Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0164

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
154

Die Maler.

Grundfarbe eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf Licht und Schatten. Har-
moge, der Uebergang aus dem Localton einer Seits in das Licht, anderer Seits
in den Schatten, ist mit Recht von diesen geschieden als besonderer Ton, da
er sich keineswegs immer ganz einfach aus der Verbindung des Lichtes oder
Schattens mit dem Localton bilden lässt, sondern nur beiden verwandt sein
muss, um den etwaigen Gegensatz zwischen ihnen zu vermitteln. Zu diesen
Abstufungen fügt nun Plinius endlich noch den splendor, „etwas anderes als
Licht", aber offenbar doch diesem am nächsten verwandt, und keineswegs, wie
Müller1) will, mit dem Localton zu verwechseln. Wir mögen daher den Aus-
druck streng wörtlich auffassen und zunächst Glanzlichter verstehen, die beson-

229 dere Art von Lichtern, welche sich an glänzenden Körpern bilden, mögen es
nun volle Lichter sein oder Reflexe. Es soll nun keineswegs behauptet werden,
dass die Beobachtung solcher Lichter ein ausschliessliches Verdienst des Apelles
gewesen sei: sein Mitschüler Pausias z. B. musste nach dem, was über sein
Stieropfer, über die Glasschale der Methe berichtet wird, gerade nach dieser
Richtung sich auszeichnen; aber das müssen wir festhalten, dass, ohne das
feinste Verständniss aller dieser Licht- und Farbenwirkungen bei Apelles vor-
auszusetzen, das Lob und die Bewunderung vieler seiner Bilder nicht wohl zu
begreifen sein würde. Vor allem gehören hierher Darstellungen, wie die des
Blitzes, aber auch die immer wiederkehrende Bewunderung des Haares der
Anadyomene, aus welchem die Göttin die Feuchtigkeit des Meeres ausdrückt,
deutet auf ein hohes Verdienst gerade nach dieser Richtung hin.

Die einzelnen Angaben, auf welchen unsere bisherigen Bemerkungen be-
ruhen, reichen nun allerdings nicht hin, um über die Behandlung der Farbe bei
Apelles ein eingehendes und abgerundetes Urtheil aufzustellen. Sie laufen auf
Einzelnheiten hinaus, welche in ihrem ganzen Umfange zu würdigen uns die
allgemeine Grundlage fehlt. So ergeben sich für unsern vorliegenden Zweck
eigentlich nur zwei Punkte von allgemeiner Bedeutung zur Würdigung des
Künstlers, nemlich einer Seits die Thatsache, dass seine Werke auch hinsicht-
lich der Farbe zu dem Vollendetsten gehörten, was die griechische Kunst ge-
leistet, anderer Seits dass diese Vollendung auf einer bei aller Einfachheit der
Mittel doch höchst durchgebildeten und verfeinerten Technik beruhte.

Wir erinnern jetzt daran, dass das Ergebniss unserer Bemerkungen über
die Zeichnung durchaus hiermit übereinstimmend lautete, um uns nun noch
ausdrücklich die Frage nach dem Ursprünge solcher Vortrefflichkeit vorzulegen.
Die Antwort lautet, wie sie in ähnlichen Fällen eigentlich nie anders lauten
kann : das Höchste nach irgend einer Richtung hin wird stets nur erreicht werden
durch die Verbindung von natürlicher Befähigung mit gründlicher Ausbildung.

Wir dürfen es für die künstlerische Entwickelung des Apelles keineswegs
gering anschlagen, dass er es nicht verschmähte, selbst als ein nicht mehr un-

230 gebildeter Künstler sich in die Schule von Sikyon zu begeben. Gerade des-
halb, weil er aus freiem Antrieb diese Schule zu seiner höheren Ausbildung
wählte, müssen wir um so mehr von seinen Bestrebungen überzeugt sein, sich
alle die Vorzüge, durch welche sie Yor andern ausgezeichnet war, anzueignen.

!) Arch. § 319.
 
Annotationen