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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0052

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42

Die Maler.

61 das ungerechteste, welches je über Kunst gefällt worden ist, wenn dadurch die
Werke der polygnotischen Schule als einer eingehenden Betrachtung kaum
würdig hingestellt werden sollten. Allein — sie waren eben keine tabulae,
sondern Wandgemälde. Das ist meine Ueberzeugung in dieser vielbesprochenen
Frage: vor Apollodor überwiegt die Wandmalerei in solchem Maasse, dass von
Tafelgemälden kaum die Rede ist; nach Apollodor ist das Umgekehrte der
Fall; nur hört die Wandmalerei nicht auf, sondern sie tritt nur als für beson-
dere Zwecke und Aufgaben geeignet, mehr in den Hintergrund. Die verschie-
denen Seiten dieser Frage sind von Letronne !), Roul Rochette -) und Welcker 3)
in solcher Ausführlichkeit erörtert worden, dass ich mich mit Beseitigung alles
dessen, was eine Deutung nach beiden Seiten zulässt, auf wenige entscheidende
Punkte werde beschränken dürfen.

Als der unumstösslistche Beweis für die Ansicht, dass Polygnot seine grossen
Kompositionen nicht auf die Wand, sondern auf Tafeln gemalt habe, werden
zwei Stellen des Synesius 4) hingestellt: xal rr)v sv ij Zijvcav eqptXoaoqcfii TToixiXtjv,
vvv ovy.ET otioav IlquäXijVi 'O ydg dv&vnatog rag aavldag arpstXsro' tnsiTa sxü-
Avasv avtqvg (<fii'koa6(povQ) snl aocplq. uet^ov yoovslv. Und: (5 ydg dvd~vnaxoQ rag
ffctvidag dcpeLXero, alg sy/.areß'STo r?)v reyryrjv 6 ex Odaov YloKvyvotriJc. Diese
Angaben scheinen allerdings so positiv wie möglich; um jedoch jede Erörterung
abzuschneiden, würden sie nur dann genügen, wenn etwa gesagt wäre: der
Proconsul nahm die Tafeln weg und brachte sie nach einem andern Orte. Allein
es handelt sich hier keineswegs um einen Kunstraub, sondern um christlichen
Fanatismus, welcher die Werke der alten Kunst zerstört, weil sie dem neuen
Glauben anstössig sind. Erinnern wir uns nur kurz der historischen Verhält«
nisse: Himerius erwähnt das Gemälde der marathonischen Schlacht in der Poe-
kile als noch existirend, Synesius als nicht mehr vorhanden. Mit grosser Wahr-
scheinlichkeit vermuthet daher Letronnes), dass das Edict des Theodosius gegen
den Paganismus im J. 391 den Grund zur Vernichtung gegeben habe. Erst
elf Jahre später kam Synesius nach Athen, hatte also die Bilder selbst nicht

62 mehr gesehen; ja noch mehr: der erste der erwähnten Briefe ist noch nicht
einmal aus Athen datirt; Synesius berichtet also nicht über eine Begebenheit,
die er am Orte selbst erfahren hatte, die sich, also bei der Anschauung der
Localität auch mit ihren Nebenumständen dem Gedächtnisse leicht hätte ein-
prägen können. Die ganze Erwähnung der Gemälde ist ihm nur Nebensache:
er ärgert sich über den Stolz der Philosophen, welche den Gipfel der Weisheit
schon erreicht zu haben wähnten, wenn sie nur in Athen sich eine Zeit lang
aufgehalten hätten. Ihr ganzer Ruhm bestehe darin, dass sie die Akademie,
das Lykeion, die Poekile gesehen hätten. Das sei aber ein Ruhm ganz abson-
derlicher Art: denn die Poekile sei nicht einmal mehr, was sie heisse, eine
bunte Halle. Dieser Herrlichkeit habe der Proconsul ein Ende gemacht: nem-
lich die Bretter weggenommen und die Philosophen hinausgejagt. Als nun
Synesius selbst nach Athen kommt, da schreibt er wieder: mit Athens Glanz
sei es vorbei, und flucht auf den Schiffer, der ihn hingebracht. Von Athen sei,

!) Lettres il'un antiquaire ä im artiste. 2) Peintures antiques inedites. 3) Allg. Litt.
Zeit. 1836, N. 173 fg. -1) ep. 54 und 135. 5) S. 202.
 
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