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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0073

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III. Die Maler zur Zeit des peloponnesischen Krieges. 63

doch schliesslich auf die Behandlung der Form einen wesentlichen Einfluss aus-
üben; und wir dürfen es wohl versuchen, mit Hülfe dieser Beobachtung' die
Widersprüche in einigen Nachrichten der Alten über die Proportionen des Zeuxis
zu lösen. Zuerst sagt nemlich Plinius: Zeuxis werde getadelt als zu gross in
den Köpfen und den Gliedern: reprehenditur tarnen ceu grandior in capitibus
articulisque Dieser selbe Vorwurf aber erscheint bei Quintilian in ein Lob
umgewandelt: Zeuxis gab den Gliedern mehr Masse, indem er es so für voller
und stattlicher hielt, und. wie man meint, dem Homer folgte, dem gerade kräf-
tige Formen auch an den Frauen gefallen: nam Zeuxis plus membris corporis
dedit. id amplius atque augustius ratus, atque, ut existimant, Homerum se-
cutus, cui validissima quaeque forma etiam in feminis placet2). Den Wider-
spruch dieser beiden Nachrichten könnte man durch einen vergleichenden Blick
auf die Geschichte der Bildhauer zu lösen geneigt sein. Wie wir dort3) zwi-
schen den quadraten, kräftigeren Proportionen des Polyklet und den schlankeren
des Lysipp in der Mitte die des Euphranor einem ähnlichen Tadel ausgesetzt
finden, so könnten wir Zeuxis mit diesem letzteren auf eine Stufe zu stellen
geneigt sein. Schlagender jedoch, wie ich glaube, wird der Vergleich mit einem
neueren Künstler sich erweisen, nemlich mit Raphael. Niemand, der Werke 93
Raphaels aus der Zeit seiner vollsten und freiesten Entwicklung betrachtet hat,
wird den kräftigen Bau, namentlich die kräftigen Arme seiner Frauengestalten
aus dem Gedächtnisse verloren haben, für welche man gewöhnlich das mann-
hafte Geschlecht der Trasteverinerinnen als Vorbild anzuführen pflegt. Je nach
dem verschiedenen Standpunkte der Beschauer nun kann man über diese Eigen-
tümlichkeit entweder das Urtheil des Plinius oder das des Quintilian sich
wiederholen hören: das tadelnde aus dem Munde derer, welche in einer ge-
wissen knappen und exaeten Zeichnung das höchste Verdienst erkennen, das
lobende von denen, welche jene breite Manier der malerischen Behandlung als
aen grüssten Vorzug preisen. Ganz auf dieselbe Weise erklärt sich denn auch
der Widerspruch in der Beurtheilung des Zeuxis.

So dürfen wir es nun zuversichtlicher aussprechen, dass Zeuxis in seiner
ganzen Thätigkeit von einer überwiegenden Berücksichtigung des Malerischen
ausging, wodurch er mit Nothwendigkeit darauf hingeführt wurde, vor allem die

äussere Erscheinung der Dinge zu beachten und auf Illusion hinzuarbeiten.

p

f erscheint dabei als durchaus naturgemäss, wenn diese Richtung des Zeuxis
nicht einzig auf die technische Seite seiner Kunst, auf die Ausführung beschränkt
hlieb, sondern ihren Einfluss überhaupt in seiner ganzen Auffassung zeigte.
Sie lenkte die Aufmerksamkeit des Künstlers von der höheren ethischen Be-
deutung des Kunstwerks ab und veranlasste ihn, dafür in Darstellungen Ersatz
zu suchen, welche durch eine gefällige äussere Anordnung, sowie durch eine
geschickte Wahl des Moments und der Situationen anzogen und überraschten.
Allein so gewandt sich auch Zeuxis hierin erwies, so konnte er doch damit für
den Mangel an tieferem geistigen Gehalte nicht entschädigen, sondern den Be-
schauer höchstens darüber täuschen.

Nachdem wir die künstlerische Wirksamkeit des Zeuxis nach ihren ein-

J) 35, 64. -') XII, 10. 3) Th. i; s. 922.
 
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