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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0376

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12. Psychosoziale Intervention und Anwendungsfelder der Klinischen Psychologie

renz zu anderen Professionen - dies vor allem in Tätigkeitsfeldern der Sozialarbeit und
(Sozial-)Pädagogik sowie in jenen der sozialwissenschaftlich orientierten Medizin.

Die Herausbildung und Differenzierung klinisch-psychologischer Dienstleistungen
entspricht im wesentlichen sozialgesellschaftlichen Erfordernissen und Entwicklungen
(vgl. Kardorff, 1988, S. 309 f.):

- Einerseits folgt sie sozialstaatlichen Rahmensetzungen und Kompromissen. In die-
sem Sinne ist sie (als eine Säule der Sozialpolitik innerhalb des modernen Wohl-
fahrtsstaates) zumeist gesetzlich verankert in Transferleistungen, flankierenden Hil-
fen und Schutzbestimmungen zur lohnbezogenen Absicherung der Risiken von
Krankheit, Unfall, Alter und Arbeitslosigkeit.

- Andererseits entspricht die Diversifizierung klinisch-psychologischer Intervention
einer Entwicklung der Professionalisierung der Klinischen Psychologen. Klinische
Psychologen schaffen sich selbst (eben in Kooperation und Konkurrenz) einen eige-
nen Handlungsrahmen mittels kontinuierlicher Tätigkeitsausgestaltung und Ziel-
gruppensuche.

- Schließlich erweitern sich psychosoziale Interventionsmöglichkeiten auch begleitend
zu den Wirkungen reformpolitischer Initiativen, beispielsweise als Folge einer advo-
katorischen Interessenswahrnehmung für benachteiligte Gruppen (durch politische
Parteinahme oder private Initiative), oder im Kontext der - in jüngster Zeit zuneh-
menden - politischen Artikulation und Wahrnehmung eigener Interessen durch die
benachteiligten Gruppen selbst (in der Selbsthilfebewegung).

Deshalb ist verständlich, daß die Entwicklung klinisch-psychologischer Berufsaus-
übung den allgemeinen sozialpolitischen Veränderungen in den westlichen Industrie-
nationen nachfolgt. In der Bundesrepublik enspricht sie etwa drei Zeitabschnitten (vgl.
Filsinger, 1986, S. 188 ff.):

In der ersten dieser Phasen zielte die bundesdeutsche Sozialpolitik auf den Ausbau eines Systems der so-
zialen Sicherung bis Ende der sechziger Jahre. Sozialpolitische Leistungen sollten den rechtlich ver-
brieften Ausgleich für die mit Erwerbsarbeit verbundenen Risiken und Belastungen schaffen. Sie sollten
allen Bevölkerungsgruppen ein angemessenes Lebensniveau sichern. Und sie sollten schließlich ein
Herausfallen aus der erhofften "Normalität" verhindern helfen. Dieser Ausbau des sozialen Sicherungs-
systems hat wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Klinischen Psychologen ihre Kom-
petenzen nicht mehr nur als Diagnostiker und Berater, sondern zunehmend auch als Psychotherapeuten
einbringen konnten - mit erheblichen Rückwirkungen auf die praktische und wissenschaftliche Fortent-
wicklung der psychologischen Therapie (z.B. beginnender "Psychoboom"; vgl. Kap. 7.).

Die zweite Phase zielte auf die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen in Richtung auf ein
vergleichbares Niveau - Motto: "Lebensqualität für alle!", das sich die sozial-liberale Koalition im
Übergang zu den siebziger Jahren in das Regierungsprogramm geschrieben hatte. Diese sozialpolitische
Programmatik ermöglichte zugleich - erheblich mitbeeinflußt durch die studentische Protestbewegung

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