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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 13 (25. März)
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Verbürgte
Auflage 4000.
Zentral-OrganfiirSammelwesen,
Versteigerungen und Alterthumskunde.
Verbürgte
Auflage 4000.
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.
Nr. 13.
Abonnement: Stuttaart. 25. März 1896. Anzeigen:
Deutschland u. Oesterreich S.60 U , 4 Die Nonpareillezeile oder deren
vierteljährlich, Ausland s.— (Erscheint wöchentlich.) Raum so Psg., Auktionen so Pfg.
4. Jahrgang.

Die Froschtasse.
Novelle
von
Hanns von Spielberg
(Hanns von Zobeltitz) in Berlin.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)

Er musterte mich zwar unter seinen weißen buschigen
Augenbrauen etwas drohend, stellte ein kleines, miß-
trauisches Examen mit mir an, das ich dank dem guten
Jannicke befriedigend bestand, und erklärte sich dann
bereit, mir seine Schätze zn zeigen. Ich glaube, cs freute
ihn doch ein wenig, daß einmal auch ein Mars-Sohn
Interesse an der Kunst Böttger's nahm. Die Seltenheit
dieses Falles reizte ihn, der sich ja stets besonders mit
Raritäten beschäftigt hatte.
Von dem süßen Enkelkinde hatte ich nichts gesehen,
und ich hatte auch nicht den Muth, nach ihr zn fragen.
So schritten wir beide, der Alte und ich, denn zn
dem großen Gartensaale, in dem die Sammlungen auf-
gestellt waren.
Als der Porzcllangraf die Thür öffnete, schlug mir
das Herz zum Zerspringen. Denn dort stand ja, an
einer der Etageren, das geliebte Mädchen. Sie wandte
uns noch den Rücken zu, aber ich hätte sie auch in dieser
Stellung unter Tausenden herauserkannt, trotzdem sie
eine große weiße Schürze trug, die den ganzen Körper
einhüllte, und trotzdem sie wie ein dienstbarer Geist mit
einem ganz kleinen, zierlichen Federbüschel zwischen den
Porzellanen herumwirthschaftete.
„Laß uns allein, Brigitte!" hörte ich den Groß-
vater sagen, — dann geschah das Entsetzliche.
Sie kehrte sich um, und im gleichen Moment stieg
eine glühende Röthe auf ihren Wangen empor, übergoß
das ganze liebe Kindergesicht mit Purpurgluth, — und
zugleich ließ sie eine kleine Tasse, die sie in der Hand
gehalten, fallen. Das Unglücksding schlug auf den Fuß-
boden und zerbrach in Stücke.
Und zu allem — Schockschwerenoth-
Jaspis war's von Wedgwood-
Jawohl! Heute habe ich gut lachen! Damals aber
war mir wahrhaftig nicht zum Lachen zu Muthe, im
Gegentheill
Freilich, es erfüllte mich mit einem geheimen Wohl-
gefühl, daß mein Mädchen bei meinem Anblick so heftig
erschrocken gewesen; die Purpurgluth auf ihren Wangen
erschien mir ein gutes Zeichen, — sie hatte mich min-
destens sofort wiedererkannt!
Aber wie raste der Alte! Er hatte mit seinen Fal-
kcnaugen das Stück sofort erkannt, — es war eins der
werthvollsten seiner Sammlung! Er stürzte auf das
zitternde Mädchen zu, das wie gelähmt stand und mit
thränenden Augen bald auf uns, bald auf die zerschellte
Obertasse zu ihren Füßchen starrte.
Er faßte sie, seiner Sinne nicht mächtig, hart am
Arm, — er schalt in den heftigsten Ausdrücken auf sie
em.

Ich konnte cs schließlich nicht mehr mit ansehen.
Ich trat an ihn heran und sagte ernst: „Aber Herr von
Fliedner!"
Da kam ich gut an. Jetzt wandte er sich mir zu:
„Sie sind an allem Schuld! Sie allein! Was mußten
Sie das ungeschickte Kind erschrecken! Was mußten Sie
mich überhaupt aussuchen! Können Sie mir die Jaspis-
Tasse ersetzen? Nein, — hundertmal nein! Sie ahnen
nicht einmal, daß es kaum noch sechs Stück von gleicher

Ruine Schrosenstein bei Landsck in Tyrol, im Jahre 1SS6.
(Text Seite 100.)


