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Antiquitäten-Zeitung — 4.1896

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Nr. 20 (13. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61939#0157
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Nr. 20.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.SO
vierteljährlich, Ausland x. s.—

Stuttgart, 1». Mai 18S6.
(Erscheint wöchentlich.)


Zentral-OrganfürSammelwesen,
Versteigerungen und Alterthnmskunde.

Verbürgte
Auflage 4000.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerstr. 2, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
prämiirt mit goldenen Medaillen in Stuttgart, Heidelberg, München, Paris, Gent und London.

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

4. Jahrgang.

Anleitung zum Sammeln von
Autographen.
Von
Eugen Ritter von Mor-Sunnegg.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)

Aus der Größe und Qualität des Papieres läßt
sich auch auf die Acchtheit des Autographs schließen.
So verlangte z. B. die Höflichkeit ehemals, daß man
an einen Höherstehenden auf ein Blatt in Folio schrieb,
wobei nur das erste Blatt in der Weise beschrieben
wurde, daß man zwischen Anrede und Text, sowie
-zwischen letzterem und der Unterschrift einen großen
Zwischenraum frei ließ. Briefcouberts kommen erst seit
dem Anfänge dieses Jahrhunderts in Gebrauch. Was
die Qualität des Papieres betrifft, so war bis in's 15.
Jahrhundert noch das Baumwollepapier in Gebrauch,
wenn auch bereits Lumpen zur Papiererzeugung häufig
-verwendet wurden. Das Baumwollepapier war dick,
gelb und brüchig. In Deutschland war im 15. Jahr-
hundert ein Papier in Verwendung, das aus reiner
weißer Masse gefertigt, mit weiten aber kleinen Draht-
formen geschöpft, mit einem Ochsenkopf, einer Bischofs-
mütze u. dgl. versehen und gut geleimt war. Während
des 30jährigen Krieges gerieth die Papierfabrikation in
Deutschland immer mehr in Verfall, und so kam es, daß
Frankreich sehr bald den Papiermarkt vollständig be-
herrschte. Dies dauerte bis 1685, wo französische Emi-
granten die Papierfabrikation nach Holland verpflanzten,
woselbst dieselbe großen Aufschwung nahm. Seit dem
11. Jahrhundert bediente man sich nicht mehr ausschließ-
lich der gemeinen Tinte aus Lampenrutz oder sehr zer-
theilter Kohle, sondern bereits ab und zu der Galläpfel-
tinte mit Eisenvitriol, die besser eindrang und leicht-
flüssiger war, jedoch wurde die erstere nicht sogleich auf-
gegeben, sondern häufig beide Tintenarten vermischt.
Seit der Entdeckung des Chlors, welches bekanntlich
sehr viele feuchte organische Stoffe so schnell und so
durchgreifend umändert, blüht die Verfälschungskunst
der Handschriften gar sehr. Das Bleichen mit Chlor
kommt nicht vor 1814 zur Anwendung.
Inwiefern die Datirung von Schriftstücken für die
Erkenntniß ihrer Aechtheit von Werth ist, ist leicht ab-
zusehen.
Die inneren Gründe für die Aechtheit oder Unächt-
heit eines Autographs bedürfen zu ihrer Geltendmachung
der genauen Kenntnisse der Zeit, aus welcher die Selbst-
schriften stammen, und des Lebens und Wirkens des
vermeintlichen Schreibers. An der Hand des Styles,
der Orthographie, Jnterpunctionen wird der erfahrene
Sammler nicht nur auf die Zeit, sondern auch auf die
Verson der Abfassung mit großer Bestimmtheit schließen
können. Schwieriger und größerer Mühe bedürfend ist
me Entscheidung eines weiteren Momentes, nämlich der
»rage: Hat der Briefschreiber zu jener Zeit einen solchen
Erief schreiben oder einen solchen Stoff behandeln können?

Geben uns bezüglich des Styles, der Orthographie, der
Interpunktionen rc. die herausgegebenen gedruckten Brief-
wechsel mit Wahrung der Eigenthümlichkeiten der Schreib-
weise die besten Anhaltspunkte, so bedarf es bei der
Beantwortung der zweiten Frage der genauesten Kennt-
nisse über das Leben des vermuthlichen Schreibers. Es
ist also vollkommen berechtigt, wenn man behauptet,
daß die Autographensammler von Fach über einen be-
deutenden Fond von Wissen verfügen müssen, daß sie
ebensowohl Kulturhistoriker mit der Kenntniß aller win-
zigen Gebräuche und Sitten der verschiedenen Perioden,
als tüchtige Biographen sein müssen, um den Anforde-
rungen, die ihre Beschäftigung mit den Selbstschriften
an sie stellt, völlig nachkommen zu können. Diese Kennt-
nisse und der scharfe Blick lassen sich aber nicht so leicht
aneignen, sondern fordern emsiges Studium und fortge-
setzte Uebung. Der erfahrene Sammler wird aber nicht
nur über Aechtheit oder Unächtheit eines Stückes ein
mehr oder minderes Urtheil zu fällen vermögen, sondern
er wird auch aus verschiedenen Anzeichen undatirte Stücke


