12.6. Resozialisation
frühzeitige Einbeziehung der Angehörigen (Partner- und Elternberatung), Angebote
therapeutischer Angehörigen-, Paar- oder Familientherapie und deren Supervision.
12.6.3. Perspektiven sozialtherapeutischer Resozialisierung
Insbesondere der Gedanke, psychotherapeutische Konzepte stärker im Strafvollzug zu
verankern, hat in der BRD seit Beginn der siebziger Jahre seinen konkreten Nieder-
schlag in der Einrichtung sozialtherapeutischer Anstalten gefunden. So war zu Beginn
geplant, etwa 13 bis 15 Prozent aller Haftplätze der Bundesrepublik im sozialthera-
peutischen Behandlungsvollzug einzurichten (dies hätte ca. 5 000 bis 7 000 Plätze be-
deutet; Lösel & Köferl, 1988). Gegenwärtig und auf absehbare Zeit beschränkt sich
die Kapazität der insgesamt zehn Sozial therapeutischen Anstalten auf 700 Plätze.
Gemäß § 9 StVollzG kann ein Gefangener in eine sozial therapeutische Anstalt verlegt
werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen einer solchen
Anstalt zu seiner Resozialisierung angezeigt sind.
Die sozialtherapeutischen Anstalten in der BRD sind von Anfang an von Evaluationsstudien begleitet,
deren Ergebnisse jüngst in einer Meta-Analyse zusammenfassend bewertet wurden (Lösel & Köferl,
1986; 1988): Danach ergeben sich einerseits recht heterogene Befunde zur sog. Legalbewährung (0 bis
20 Prozent geringere Wiederverurteilungen der Probanden der sozialtherapeutischen Anstalten gegen-
über Vergleichsgruppen aus dem Regelvollzug) sowie zumeist günstigere psychosoziale Entwicklungen
der Sozialtherapie-Probanden gegenüber Kontrollpersonen. Insgesamt bleibt jedoch angesichts einiger
methodischer Mängel der meisten Studien unklar, inwieweit positive Veränderungen eindeutig als das
Ergebnis sozialtherapeutischer Behandlungsbemühungen aufgefaßt werden können.
Die Ausweitung der ambulanten Resozialisation hat im Bereich der Jugendstrafjustiz
zu einigen innovativen Anstrengungen Anlaß gegeben. Die hier diskutierten und um-
gesetzten Maßnahmen werden unter der Bezeichnung "Diversion" zusammengefaßt.
Unter Diversion im weitesten Sinne versteht man die vorzeitige Aussetzung eines for-
mellen Strafprozesses auf einer beliebigen Stufe des Verfahrens, mit und ohne Über-
weisung an ein Programm einer außerjustitiellen, öffentlichen oder privaten Institution
(vgl. Bettmer, 1988). Obwohl das Diversionsprinzip vor allem in Jugendgerichtsver-
fahren bereits extensiv praktiziert wird, liegen definitive Kriterien für Entscheidungs-
möglichkeiten nicht vor. Über die Ziele der Diversion scheint jedoch ein informeller
Konsens zu bestehen (Brüsten et al., 1985; Bettmer, 1988): Sie liegen einerseits im
Versuch, die Stigmatisierung der Betroffenen (durch Verhandlung, Verurteilung, Ar-
rest oder Inhaftierung) zu vermeiden oder wenigstens deren Folgen zu verringern und
andererseits wird gleichzeitig eine mittelbare Entlastung der Justiz durch die Reduzie-
rung der Kosten pro Fall und eine Reduktion der Anzahl der Inhaftierten angestrebt.
Trotz ihrer allgemeinen Akzeptanz hat die Diversionspraxis in den vergangenen Jahre
Anlaß zu einer Reihe kontroverser Auseinandersetzungen gegeben. So zeigt sich eine
problematische Ausweitung sozialer und justizgesteuerter Kontrollmöglichkeiten, vor
allem eine Ausweitung und Erhöhung des Kontrolldrucks (Verfahrens- und Strafan-
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frühzeitige Einbeziehung der Angehörigen (Partner- und Elternberatung), Angebote
therapeutischer Angehörigen-, Paar- oder Familientherapie und deren Supervision.