Schönheit gibt! Was? Wie? Das kommt davon, daß
ich mich wieder einmal breitschlagen ließ und einem
halben Laien den Eintritt gestattete, ich Thor ich!" So
oder ähnlich ging es noch eine geraume Weile fort, ohne
daß ich zu Worte kam, und das einzige Gute an dem
Sermon des alten Herrn war, daß mein Lieb inzwischen
Gelegenheit fand, sich aus dem Staube zu machen.
Nicht einmal einen Blick aus ihren Augen aber hatte ich
erwischt!

Mit der Besichtigung der Sammlung des rasenden
Porzellangrafen war es nun natürlich vorbei. Ich hatte
dazu alle Lust verloren, und er hätte mir sicher den
weiteren Aufenthalt nicht gestattet. Wahrhaftig, schließlich
empfand ich sogar Mitleid mit dem alten Manne! Nach-
dem sich seine erste Wuth ausgetobt hatte, kauerte er
am Boden und suchte die einzelnen Stücke der Tasse
zusammen, Scherbe um Scherbe und Splitter um Split-
ter, und er wehklagte dabei, wie um ein verlorenes Kind.
Heute, wo ich die richtige Sammler-Passion selbst an
mir kennen gelernt habe, kann ich cs doppelt begreifen,
wie ihm zu Muthe war.
Dann, als ich mich anschickte, mich ihm zu empfeh-
len, winkte er nur kurz mit der Hand, — er mochte
mich nicht mehr sehen, — schon mein Anblick schnitt ihm
wohl in's Herz!
Ich ging. Und als ich wieder im Wagen saß und
auf das Schloß zurückblickte, mit dem sehnsüchtigen Ver-
langen, daß sich an einem der Fenster ein liebes Ge-
sichtchen zeigen möge, — als keiner der Vorhänge sich
rührte, — da kam es über mich, wie die herzzerreißende
Gewißheit: Dein Glück liegt in Scherben! Zu wahr
nur, — im wörtlichsten Sinne des Wortes, — in Scher-
ben!
Bei den guten Drcwitzens muß ich wohl einen sehr
Übeln Eindruck gemacht haben. Sie waren jedenfalls
taktvoll genug, sich mit meiner leisen Abwehrung ihrer
ersten Fragen zu begnügen, und am nächsten Morgen
reiste ich ab, — die Rebhühner mochte ein Anderer
schießen! Vor mir waren sie Heuer sicher.
Na, — in Berlin war nun das Erste, daß ich mich
auf die Suche begab. Ich hatte so etwas wie das un-
sichere Gefühl, daß sich Herr von Fliedner vielleicht ein
wenig versöhnen lassen würde, wenn es mir gelänge,
ihm ein Ersatzstück nachzuweisen. So klapperte ich denn
alle Antiquitäten-Händler ab.
Wedgwood, — o ja, — neuere Sachen aus EtrU-
ria, soviel Sie wünschen, Herr Baron! Aber Jaspis,
— altes Jaspis, — hm! — kommt gar nicht auf den
Markt! Wenn nicht etwa der Herr von Fliedner etwas
hat, — der hält es aber fest —So und ähnlich hielt
man mir überall entgegen. Selbst der alte Hof-Anti-
quar Lewy, diese Perle unter den Berliner Händlern,
— insofern nämlich eine Perle, als er wirklich etwas
von seinen Sachen verstand, — wußte keinen Rath. Er
versprach zwar, nach London und Paris zu schreiben:
„Aber Jaspis, — noch mit dem Namenszug des alten
Wedgwood, — und ächt, — unzweifelhaft ächt, mit dem
Decor, wie Sie es wünsche», — da wird nichts zu
machen sein! Da können Sie ebensogut von mir ver-
langen, daß ich Ihnen ein Schminkpöttchen aus Medici-
Porzellan besorgen sollte!"
Und je mehr ich einsehen lernte, daß all meine
Mühe vergebens sein würde, je mehr mir damit zugleich
das Verständniß für den Verlust des armen Porzellan-
grafen klar wurde, desto lebhafter malte ich mir auch
die Lage des armen Mädchens aus, das gewiß täglich
und stündlich neue Vorwürfe hinnehmen mußte. Ich
sah im Geiste immer wieder die lieben Rehaugen von
Thränen geröthet, — ich wußte ja jetzt aus eigener
 
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