plötzlich, wie werthvoll die Tasse war. Ja,
wo hatte ich denn während meiner keramischen
Studien die Geschichte von dem wunderbaren
Service gelesen, das Wedgwood für die Zarin
angefertigt hatte, — einige hundert Stücke,
jedes geziert mit der Ansicht einer anderen russischen
Landschaft, — das Ganze bestimmt für die Grenouillisre
im Park von Zarskoe-Selo? —Und jetzt wußte ich
auch mit einem Male, daß „KrsnouiUo" „Frosch" heißt,
und daß vielleicht außer dem russischen Kaiserhause nur
noch ein oder zwei Sammlungen in ganz Europa Stücke
aus diesem Service ihr Eigen nannten! Wahrscheinlich,
ja gewiß, hatte Onkel Jos eines der wenigen über-
schüssigen Stücke von dem alten Wedgwood zum Geschenk
erhalten! O, jetzt konnte ich den Kopf hoch tragen! Ge-
segnet sei dein Andenken, Onkel Jos!
Und nun offen heraus mit der Farbe.
„Um Geld, Herr von Fliedner, ist mir die Tasse
überhaupt nicht feil. Ich habe nur geschwankt, ob ich
sie dem Kunstgewerbe-Museum in Berlin zur Aufbe-
wahrung übergeben sollte, — oder Ihnen! Das letztere

Württsmbergijche Burgruinen. SS) Ruinen Hohen- und Nisdsr-Gundelfinge», im Jahre 1SS6.
(Text Seite ros.)
 
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