66 DEMOSTHENES
in dem zweiten Kopf wirklich Aeschines gemeint sein konnte, eine
Kontrolle der Originale aber kaum je stattfand, so blieb die Aufstellung
im Ganzen ziemlich unangefochten. Nur aus der Art, wie Matz und
Duhn (a. a. O.) das Medaillon besprechen, ohne auf einen Namen
einzugehen, könnte man eine Missbilligung der Deutung ent-
nehmen. Nachdem nun aber auf Veranlassung Studniczka's photo-
graphische Aufnahmen der beiden Denkmäler gemacht worden
sind, stellt sich deutlich heraus, dass die Abbildung bei Vis-
conti ungenau, und wie man fast glauben muss, absichtlich dem
Aeschinestypus assimiliert ist. In Wahrheit ist der Medaillonkopf auf
dem Scheitel viel kahler, sind die Brauen bei ihm gewölbter und
gleichmässiger gerundet, treten die Haare nur an den Schläfen, unten
nicht mehr, in einer dichteren Masse hervor. Er hat im Gegensatz
zu den oben aufgezählten Köpfen einen freundlich anmutenden Aus-
druck und eine hohe lysippisch gebildete Stirn. Er möchte daher wohl
mit Unrecht unter die Aeschinesdarstellungen geraten sein.
Ohne Zweifel nur zufällig dem Aeschines ähnlich die Figur mit
nacktem Oberleib auf einem Hochrelief in Catania (abgeb. Arndt-
Amelung Einzelaufn. Ser. III. 764), welche ihre rechte Hand an eine
bärtige Herme legt.
Demosthenes1
[Taf. XI. XII]
Demosthenes (384—322), der grösste Redner und Staatsmann
und der beste Patriot des untergehenden Griechenlands, schien von
der Natur nicht zu seinem Beruf prädestiniert. Er hatte eine schwer-
fällige Zunge, eine schwache, für die Volksversammlung unzureichende
Stimme und linkische Geberden. Durch Beharrlichkeit und eisernen
Fleiss wusste er alle Schwierigkeiten zu überwinden. Zuerst Sach-
walter für Andere, dann für sich selber, seit 354 politischer Volks-
redner, setzte er seine Lebensaufgabe in die Bekämpfung Philipps
von Makedonien, musste aber schliesslich unterliegen, weil die er-
1 Hauptschriften: Schröder Über die Abbildungen des Demosthenes mit Bezug
auf eine antike Bronzebüste zu Braunschweig. Gymn. Programm von Braunschweig
1842. — A. Michaelis Die Bildnisse des Demosthenes, in Schäfers Demosthenes
und seine Zeit 2. Ausg. 1887, 3. Band p. 401 ff., wo auch gleich anfangs die übrige
Litteratur angegeben.
in dem zweiten Kopf wirklich Aeschines gemeint sein konnte, eine
Kontrolle der Originale aber kaum je stattfand, so blieb die Aufstellung
im Ganzen ziemlich unangefochten. Nur aus der Art, wie Matz und
Duhn (a. a. O.) das Medaillon besprechen, ohne auf einen Namen
einzugehen, könnte man eine Missbilligung der Deutung ent-
nehmen. Nachdem nun aber auf Veranlassung Studniczka's photo-
graphische Aufnahmen der beiden Denkmäler gemacht worden
sind, stellt sich deutlich heraus, dass die Abbildung bei Vis-
conti ungenau, und wie man fast glauben muss, absichtlich dem
Aeschinestypus assimiliert ist. In Wahrheit ist der Medaillonkopf auf
dem Scheitel viel kahler, sind die Brauen bei ihm gewölbter und
gleichmässiger gerundet, treten die Haare nur an den Schläfen, unten
nicht mehr, in einer dichteren Masse hervor. Er hat im Gegensatz
zu den oben aufgezählten Köpfen einen freundlich anmutenden Aus-
druck und eine hohe lysippisch gebildete Stirn. Er möchte daher wohl
mit Unrecht unter die Aeschinesdarstellungen geraten sein.
Ohne Zweifel nur zufällig dem Aeschines ähnlich die Figur mit
nacktem Oberleib auf einem Hochrelief in Catania (abgeb. Arndt-
Amelung Einzelaufn. Ser. III. 764), welche ihre rechte Hand an eine
bärtige Herme legt.
Demosthenes1
[Taf. XI. XII]
Demosthenes (384—322), der grösste Redner und Staatsmann
und der beste Patriot des untergehenden Griechenlands, schien von
der Natur nicht zu seinem Beruf prädestiniert. Er hatte eine schwer-
fällige Zunge, eine schwache, für die Volksversammlung unzureichende
Stimme und linkische Geberden. Durch Beharrlichkeit und eisernen
Fleiss wusste er alle Schwierigkeiten zu überwinden. Zuerst Sach-
walter für Andere, dann für sich selber, seit 354 politischer Volks-
redner, setzte er seine Lebensaufgabe in die Bekämpfung Philipps
von Makedonien, musste aber schliesslich unterliegen, weil die er-
1 Hauptschriften: Schröder Über die Abbildungen des Demosthenes mit Bezug
auf eine antike Bronzebüste zu Braunschweig. Gymn. Programm von Braunschweig
1842. — A. Michaelis Die Bildnisse des Demosthenes, in Schäfers Demosthenes
und seine Zeit 2. Ausg. 1887, 3. Band p. 401 ff., wo auch gleich anfangs die übrige
Litteratur angegeben.