Autographen.
Unterschriften Melac's von Schreiben aus Eßlingen, vom 17.—S7.
Dezember 1S88. (Text neben.)
der Zeit ihres Entstehens nach bestimmen. Sowohl
der Inhalt des Schreibens als dessen äußerliche Ge-
stalt geben hiebei wichtige Anhaltspunkte, woraus sich
mit Bestimmtheit die Zeit der Abfassung festsetzen läßt.
Manche Autographensammler haben es schon zu erstaun-
licher Uebung und Sicherheit im Erkennen der Aechtheit
oder Unächtheit eines Stückes gebracht, und gegen-
wärtig gelten als hervorragende Autographenkenner so-
wohl bezüglich Aechtheit als auch Werth u. s. w. in
Frankreich Herr Etienne Charavay in Paris, in Deutsch-
land die Herren W. Künzel in Leipzig und E. Schulz,
Inhaber der Firma O. A. Schulz in Leipzig.
Gehen wir nun zur Geschichte der Autographen-
fälschungen über. Geschickte Nachahmer der Schriftzüge
gab es bereits sehr früh. Im Alterthume schon finden
wir derartige Falsificate erwähnt, und im 9. Jahrhun-
derte treffen wir die pseudoisidorischen Decretalen, die
zu so vielen theologischen Streitigkeiten Anlaß gaben.
Im Jahre 1593 ahmte ein gewisser Sebastian die Un-
terschrift des Sebastian von Portugal nach, so daß dieser

selbst seine eigene Schrift wiederzuerkennen glaubte
Falsche Wechselbriefe finden wir bereits 1608 und falsche
Briefe u. s. w. zu Wiederholtenmalen bis herauf zur
Gegenwart. Falsche Briefe der Pompadour wurden in
Umlauf gesetzt, und ein junger Mann hatte sich sogar
auf die Fabrikation von Briefen Balzac's, Sue's, Alex.
Dumas' verlegt. Zwei Fälschungen im großen Style
aus neuerer Zeit verdienen besonderer Erwähnung, nach-
dem dieselben mit großem Geschick durchgeführt und
Gegenstand großer Prozesse waren.
Der erste Prozeß fällt in das Jahr 1856 und wurde
vor dem Kreisgerichte Weimar ausgetragen. Der Sach-
verhalt war folgender: Der Architekt Georg Heinrich
Karl Jakob Victor v. Gerstenbergk verkaufte an ver-
schiedene Personen Autographen Schiller's, die sonst wegen
ihrer Seltenheit und des hohen Ruhmes ihres Urhebers
als besondere Raritäten galten, in größerer Anzahl.
Zwei genaue Kenner Schiller'scher Handschriften, Prof.
Th. Dielitz aus Berlin und Herr W. Künzel, sprachen
sich sofort gegen die Aechtheit der aus dem Besitze des
Architekten v. Gerstenbergk stammenden Autozraphen aus.
Buchhändler Ant. Bär in Frankfurt a. M., einer der
Hauptkäuser neben Buchhändler Stargardt in Berlin,
machte bei der Polizeiverwaltung von Weimar, welcher
das Treiben Gerstenbergk's bereits auffällig war, die
Anzeige gegen denselben, welche an die großherzogliche
Staatsanwaltschaft abgetreten wurde, und es kam zum
Betrugsprozeffe gegen Gerstenbergk. Die eingeleitete
Untersuchung deckte die Großartigkeit des schon seit
Jahren von Weimar aus betriebenen Handels mit
Schiller'schen Handschriften auf, welche sämmtlich von
Gerstenbergk aus in die Hände von Wiederverkäufern
übergegangen waren. Im Ganzen sind von Weimar
aus für weit über 2000 Thaler solche angebliche Schiller-
Handschriften aus der Gerstenbergk'schen Fabrik in den
Handel gekommen. Das Verzeichniß der dem Unter-
suchungsrichter vorgelegenen, bei einzelnen Wiederver-
käufern gefundenen oder von diesen und den Käufern
eingelieferten Handschriften weist 416 Nummern nach,
wovon nach genauer Prüfung durch die Sachverständigen
nur vier als unbedingt ächt, einige als zweifelhaft,
weitaus der größte Theil aber als unzweifelhaft falsch
erkannt wurden. Die eingeholten Gutachten von W.
Künzel, Pros. Dielitz, Geh. Staatskanzleiregistrator
Knittel, Hofkupferstecher Prof. Schwerdgeburth, Kupfer-
stecher Müller, Dr. Kunze, Hofapotheker Dr. Hoffmann,
Secretär Schuchardt, Hofrath Schöll, Hofrath Sauppe
und Prof. Zeih erstreckten sich auf die verschiedenen Jn-
dicien der Fälschung. Die Schreibweise war eine von
Fr. v. Schiller abweichende und wies Züge auf, die dem
großen Dichter nicht eigen waren; auch eine gewisse
Aengstlichkeit ist in der Schrift unverkennbar. Ueber-
dies finden sich bei allen selbst zeitlich weitauseinander-
fallenden Handschriften die gleichen Züge, während
Schiller als Jüngling erwiesenermaßen ganz anders
schrieb als in seiner reifen Zeit zu Jena und Weimar.
Endlich fällt noch in's Gewicht, daß fast alle diese an-
geblichen Autographen die Unterschrift mit dem Namens-
zug oder dem ausgeschriebenen Namen Schiller's haben,
während erwiesen ist, daß Schiller die Jugendgedichte
 
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