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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0140

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130

Die Maler.

dagegen Euphranor das Verhältniss umkehrte und den Körper schmächtiger,
die äussern Glieder massiger bildete, so wird auch seine Absicht dabei die um-
gekehrte gewesen sein: er glaubte seinen Figuren den Ausdruck grösserer Kraft
zu verleihen, indem er die Glieder als die Werkzeuge der Kraftäusserung in
ihrer Bildung bevorzugte. "Was also als ein Mangel gerügt wird, das erscheint
seinem Ursprünge nach als eine Aeusserung der realistischen Grundrichtung
des Künstlers, welche nur immer mehr bestätigt, wie auf diesem Wege sich die
Aufmerksamkeit von den inneren Gründen der Dinge ab auf die Darstellung
des sinnlich und äusserlich Wahrnehmbaren wandte. In diesem Sinne haben
wir derjenigen Periode in der Geschichte der Bildhauer, an deren Spitze für uns
1!)3 Euphranor steht, ein Streben nach äusserer Wahrheit zugeschrieben, welches
bei den Begründern dieser Richtung nur erst in seinen Keimen nachweisbar
ist, dafür aber nur eine Generation später, bei einigen Schülern des Praxiteles
und Lysipp, um so schärfer und in voller Entwickelung hervortritt. Dass auch
in der Malerei ähnliche Verhältnisse obwalteten, werden wir, wenn auch nicht
so bestimmt an den Schülern des Euphranor, um so deutlicher an den Schülern
eines Schülers wahrnehmen.

Von den Ersteren vermögen wir, da über Charmantides und Leoni-
das ausser den früher angeführten keine Nachrichten vorhanden sind, nur An-
tidotos einer etwas genaueren Betrachtung zu unterwerfen:

An ti d o t o s,

der dritte Schüler des Euphranor, ist nur aus einer Stelle des Plinius (35, 130)
bekannt. „Von ihm ist ein Kämpfer mit dem Schilde zu Athen, ein Ringer,
und ein wie weniges Andere gerühmter Trompeter." Seine Kunstrichtung be-
zeichnet Plinius kurz mit den Worten: ipse diligentior quam numerosior et in
coloribus Severus. So gering diese Nachrichten sind, so gewähren sie uns doch
ein zwar einfaches, aber klares Bild vom Charakter des Antidotos. Die Sorg-
falt der Durchführung steht mit dem Mangel an Fruchtbarkeit in deutlicher
Wechselbeziehung. Wollen wir aber, was der Ausdruck des Plinius allerdings
erlaubt, lieber an einen Mangel an Mannigfaltigkeit in der Wahl der Gegen-
stände denken, so findet auch diese Deutung in den uns bekannten drei sehr
gleichartigen Werken ihrer Unterstützung. Zugleich erkennen wir in iher Wahl
den Einfluss der Schule, aus welcher der Künstler hervorging, insofern die
durch die Handlung bedingte Erregtheit zwar nicht eine Tiefe des Gefühls,
wie bei Aristides, voraussetzt, dagegen aber eine realistische Darstellung phy-
sischer Thätigkeiten und Kräfte, wie bei Euphranor, um so mehr begünstigen
musste. Die Strenge der Farben endlich lässt sich aus verschiedenen Ursachen
herleiten. Wir haben sie schon früher einmal, bei Nikophanes, mit einer grossen
Sorgfalt der übrigen Durchführung gepaart gefunden. Bedenken wir aber, dass
ein gleicher Vorwurf auch dem Aristides gemacht wurde, so dürfen wir uns
wohl zu der Ansicht hinneigen, dass diese ganze, mehr auf die Darstellung des
194 Ausdrucks bedachte Schule bis auf Antidotos dem Glanz und dem Schmelz des
Colorits eine weniger hervorragende Bedeutung beigelegt habe; wenn auch
immer Euphranor, wie aus der Aeusserung über seinen Theseus hervorgeht,
nach einer kräftigen Farbe streben und in der Färbung einzelner Theile, wie
des Haars seiner Hera, sogar ausgezeichnet sein mochte.
 
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