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preis 30 kr. ohne Postaufschlag.
Einrückungsgebiihr für die
Spaltzeile 3 kr.
D e r
Bergsträßer Bote.
Amts- und Verkündigungsblatt für das Bezirksamt Weinheim.
Fünfter Jahrgang.
S8. Weinheim, den 31. Juli L8L3.
Ueber die militärische Macht
der Türkei.
(Schluß.)
Die Bevölkerung von der Küste des Schwar-
zen Meeres bis zur Bergkette Taurus lebt großen-
teils nomadisch und besteht außer den Osmanlis
(und die uichtstreitenden Armenier und Griechen
abgerechnet) erstens aus Turkomanen, die vor den
Osmanlis das Land in Besitz nahmen und mit
ihren schwarzen Zelten bis an die Gestade des
Bosporus wanderten; und zweitens aus den Kur-
den im Osten, den Cartuchi des Alterthums,
welche den 10,000 Griechen (Xenophon's) beschwer-
lich wurden, und aus deren Schooß, im Mittel-
alter, der große Saladin zur Verteidigung des
Islam entsprang. Dieses letztere Volk besteht
teilweise aus Nomaden, die ihre Hütten im Ge-
birge verlassen, um während der Sommermonate
mit ihren Zelten und Heerden die reichen Tbäler
zu durchstreifen. Man findet sic überall zwischen
dem Ararat und den südlichen Gebirgen Persiens;
sic sind daher an die verschiedensten Klimate ge-
wöhnt und führen von Kindesbeinen auf eine Art
militärisches Leben. Die nördlichen Kurden um
den Ararat herum sind noch heute das treue Ab-
bild der mittelalterlichen Sarazenen, wie sie Sala-
din gegen die christlichen Ritter des Abendlandes
führte. Der abenteuernde Tourist stößt in den weiten
Thälern jener Gegend noch heute oft auf einen
Schwarm von Kurden, die auf hochknochigen,
magern, aber stinken Nossen einhersprcugen, Haupt
und Brust in Ningelpanzer gehüllt, die lange,
spitze Lanze in der Faust, den Krummsäbel, die
Keule oder Streitart an der Seite, während die
Häuptlinge sich durch reichern Waffenschmuck, edlere
Pferde und den weißen Neiherbusch auf dem blanken
Helm auszeichnen. Man findet die Cartuchi noch
unter den Felszacken von Bohtan und Sulamerk,
nur sind sie dort oben keine Reiter. Ihre Waffen,
Büchse und Dolch, sind beide von heimischer Fa-
brik. Ihre Ungeheuern, vielfarbigen Turbane und
glänzende Kostüme geben ihnen ein merkwürdiges
Aussehen, und ihre wilddüstern Physiognomien
verrathcn jenen Fanatismus, dem erst vor 7 — 8
Jahren viele tausend uestorianische Christen im Ge-
birge zum Opfer fielen.
Weiter im Süden finden wir dasselbe Volk,
nur trcffl'ch beritten, das vor 30 — 40 Jahren
erst Pfeil und Bogen mit der Flinte vertauschte.
Im Kampf sind sie gewöhnt, rasch ihre Rosse zu
schwenken und fliehend zu schießen, so daß sie,
gleich den alten Szythen, im Rückzug furchtbarer
sind, als im Anprall. Die über ganz Kleinasien
verbreiteten Turkomanen sind ebenfalls sehr kriege-
risch. Ihre Clans, oft viel 1000 Mann zählend,
erkennen den Sultan als Stellvertreter der Kalifen
und obersten Schirmherrn des Islam an, von
dem alle fränkischen Könige ihre Kronen als Lehen
tragen; sie sind aber faktisch vom Sultan unab-
hängig und zahlen Niemanden als ihren eigenen
Häuptlingen Steuer. Kusan Oghlou, ein turko-
manischer Häuptling, der bei Cäsarea haust, hat
20,000 Reiter unter sich, herrscht mit unum-
schränkter Gewalt über einen weiten Landstrich, und
hat den Waffen des Sultans oft erfolgreichen
Widerstand geleistet. Als irreguläre Truppen
wären diese bewaffneten Nomaden sehr nützlich.
Südlich vom Taurus finden wir zwar noch
zahlreiche Kurden- und Turkomanenmasscn, aber
das arabische Clement herrscht vor, und herrscht
weiter im Süden ausschließlich. Die Bürger und
Dörfler von Arabistan sind an den Waffenruf
nicht ungewohnt, aber, wie man wohl weiß, un-
vergleichlich sind die Beduinen überall, wo es auf
lange Märsche, plötzliche Ueberfälle, Plünderung
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Bergsträßer Bote.
