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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0053

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II. Polygnotos und seine Zeitgenossen.

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wie von einem Opferthiere, nur noch das Fell ohne Fleisch und Knochen übrig;
nur die Namen der Orte seien noch geblieben; und nicht die Philosophen, nein,
die Honighändler hätten jetzt Athen inne. Die ganze Beschreibung ist voller
Spott; und in spöttischer Absicht ist auch der Ausdruck oavidaq gewählt, wie
er in ähnlichem verächtlichem Sinne auch bei einem andern Kirchenschriftsteller
sich findet1). 2avlg wird sonst nicht von Gemälden gebraucht, so wenig wie
das deutsche „Brett". Synesius nun mochte sich die Poekile als eine Gemälde-
galerie vorstellen, wie sie zu seiner Zeit üblich waren, etwa wie die in seinem
Encomium calvitiei2) erwähnte im Museion. Dort gab es Philosophenbilder.,
aufweiche die Philosophen in ihren Unterredungen zuweilen Rücksicht nehmen
mochten. An sich hatten nun freilich die Stoiker mit den Gemälden der Poe-
kile nichts zu thun; aber da sie dieselben stets vor Augen hatten, so mochten
z. B. namentlich die Marathonskämpfer in ihren Gesprächen häufig eine grosse
Rolle spielen Diese fortwährende Erinnerung an die alte Zeit, welche dem
neueindringenden Christenthume nur Aergerniss darbot, sollte nun durch die 03
Vernichtung der Bilder unterdrückt werden. Indem dies Synesius erzählt, kommt
es ihm keineswegs darauf an, den Stoff, auf dem die Bilder gemalt waren,
näher zu bestimmen: er will nur witzig sein und spottet über die bunte, nicht
mehr bunte Halle, wie über die Bretter, an denen, so zu sagen, die Weisheit
jener Philosophen klebte, die er aber selbst, wie gesagt, nie mit eigenen Augen
gesehen hatte. — So dürfen wir denn nach, dem ganzen Zusammenhange auf
einen einzelnen spöttischen Ausdruck bei Synesius für die Entscheidung der
vorliegenden Frage kein Gewicht legen.

Noch schwächer scheint mir ein zweites Zeugniss, durch welches die Gel-
tung der Tafelmalerei auch für die ältere Zeit bewiesen werden soll, der Aus-
spruch des Plinius riemlich: dass es keinen Ruhm für Künstler gebe, ausser für
die, welche „tabulas" gemalt hätten: sed nulla gloria artificum est, nisi eorum,
qui tabulas pinxere '). Wenn je, so ist es hier nöthig, den ganzen Zusammen-
hang ins Auge zu fassen. Plinius sagt etwa folgendes: „Unter andern berühmten
Malern darf ich auch Ludius nicht vergessen: er hat sich durch einen von ihm
erfundenen Decorationsstyl berühmt gemacht. Doch bildet er freilich nur eine
Ausnahme; denn sonst gebührt der Ruhm doch nur den Künstlern, welche
eigentliche Bilder malten." Dies will ungefähr eben so viel sagen, als wenn
ein Neuerer schriebe: „Raphael und Guilio Romano haben zuweilen auch im
Decorationsstyl gearbeitet, ja Giovanni da Udine hat in diesem allein sich seinen
Ruhm erworben; aber dieser Fall bildet nur eine Ausnahme, während sonst
diese Gattung der Malerei nur eine untergeordnete Bedeutung hat." Dass es
sich aber bei Plinius einzig um den Gegensatz zwischen Decorationsstyl und
förmlichen Gemälden handelt, lehren auch die folgenden Worte: eo venerabilior
antiquitatis prudentia adparet; non enim parietes excolebant dominis tantum.
Eben so war es in der neueren Kunst vor Raphael: und doch malte man gerade da-
mals vorzüglich in Fresco, freilich nicht in Privathäusern: nondum libebat parietes
totos pingere ; wohl aber an öffentlichen Orten, wo die solide Steinconstruction auch
gegen die von Plinius offenbar nur im Hinblick auf Privatwohnungen befürchtete 64

1) Theodorct. bist, eccles. 1,1. 2) p- 6g u. petav. 3) vgl. z. B. Pers. III, 53. l) 35, 118.
 
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