12.6.3. Perspektiven sozialtherapeutischer Resozialisierung
Insbesondere der Gedanke, psychotherapeutische Konzepte stärker im Strafvollzug zu
verankern, hat in der BRD seit Beginn der siebziger Jahre seinen konkreten Nieder-
schlag in der Einrichtung sozialtherapeutischer Anstalten gefunden. So war zu Beginn
geplant, etwa 13 bis 15 Prozent aller Haftplätze der Bundesrepublik im sozialthera-
peutischen Behandlungsvollzug einzurichten (dies hätte ca. 5 000 bis 7 000 Plätze be-
deutet; Lösel & Köferl, 1988). Gegenwärtig und auf absehbare Zeit beschränkt sich
die Kapazität der insgesamt zehn Sozial therapeutischen Anstalten auf 700 Plätze.
Gemäß § 9 StVollzG kann ein Gefangener in eine sozial therapeutische Anstalt verlegt
werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen einer solchen
Anstalt zu seiner Resozialisierung angezeigt sind.
Die sozialtherapeutischen Anstalten in der BRD sind von Anfang an von Evaluationsstudien begleitet,
deren Ergebnisse jüngst in einer Meta-Analyse zusammenfassend bewertet wurden (Lösel & Köferl,
1986; 1988): Danach ergeben sich einerseits recht heterogene Befunde zur sog. Legalbewährung (0 bis
20 Prozent geringere Wiederverurteilungen der Probanden der sozialtherapeutischen Anstalten gegen-
über Vergleichsgruppen aus dem Regelvollzug) sowie zumeist günstigere psychosoziale Entwicklungen
der Sozialtherapie-Probanden gegenüber Kontrollpersonen. Insgesamt bleibt jedoch angesichts einiger
methodischer Mängel der meisten Studien unklar, inwieweit positive Veränderungen eindeutig als das
Ergebnis sozialtherapeutischer Behandlungsbemühungen aufgefaßt werden können.
Die Ausweitung der ambulanten Resozialisation hat im Bereich der Jugendstrafjustiz
zu einigen innovativen Anstrengungen Anlaß gegeben. Die hier diskutierten und um-
gesetzten Maßnahmen werden unter der Bezeichnung "Diversion" zusammengefaßt.
Unter Diversion im weitesten Sinne versteht man die vorzeitige Aussetzung eines for-
mellen Strafprozesses auf einer beliebigen Stufe des Verfahrens, mit und ohne Über-
weisung an ein Programm einer außerjustitiellen, öffentlichen oder privaten Institution
(vgl. Bettmer, 1988). Obwohl das Diversionsprinzip vor allem in Jugendgerichtsver-
fahren bereits extensiv praktiziert wird, liegen definitive Kriterien für Entscheidungs-
möglichkeiten nicht vor. Über die Ziele der Diversion scheint jedoch ein informeller
Konsens zu bestehen (Brüsten et al., 1985; Bettmer, 1988): Sie liegen einerseits im
Versuch, die Stigmatisierung der Betroffenen (durch Verhandlung, Verurteilung, Ar-
rest oder Inhaftierung) zu vermeiden oder wenigstens deren Folgen zu verringern und
andererseits wird gleichzeitig eine mittelbare Entlastung der Justiz durch die Reduzie-
rung der Kosten pro Fall und eine Reduktion der Anzahl der Inhaftierten angestrebt.
Trotz ihrer allgemeinen Akzeptanz hat die Diversionspraxis in den vergangenen Jahre
Anlaß zu einer Reihe kontroverser Auseinandersetzungen gegeben. So zeigt sich eine
problematische Ausweitung sozialer und justizgesteuerter Kontrollmöglichkeiten, vor
allem eine Ausweitung und Erhöhung des Kontrolldrucks (Verfahrens- und Strafan-
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