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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0144

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Die Maler.

die Wahl malerischer Stoffe durch Demetrius Phalereusx) überliefert worden:
„Nikias sagte, auch das sei kein kleiner Theil der Malerkunst, dass man sich
einen bedeutenden Stoff zum Malen ersehe und nicht seine Kunst an Kleinig-
keiten zersplittere, wie an Vögeln oder Blumen: vielmehr Reiter- und Seetreffen
solle man wählen, wo sich viele Stellungen von Pferden zeigen lassen, wie sie
laufen, sich bäumen, niederhocken; wo Viele Speere werfen, Viele auch von den
Pferden herabfallen. Er meinte nemlich, dass der Stoff selbst einen Theil der
Malerkunst ausmache, wie bei den Dichtern die Mythen." Vergleichen wir nun
diesen Ausspruch mit dem Verzeichnis der uns bekannten Werke, so werden
wir ein gewisses Befremden nicht unterdrücken können. Denn kein Schlacht-
199 bild findet sich unter ihnen, überhaupt kein Bild, auf welches die vom Künstler
selbst aufgestellten Forderungen Anwendung zu erleiden scheinen. Sollte also
Nikias etwa eine Theorie aufgestellt haben, welche zu befolgen er selbst die
Kraft nicht in sich fühlte? Gewiss ist dies nicht glaublich: und so dürfen wir
wohl den Ausweg annehmen, den uns Philostratus2) durch die Beschreibung
eines Gemäldes der Befreiung der Andromeda bietet, welches sich von den sonst
bekannten Darstellungen dieses Mythus auf sehr bemerkenswerthe Weise unter-
scheidet. Das Meerungeheuer liegt getödtet am Ufer und färbt mit seinem Blute
die Wellen des Meeres. Eros, als Jüngling gebildet, hat dem Perseus im Kampfe
beigestanden, und noch aufgeregt davon ist er beschäftigt, die Bande der An-
dromeda zu lösen, welche noch furchtsam, aber doch zugleich schon erfreut
erscheint. Perseus, vom Kampfe ermattet und von Schweiss triefend, liegt im
Grase, und während sein Blick auf der Jungfrau ruht, bringen ihm die schwarzen
äthiopischen Hirten erfreut ihre Huldigungen dar und reichen ihm zur Stärkung
Milch und Wein. Die Eigenthümlichkeit der Gomposition fiel schon Welcher
auf; und sie weicht allerdings nicht nur von den sonst bekannten Darstellungen
desselben Gegenstandes gänzlich ab, sondern unterscheidet sich ihrer ganzen
Auffassung nach sogar von der grösseren Masse aller uns erhaltenen Gemälde.
Dagegen entspricht sie vollkommen der Forderung des Nikias, dass der Künstler
Gegenstände wählen solle, welche eine reiche Entfaltung mannigfacher drama-
tischer Motive begünstigen. Dass Philostratus die Gomposition des Nikias be-
schreibe, wird freilich durch kein äusseres Zeugniss bestätigt; legen wir aber
innern Gründen ein Gewicht bei, so kann kaum noch ein Zweifel daran bei
uns aufkommen. Denn auch abgesehen von der Auffassung des Ganzen lässt
sich die eigenthümliche Motivirung und Darstellung der einzelnen Figuren nir-
gends besser erklären, als bei einem Künstler aus der Schule des Euphranor;
ja die realistische Richtung, welche wir diesem Letztem beigelegt haben, tritt
uns eigentlich erst durch die Beschreibung des Philostratus in einem concreten
Beispiele vor Augen. Die geröthete Schulter des Perseus mit ihren von der An-
200 strengung geschwollenen Adern, welche vor der elfenbeinernen des Pelops den
Vorzug verdienen sollte, zeigt uns, in welchem Sinne Euphranor seinen rind-
fleischgenährten Theseus dem rosengenährten des Parrhasios gegenübergestellt
haben mag. Ueberall soll die Grösse des Sieges durch die Anstrengungen
deutlich gemacht werden, welche er gekostet hat. Nicht genug, dass Perseus

i) elocut. 70. 2) I, 29.
 
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