Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0072

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
62

Die Maler.

aliquid penicillum ad magnam gloriam perdüxit. Dieses allgemeine Lob enthalt
aber seine nähere Begrenzung, durch QuintilianJ), welcher als sein Verdienst
oder, wie er sich ausdrückt, als seine Erfindung die Lehre von Licht und
91 Schatten hinstellt: luminum umbrarumque rationem invenisse traditur. Dass
Apollodor ihm darin vorangegangen, haben wir bereits früher erörtert. Wir wer-
den daher das Verdienst des Zeuxis am richtigsten würdigen, wenn wir einen
besondern Nachdruck auf das Wort ratio legen, welches einschliesst, dass Zeuxis
nicht mehr blos versuchsweise und rein empirisch, sondern schon nach be-
stimmten Principien verfuhr. Von diesem Punkte bis zur höchsten Vollendung
und bis zu theoretischer Durchbildung blieb freilich wohl immer noch ein weiter
Weg zu durchmessen übrig; und hieraus mag es sich allenfalls rechtfertigen,
wenn Cicero2) den Zeuxis und Timanthes mit Polygnot zusammen den Zeit-
genossen Alexanders d. Gr. gegenüberstellt. Wenn er aber den Unterschied
näher dahin bestimmen will, dass an jenen älteren Künstlern Formen und
Zeichnung zu loben seien, während sie zum Malen sich nur erst der vier Haupt-
farben bedient, so würde dies streng wörtlich genommen so sehr im Wider-
spruche mit allen übrigen Zeugnissen stehen, dass wir darin nur eine Hindeu-
tung auf die verhältnissmässig noch grosse Einfachheit des Golorits zu sehen
vermögen, welche die Anwendung künstlicher, vielfach zusammengesetzter
Farbenstoffe noch nicht kannte. Erinnern wir uns hier nur nochmals der ge-
malten Trauben, so muss es uns von selbst einleuchten, dass bei ihnen die
Illusion allein auf der malerischen Behandlung beruhen konnte, auf der Dar-
stellung des Farbenspieles, welches sich an der Traube in doppelter Weise,
theils durch die besondere Beschaffenheit der Haut, welche die wirkliche Farbe
bricht und nur durchschimmern lässt, theils durch die Wirkungen von Licht,
Schatten und Reflexen bilden muss. Jener ganze Ruhm aber in der Führung
des Pinsels, gloria penicilli, wie wäre er möglich bei dem simplex color, wie
Quintilian ihn nennt, d. h. bei einem Auftrag der Farben in einfachen, unge-
brochenen Tönen ohne Licht und Schatten? Vielmehr müssen wir, um das Ver-
hältniss des Zeuxis zu Polygnot vollständig zu begreifen, von der Verschieden-
heit in der Behandlung der Farbe als grundsätzlichem und ursprünglichstem
Gegensatze ausgehen. Denn während in der Kunst des Polygnot die ganze
92 Darstellung eigentlich auf der Zeichnung, auf Linien, beruht, handelt es sich
bei Zeuxis um das Malen: darum, das Verhältniss verschiedener Flächen zu
einander vermittelst der Farbe unter dem Einflüsse von Licht und Schatten dar-
zustellen. Die Linie aber leitet ihrem Wesen nach auf Strenge und Schärfe
der Begrenzung hin; durch Verbindung von Flächen dagegen sollen Körper in
ihrer Rundung und Masse dargestellt werden. Hieraus scheint sich mir von
selbst zu erklären, weshalb da, wo der malerische Vortrag zu überwiegen be-
ginnt, sich das zu entwickeln pflegt, was man gewöhnlich als eine breitere
Manier bezeichnet: eine Behandlungsart, welche weniger ängstlich und scharf
das Detail der Formen ausbildet, als die Massen, wie sie sich unter dem Ein-
fluss des Lichtes gliedern, im Grossen einander gegenübergestellt. Demnach
muss aber die malerische Auffassung, so sehr sie auch von der Farbe ausgeht,

!) XII. 10. -') Brut. 1«.
 
Annotationen