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Fünfter Jahrgang.
S8. Weinheim, den 31. Juli L8L3.
Ueber die militärische Macht
der Türkei.
(Schluß.)
Die Bevölkerung von der Küste des Schwar-
zen Meeres bis zur Bergkette Taurus lebt großen-
teils nomadisch und besteht außer den Osmanlis
(und die uichtstreitenden Armenier und Griechen
abgerechnet) erstens aus Turkomanen, die vor den
Osmanlis das Land in Besitz nahmen und mit
ihren schwarzen Zelten bis an die Gestade des
Bosporus wanderten; und zweitens aus den Kur-
den im Osten, den Cartuchi des Alterthums,
welche den 10,000 Griechen (Xenophon's) beschwer-
lich wurden, und aus deren Schooß, im Mittel-
alter, der große Saladin zur Verteidigung des
Islam entsprang. Dieses letztere Volk besteht
teilweise aus Nomaden, die ihre Hütten im Ge-
birge verlassen, um während der Sommermonate
mit ihren Zelten und Heerden die reichen Tbäler
zu durchstreifen. Man findet sic überall zwischen
dem Ararat und den südlichen Gebirgen Persiens;
sic sind daher an die verschiedensten Klimate ge-
wöhnt und führen von Kindesbeinen auf eine Art
militärisches Leben. Die nördlichen Kurden um
den Ararat herum sind noch heute das treue Ab-
bild der mittelalterlichen Sarazenen, wie sie Sala-
din gegen die christlichen Ritter des Abendlandes
führte. Der abenteuernde Tourist stößt in den weiten
Thälern jener Gegend noch heute oft auf einen
Schwarm von Kurden, die auf hochknochigen,
magern, aber stinken Nossen einhersprcugen, Haupt
und Brust in Ningelpanzer gehüllt, die lange,
spitze Lanze in der Faust, den Krummsäbel, die
Keule oder Streitart an der Seite, während die
Häuptlinge sich durch reichern Waffenschmuck, edlere
Pferde und den weißen Neiherbusch auf dem blanken
Helm auszeichnen. Man findet die Cartuchi noch
unter den Felszacken von Bohtan und Sulamerk,
nur sind sie dort oben keine Reiter. Ihre Waffen,
Büchse und Dolch, sind beide von heimischer Fa-
brik. Ihre Ungeheuern, vielfarbigen Turbane und
glänzende Kostüme geben ihnen ein merkwürdiges
Aussehen, und ihre wilddüstern Physiognomien
verrathcn jenen Fanatismus, dem erst vor 7 — 8
Jahren viele tausend uestorianische Christen im Ge-
birge zum Opfer fielen.
Weiter im Süden finden wir dasselbe Volk,
nur trcffl'ch beritten, das vor 30 — 40 Jahren
erst Pfeil und Bogen mit der Flinte vertauschte.
Im Kampf sind sie gewöhnt, rasch ihre Rosse zu
schwenken und fliehend zu schießen, so daß sie,
gleich den alten Szythen, im Rückzug furchtbarer
sind, als im Anprall. Die über ganz Kleinasien
verbreiteten Turkomanen sind ebenfalls sehr kriege-
risch. Ihre Clans, oft viel 1000 Mann zählend,
erkennen den Sultan als Stellvertreter der Kalifen
und obersten Schirmherrn des Islam an, von
dem alle fränkischen Könige ihre Kronen als Lehen
tragen; sie sind aber faktisch vom Sultan unab-
hängig und zahlen Niemanden als ihren eigenen
Häuptlingen Steuer. Kusan Oghlou, ein turko-
manischer Häuptling, der bei Cäsarea haust, hat
20,000 Reiter unter sich, herrscht mit unum-
schränkter Gewalt über einen weiten Landstrich, und
hat den Waffen des Sultans oft erfolgreichen
Widerstand geleistet. Als irreguläre Truppen
wären diese bewaffneten Nomaden sehr nützlich.
Südlich vom Taurus finden wir zwar noch
zahlreiche Kurden- und Turkomanenmasscn, aber
das arabische Clement herrscht vor, und herrscht
weiter im Süden ausschließlich. Die Bürger und
Dörfler von Arabistan sind an den Waffenruf
nicht ungewohnt, aber, wie man wohl weiß, un-
vergleichlich sind die Beduinen überall, wo es auf
lange Märsche, plötzliche Ueberfälle, Plünderung