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Baumeister: das Architektur-Magazin — 10.1912

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Heft 12
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Zetzsche, Carl: Zu Paul Wallots Gedächtnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.55686#0610

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DER BAUMEISTER,
1912, SEPTEMBER X. JAHRGANG, HEFT 12

Zu Paul Wallots Gedächtnis.
Am 10. August ist der Erbauer des Reichtagshauses, Geh.
Baurat Dr.-Ing. h. c. Paul Wallot nach längerem Leiden in
Langenschwalbach, wo er zur Kur weilte, verschieden, wenige
Wochen nach seinem 71. Geburtstage. Ein Jahr ist es her,
dass der Meister von seinem Lehramte an der Dresdener
Kunstakademie zurücktrat, um den Abend seines schaffens-
und kämpfereichen Lebens in stiller Zurückgezogenheit in der
Heimat und im Kreise seiner Familie zu
verleben. Damals waren seine zahlreichen
Schüler von Nah und Fern herbeigeeilt,
um ihm eine schlichte, von herzlichstem
Dank und begeisterter Verehrung getragene
Abschiedsfeier zu bereiten, die allen Teil-
nehmern unvergesslich bleiben wird. Die
Stadt Dresden verlieh dem Scheidenden
ihre goldene Ehrendenkmünze. Still, wie
er von seinem Lebenswerke geschieden, ist
Paul Wallot in seiner Vaterstadt Oppenheim
am Rhein zu Grabe getragen worden.
Mit ihm ist abermals einer der führenden
Meister dahingegangen, denen die Deutsche
Baukunst die Eröffnung neuer Bahnen und
ihren jüngsten Aufschwung verdankt, einer
der besten und wirksamsten, wenn auch
seine Verdienste viel verkannt und geschmäht
und von der raschlebenden Gegenwart kaum
mehr gebührend gewürdigt sind.
Paul Wallot war am 26. Juni 1841 geboren;
er besuchte die Real- und Gewerbeschule
in Darmstadt, studierte am Polytechnikum
in Hannover und an der Bauakademie in
Berlin und arbeitete dann in den Ateliers von

Zuversicht löste dieser Entwurf in ganz Deutschland aus. Und
sie wurde erfüllt, wenn auch bei der Ausführung der Entwurf
fast in allem und jeden Umwandlungen erfuhr. Was man
neuerdings so oft und mit Recht in den Erörterungen über
das Wettbewerbswesen, seine Aufgaben und Mängel, als den
Idealzweck aller Preisausschreiben hingestellt hat: nicht den
für die Ausführung reifsten Entwurf, sondern den für
die beste Lösung der Aufgabe geeigneten Meister
ausfindig zu machen, das hatte die Entscheidung des Preis-
gerichts zweifellos gebracht. Wallot erwies
sich als der Meister, der siegreich in
selbstloser Unterordnung unter die Aufgabe
alle die sich ihm immer wieder entgegen-
türmenden Schwierigkeiten zu überwinden
wusste!
Es soll hier nicht auf die Einzelheiten
der Baugeschichte eingegangen oder eine
Kritik an der Berechtigung oder Nicht-
berechtigung aller der tiefgreifendsten Aen-
derungen des ursprünglichen Planes ver-
sucht werden, die mit Rücksicht auf den Bau-
platz und die verschiedensten Einflüsse von
der „Reichstagsbaukommission“ in Grund-
riss und Aufbau gefordert wurden und die
von Wallot während des Baues durch-
geführt werden mussten.
Trotz dieser fortgesetzten aufreibenden
Kämpfe, trotz der mannigfachen persönlichen
Widerstände und Verunglimpfungen hat der
Meister mit nie erlahmender Kraft sein
künstlerisches Werk vollendet, dessen bahn-
brechende Bedeutung vielleicht erst eine
spätere Zeit voll würdigen wird, die —
fernerstehend — die Zeit und die Vor-

Paul Wallot.


Gropius, Hitzig und Lucae. Nach grösseren Studienreisen nach
Italien und'England liess er sich 1869 als Privatarchitekt in
Frankfurt a. M. nieder, wo er eine Reihe vornehmer Wohn-
und Geschäftshäuser schuf, die sich durch edle Verhältnisse
und eine selbständigere Behandlung der überlieferten Formen-
sprache auszeichneten. In Dresden wurde sein Name zuerst
bekannt durch seinen Sieg in dem Wettbewerb um die Anlage
des Zentralfriedhofs 1876, wo sein (nicht ausgeführter) Entwurf
den 1. Preis erhielt. In Wien gewann er 1881 den 3. Preis für
seinen Entwurf zur Stefanienbrücke. Aber noch war sein Name
ausserhalb Frankfurts kaum bekannt, als 1882 sein Entwurf für
das Reichstagsgebäude vom Preisgerichte fast einstimmig zur
Ausführung gewählt und diese ihm übertragen wurde.
Einhellige begeisterte Zustimmung und erwartungsfrohe

bedingungen, aus denen es entstanden ist, klarer über-
sieht. Galt es doch, für die gewaltige Aufgabe erst den
Massstab und die Formen wirklich monumentalen Ausdrucks
zu finden, an denen die Stilnachahmungen der vorauf-
gegangenen Jahrzehnte gescheitert waren. Noch herrschten
allgemein die Formensprachen der Vergangenheit, herrschte
der Formenreichtum und das mehr äusserliche Schmuckbe-
dürfnis. Auch Wallot vermochte sich diesen Einflüssen noch
nicht zu entziehen, als er dem gewaltigen Einheitsgedanken
Deutschlands, der flammenden Begeisterung für das aus sieg-
reichem Kampfe hervorgegangene neue Reich und dessen
würdevollster Vertretung, als er deutscher Macht und Grösse
einen symbolischen Ausdruck suchte. Auch er hat überlie-
ferte Formen gewählt und reichsten Schmuck über sein Werk
gebreitet; aber er hat
sie souverän gemeistert
in der Anordnung wie
im Masstab und damit
den Markstein sei-
ner Zeit geschaffen,
der den Abschluss des
Vorhergehenden und
den Ausgang einer
neuen Entwicklung
kennzeichnet. Aus der
Grösse seines Bau-
gedankens, aus dem
glänzenden Aufbau des
Ganzen, aus der Wucht
der Massen und der
Raumgebilde sind die
Anregungen hervorge-
gangen, welche den
Schöpfungen derfolgen-
den Jahrzehnte neue
selbständige Bahnen
wiesen.
Seine begeisterten
Schüler und Mitarbeiter,
wie Rettig, Rieth, Pfann,
Theodor Fischer, Halm-
huber und 0. Schmalz
haben diese Saat tat-
kräftig verbreitet. Er
selbst hat sein reif-
stes Kunstempfinden,
seine monumentale Ar-
chitekturauffassung in
fast zwanzigjähriger


Oberleitung: K. Minist.-Rat Frhr. v. Schacky auf Schönfeld.
Entwurf-und Bauleitung: K. Reg.- und Bau-Assessor Kaiser.

Zollgebäude in München.
Blick in die Schalterhalle.

Lehrtätigkeit an der
technischenHochschule
 
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