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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0181

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IV. Die Maler vom Ende des peloppnn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 171

Wahl der Stoffe, in der Gliederung der Handlung, in der Schilderung von Zu-
ständen des Geistes und Gemüthes entziehen können? Bei Theon dagegen
äussert sich der Einfluss der scenischen Darstellung als solcher: er übertrug in
seine Kunst den Büh n en e ff ec t, wie er denn ja seinen gemalten Krieger mit
dem lebendigen Trompeter eine vollständige Theaterscene aufführen Hess. Wir
wissen nicht, in welchem Verhältnisse bei Theon die Durchführung' im Einzelnen
zur Erfindung des Ganzen stand. Im Allgemeinen wird jedenfalls zugegeben
werden, dass solche Effecte bestehen können ohne eine vollendete Durchbildung
in Hinsicht auf Technik sowohl, als auf die feineren geistigen Bezüge, ja noch
mehr, dass solche Effecte häufig sogar zu einer Vernachlässigung derselben
führen. Hieraus aber ergiebt sich der Standpunkt für die Würdigung des Theon:
derjenigen künstlerischen Richtung gegenüber, welche zu einseitig auf die for-
melle Durchbildung den höchsten oder ausschliesslichen Werth legte, einer Rich-
tung, welcher in gewissem Sinne selbst Apelles und Protogenes angehören, er-
scheint das Bestreben des Theon, vor allem durch Leben und Bewegung, durch
Handlung die geistigen Kräfte des Beschauers in Spannung zu setzen, als ein
Verdienst. Erwägen wir dagegen, dass das höchste Ziel der Kunst nur in einer
harmonischen Verschmelzung dieser beiden entgegengesetzten Richtungen liegen
kann, so muss auch wiederum ein zu schroffes Hervorheben der letzteren, zumal
wenn sie mehr äussere Wirkung, als innere Tiefe bezweckt, der Kunst zum
Nachtheil gereichen. Wir wissen, wie gesagt, nicht, bis zu welchem Punkte
beide Richtungen in den Werken des Theon vermittelt erschienen; doch konnten
wir nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, dass in seiner stark hervor-
tretenden Eigenthümlichkeit Keime zum Guten sowohl, wie zum Schlimmen für
die fernere Entwickelung der Kunst enthalten lagen.
Unmittelbar vor Theon nennt Plinius

T h e o r o s, 255
in den früheren Ausgaben als Theodoras angeführt. Seine Werke sind: ein sich
Salbender, die Ermordung der Klytaemnestra und des Aegistbos
durch Orestes; der trojanische Krieg auf mehreren Tafeln zu Rom in den
Portiken des Philippus, ferner Kassandra im Heiligthum der Concordia,
Leontion, des Epikur Geliebte, im Nachdenken versunken, der König D e-
metrios1). Theoros gehört also als Zeitgenosse des Demetrios und Epikur in
die Epoche der hier behandelten, bis in die Zeit der ersten Nachfolger Alexanders
thätigen Maler. Hinsichtlich des künstlerischen Verdienstes steht er bei Plinius
mit Theon in einer Klasse. Er malt aber auch, wie dieser, den Muttermord des
Orestes. Sollte uns das Zusammentreffen dieser Umstände nicht auf den Ver-
dacht führen, dass wir es hier nicht mit zwei, sondern mit einem und dem-
selben Künstler zu thun haben? Die Form der Zusammenstellung bei Plinius
namentlich in den alphabetischen Verzeichnissen ist äusserst locker; und gerade
in diesen Abschnitten wird er, aus verschiedenen Quellen sammelnd, häufig
Nachträge einzufügen nöthig gehabt haben. Die Gorruption des Namens Theon
in Theorus, namentlich wenn dabei etwa der griechische Genitiv Qecnvoq in Be-
tracht kam, ist äusserst leicht, so dass dieser Irrthum des Plinius weit verzeih-

!) Plin. 35, 144.
 
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