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Bastine, Reiner [Editor]
Klinische Psychologie (Band 2): Klinische Psychodiagnostik, Prävention, Gesundheitspsychologie, Psychotherapie, psychosoziale Intervention — Stuttgart, Berlin, Köln, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.16130#0382

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12. Psychosoziale Intervention und Anwendungsfelder der Klinischen Psychologie

inzwischen auch bereits an vielen Orten konstituiert und ihre Arbeit aufgenommen.
Zu ihnen gehören häufig nicht nur Vertreter der therapeutisch-beratenden Einrich-
tungen und Berufsgruppen, sondern auch Personen aus dem administrativen Be-
reich (Wohlfahrtsverbände, Ordnungs- und Sozialbehörden, Justiz, Kirche, Schul-
wesen etc.), des weiteren Laien (aus freien Bürgerbewegungen, Helfer- und Selbst-
hilfegruppen) schließlich vereinzelt auch Vertreter sozial und politisch engagierter
Gruppen (Kinderschutzbund, Parteien etc.). Zumeist sind die psychosozialen Ar-
beitsgemeinschaften bei ihrem Versuch, die Prozesse des regionalen Ineinander-
greifens von Beratung, Vorsorge, Diagnose, Therapie, Nachsorge, Betreuung,
Pflege und Rehabilitation zu koordinieren und zu optimieren, mit vielfältigen Wi-
dersprüchen konfrontiert (Grumiller & Strotzka, 1981): Sie sollen initiativ sein,
haben jedoch kaum rechtliche Mittel, Einfluß zu nehmen. Sie sollen Strukturände-
rungen veranlassen, ohne selbst über finanzielle Ressourcen zu verfügen. Die
Wirksamkeit der psychosozialen Arbeitsgemeinschaften lebt bislang zumeist vom
persönlichen Engagement und der Kooperationsbereitschaft der Teilnehmer, wo-
raus sich jedoch durchaus modellhafte Initiativen ergeben können und örtlich auch
bereits ergeben haben (vgl. Dörner, 1976).

4. Das Prinzip der Gleichstellung psychisch Kranker mit körperlich Kranken:

Mit dieser Forderung wird in erster Linie eine finanzielle Verbesserung der Pati-
enten innerhalb der psychiatrischen Versorgung angestrebt. (Zugleich birgt die
wörtliche Auslegung des Prinzips eine Verkürzung der psychiatrischen Behand-
lungsangebote auf [somato-]medizinische Therapieformen in sich, die natürlich
nicht gemeint ist).

Von diesen Leitlinien, deren unveränderte Bedeutsamkeit von einer Expertenkommis-
sion der Bundesregierung (1988; auch Deutscher Bundestag, 1990) neuerlich unter-
strichen wurde, ist in den vergangenen Jahren das Prinzip der Gemeindenähe als
wichtigste Zielsetzung der Reform des Gesundheitswesens diskutiert worden. Zugleich
haben sich hinsichtlich der Umsetzbarkeit einer gemeindenahen Versorgung sowohl
sozialpolitisch wie auf konkreter Handlungsebene die größten Hemmnisse ergeben. Es
zeigt sich nämlich, daß sich die psychosoziale Intervention immer in einem kaum
überbrückbaren Spannungsverhältnis befindet zwischen ihrer sozialpolitischen und ge-
sellschaftlichen Akzeptanz und den Notwendigkeiten, die die je gegebenen individu-
ellen und sozialen Problemkonstellationen erfordern (vgl. Kap. 12.8.: "Sozialpsychia-
trie"). Es scheint offensichtlich schwierig, prinzipiell gültige Orientierungen zu fin-
den, die einerseits abstrakt genug sind, um die Ansprüche an sozialpolitische Postu-
late verallgemeinern zu können, die andererseits ausreichend konkret sind, um den
Besonderheiten individueller und gruppenspezifischer Lebens- und Konfliktlagen ge-
recht zu werden (Kardorff, 1988, S. 318). Dieses Spannungsverhältnis der "Schnitt-
stelle Makro-/Mikroperspektive" (Baumann, 1991) soll bei der folgenden Darstellung
der wichtigsten klinisch-psychologischen Interventionsformen in der psychosozialen
Praxis Beachtung finden.

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