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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0348

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11. Richtungen und Ansätze der Psychotherapie

des Feuers. Schließlich die Mutterfigur und der alte Mann, Symbole elterlicher Weis-
heit. Tiere stellen im allgemeinen Triebansprüche der Person dar, wobei niedere Tiere
elementare Lebensbedürfnisse verkörpern.

In Freuds Psychoanalyse werden Träume mit Hilfe freier Assoziationen zu den
einzelnen Trauminhalten gedeutet. Dadurch werden deren verdrängte Bedeutung ge-
klärt, die meistens auf einen kindlichen (z.B. ödipalen) Konflikt zurückführt werden.
So etwa werden die weißen Wölfe im Traum des von Freud behandelten "Wolfs-
mannes" in Zusammenhang mit einer elterlichen Kopulationsszene gebracht, die das
Kleinkind beobachtet haben soll (Gardiner, 1972). Jung geht im Gegensatz zu dieser
retrospektiven Betrachtungsweise prospektiv vor, indem er den Traum zunächst durch
das Bewußtsein des Klienten, aber auch durch kulturhistorisches Wissen über Symbole
anreichert und daraus schließlich eine Hinweisfunktion für zukünftiges Verhalten des
Individuums entwickelt. In der Gestalttherapie werden ebenfalls Träume als thera-
peutisches Medium genutzt (vgl. Perls, 1973). In ihr werden radikalerweise alle Be-
standteile des Traumes als "Teilpsychen" betrachtet - etwas, was Jung als Subjektstufe
der Traumdeutung ebenfalls vorsah. In der Gestalttherapie werden üblicherweise diese
einzelnen "Teilpsychen" in Dialoge mit dem Träumer verwickelt, um ihre Funktion
und Bedeutung bewußt zu machen (vgl. Kap. 11.2.).

Tatsache ist, daß man fünf- bis sechsmal pro Nacht mit zunehmender Länge im
Umfang von insgesamt einer Stunde träumt. Die allermeisten Trauminhalte entgehen
dem Bewußtsein. Wenn Träume überhaupt eine funktionelle Bedeutung haben, ver-
richten sie diese Funktion offenbar erfolgreich, auch ohne gedeutet zu werden. Aus
den verschiedenen Ansätzen zur Nutzung der Träume in der Therapie lassen sich ver-
schiedene Stufen zunehmender Explikation der Trauminhalte unterscheiden (vgl.
Tabelle 11.5.). Dabei kann es bereits hilfreich sein, wenn dem Träumer der Traum
sinnvoll erscheint, auch wenn er diesen Sinn mit Worten noch nicht benennen kann
(vgl. Williams, 1987).

Folgendes Beispiel soll diese Art von Traumarbeit erläutern:

1) Traumbericht: Die Träumerin begegnet einem Mann, und als er ihr die Hand reicht, zeigt sich nur
das Gerippe dieser Hand. Das Gesicht bleibt unerkannt. Allerdings scheinen die Augen zu leben. Die
Träumerin flieht in ein Haus, zu einer ihr bekannten Familie, einfache Leute. Um die Tür zu verriegeln
sucht sie nach einem Schloß, das sie in letzter Minute findet - in Form eines Klingelknopfes.
Sequenz: Annäherung, spätes Erkennen, Rückzug und sich unzugänglich machen.

Lebenskontext: Die Träumerin durchlebt gerade die Trennung von einem Bekannten, dessen Mutter sie
bis zum Tod gepflegt hat.

Sentenz: "Willst du dich vor Überraschungen bewahren, dann bring dich in Sicherheit."

2) Objektstufe: Die Beziehung zu dem Mann ist abgestorben; oder der Kontakt zu dem Mann wird
durch den Tod (der Mutter) möglich.

3) Symbole: Tod, Haus.

Symbolamplifikation: Tod als Erlöser, Neubeginn; Zeit, die abgelaufen ist; Tod, der zum Leben gehört.
Haus: Körper, Person, äußere Grenze, schützende Schale.

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