DER BAUMEISTER,
1912, JULI
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS -
X. JAHRGANG, HEFT 10
Arcb. Hans Beitter, Nürnberg.
Ausstellungen
im Kgl. Kunstgewerbe-Museum zu Berlin.
Das Berliner Kunstgewerbemuseum, das im Februar d. Js.
durch eine glänzende Ausstellung aus dem künstlerischen
Nachlasse Otto Rieths diesem allzufrüh dahingeschiedenen
Meister der grandiosen Idealskizzen eine würdige Gedächtnis-
feier veranstaltet hatte, hat im Juni abermals zwei Ausstellungen
eröffnet, die von höchstem Interesse vor allem für die Archi-
tekten sind: eine reichhaltige Auswahl aus dem in seiner
Gesamtheit durch einen Ausschuss unter Führung des Geh.
Baurats Kayser erworbenen und der Bibliothek des Museums
überwiesenen künstlerischen Nachlasse des ebenfalls in der
Blüte seines Schaffens dahingerafften Josef M. Olbrich
(vergl. S. 202) und eine umfangreiche Ausstellung von etwa
400 photographischen und zeichnerischen Aufnahmen
chinesischer Architekturen von Regierungsbaumeister
Ernst Boersch-
mann. Diese sind
durchweg Original-
aufnahmen, eine Aus-
wahl aus dem Ergeb-
nis der von Boersch-
mann im Auftrage
des Deutschen Rei-
ches 1906 bis 1909
ausgeführten ausge-
dehnten Studien-
reisen und eingehen-
den Forschungen,
die sich auf 14 von
den 18 Kulturprovin-
zen des Riesen-
reiches j erstreckten,
nach Baugruppen
und Baumotiven geordnet, geben sie uns nicht nur
reizvolle Bilder jener uns fremden, so innig mit
der Natur des Landes, der Veranlagung des Volkes,
seiner Geschichte und seinem Geistesleben ver-
wachsenen, jedenfalls ursprünglichen und auch
den westasiatischen und indischen Einflüssen
gegenüber selbständig gebliebenen Architektur,
sondern geschlossene Darstellungsreihen, welche
die Grundzüge und eigenartigen Entwicklungs-
formen hervorheben, auf die das vortrefflich ge-
schriebene Begleitwort Boerschmanns (Preis 30 Pf)
so anschaulich hinweist. Mag auch die chinesische
Baukunst, wie Boerschmann am Schlüsse betont,
uns für die unmittelbare Verwendung kaum je mehr
geben können, als gelegentliche Anregungen, so
ist doch schon die verständnisvolle Erschliessung
und ästhetische Wertung dieser uns fremden Formen-
welt von allgemeiner kultureller Bedeutung.
Besonders kennzeichnend ist für die chinesische
Baukunst das Ueberwiegen der Grundrissentwick-
lung gegenüber dem Aufbau. Boerschmann sagt:
„An Stelle der Monumentalbauten in unserem Sinne
schuf der baukünstlerische Genius der Chinesen
Bauanlagen von um so gewaltigerer Flächen-
ausdehnung, die in ihrer Art nur notwendiger
Ersatz sind für unsere Bewältigung der Baumassen.
Es seien hier nur genannt: der Tempel Pi yun sze
bei Peking, die Bauten der Kaiserlichen Sommer-
residenz lehol, die heiligen Beryn Hua shan, Wu t’ai
shan und P’u tö shan und von den Städten
Arch. Hans Beitter, Nürnberg.
Villa am Luitpoldhain in Nürnberg.
1912, JULI
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS -
X. JAHRGANG, HEFT 10
Arcb. Hans Beitter, Nürnberg.
Ausstellungen
im Kgl. Kunstgewerbe-Museum zu Berlin.
Das Berliner Kunstgewerbemuseum, das im Februar d. Js.
durch eine glänzende Ausstellung aus dem künstlerischen
Nachlasse Otto Rieths diesem allzufrüh dahingeschiedenen
Meister der grandiosen Idealskizzen eine würdige Gedächtnis-
feier veranstaltet hatte, hat im Juni abermals zwei Ausstellungen
eröffnet, die von höchstem Interesse vor allem für die Archi-
tekten sind: eine reichhaltige Auswahl aus dem in seiner
Gesamtheit durch einen Ausschuss unter Führung des Geh.
Baurats Kayser erworbenen und der Bibliothek des Museums
überwiesenen künstlerischen Nachlasse des ebenfalls in der
Blüte seines Schaffens dahingerafften Josef M. Olbrich
(vergl. S. 202) und eine umfangreiche Ausstellung von etwa
400 photographischen und zeichnerischen Aufnahmen
chinesischer Architekturen von Regierungsbaumeister
Ernst Boersch-
mann. Diese sind
durchweg Original-
aufnahmen, eine Aus-
wahl aus dem Ergeb-
nis der von Boersch-
mann im Auftrage
des Deutschen Rei-
ches 1906 bis 1909
ausgeführten ausge-
dehnten Studien-
reisen und eingehen-
den Forschungen,
die sich auf 14 von
den 18 Kulturprovin-
zen des Riesen-
reiches j erstreckten,
nach Baugruppen
und Baumotiven geordnet, geben sie uns nicht nur
reizvolle Bilder jener uns fremden, so innig mit
der Natur des Landes, der Veranlagung des Volkes,
seiner Geschichte und seinem Geistesleben ver-
wachsenen, jedenfalls ursprünglichen und auch
den westasiatischen und indischen Einflüssen
gegenüber selbständig gebliebenen Architektur,
sondern geschlossene Darstellungsreihen, welche
die Grundzüge und eigenartigen Entwicklungs-
formen hervorheben, auf die das vortrefflich ge-
schriebene Begleitwort Boerschmanns (Preis 30 Pf)
so anschaulich hinweist. Mag auch die chinesische
Baukunst, wie Boerschmann am Schlüsse betont,
uns für die unmittelbare Verwendung kaum je mehr
geben können, als gelegentliche Anregungen, so
ist doch schon die verständnisvolle Erschliessung
und ästhetische Wertung dieser uns fremden Formen-
welt von allgemeiner kultureller Bedeutung.
Besonders kennzeichnend ist für die chinesische
Baukunst das Ueberwiegen der Grundrissentwick-
lung gegenüber dem Aufbau. Boerschmann sagt:
„An Stelle der Monumentalbauten in unserem Sinne
schuf der baukünstlerische Genius der Chinesen
Bauanlagen von um so gewaltigerer Flächen-
ausdehnung, die in ihrer Art nur notwendiger
Ersatz sind für unsere Bewältigung der Baumassen.
Es seien hier nur genannt: der Tempel Pi yun sze
bei Peking, die Bauten der Kaiserlichen Sommer-
residenz lehol, die heiligen Beryn Hua shan, Wu t’ai
shan und P’u tö shan und von den Städten
Arch. Hans Beitter, Nürnberg.
Villa am Luitpoldhain in Nürnberg.