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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0229

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Historischer Ueberblick.

219

sie die ersten gewaltigen Manifestationen eines zu vollem Bewusstsein durch-
gedrungenen Kunstgefühls sind. Durch sie hat die Architektur eine'feste Regel,
einen bestimmten Styl gewonnen; es gilt nun zunächst nicht mehr, neue Formen 325
aufzustellen, sondern auf der Grundlage des Gewonnenen das Einzelne aus-
zubilden oder in neuen Verbindungen anzuwenden. Je bestimmter aber die
Grundregel, um so wichtiger ist es, dass sie sicher zu allgemeinerem Gebrauche
überliefert werde; und aus diesem Grunde wage ich die Ueberlieferung des
Alterthums nicht in Zweifel zu ziehen, welche bereits dem Theodoras, so wie
dem Chersiphron und Metagenes Schriften über jene grossen Tempelbauten beilegt.

Ganz anderer Art, als diese letzteren, war ein Werk, welches nicht weniger
die Bewunderung des Herodot erregte, und daher sicher der älteren Zeit an-
gehörte, die Wasserleitung auf Samos, von Eupalinos aus Megara ausgeführt,
vielleicht unter der Regierung des Polykrates, durch den sich Samos einer hohen
Blüthe erfreute. Freilich dürfen wir ein solches Werk nicht nach dem Maass-
stab unserer heutigen Technik messen, und auch in den späteren Zeiten des
Alterthums würde es kaum als etwas so Ausserordentliches hervorgehoben
werden, wie von Herodot; so wie wir denn auch in der That bei keinem
späteren Schriftsteller irgend eine Erwähnung davon finden. Seinen Ruhm ver-
dient es indessen als das erste in seiner Art. Wenn sich nun hier, wo es sich
weniger um künstlerische Schönheit, als um Ueberwindung technischer Schwierig-
keiten bandelte, der Name des Architekten im Gedächtnisse der nächstfolgenden
Geschlechter erhielt, so dürfen wir wohl daran erinnern, wie auch der Erfindungen
des Chersiphron und Metagenes, vermöge deren sie die Säulen und das Gebälk
aus den Steinbrüchen transportirten und das Gebälk in die richtige Lage brachten,
mit besonderem Lobe gedacht wird. Wir erkennen daraus, dass wir es jetzt
noch mit einer Zeit zu thun haben, welche es dem Künstler noch nicht ge-
stattet, seine Aufmerksamkeit ausschliesslich der Ausbildung der künstlerischen
Form zuzuwenden, sondern ihn zwingt, stets die Ausführbarkeit seiner Pläne
ms Auge zu fassen und die ihr entgegenstehenden materiellen oder technischen
Hindernisse aus dem Wege zu räumen.

Die Thätigkeit des Theodoros in Sparta, und umgekehrt die des Eupa-
lin os in Samos weist uns auf einen lebhaften Verkehr zwischen der klein- 326
asiatischen Küste und dem eigentlichen Griechenlande auch auf dem Gebiete
der Kunst hin. Doch erstreckt sich diese keineswegs so weit, dass etwa die
kleinasiatischen Kunstformen sofort in Griechenland Eingang gefunden hätten.
Das Heraeon und der ephesiche Tempel waren im ionischen Styl gebaut, die
berühmtesten Werke dieser Periode in Griechenland sind dorisch. Am ge-
waltigsten tritt unter ihnen die Anlage des Zeustempels zu Athen hervor, an
welcher vier Architekten, Antistates,Kallaeschros, Antimachides und
Porin os thätig waren. Leider ward ihr Werk durch den Sturz der Pisi-
stratiden unterbrochen. Den Zerstörungen der Perserkriege ist es wahrschein-
lich zuzuschreiben, dass wir über andere athenische Bauten der älteren Zeit
ohne Nachricht geblieben sind. Wie aber überhaupt die Uebermacht Athens
jetzt noch nicht wie später hervortritt, so herrscht sein Einfluss auch noch nicht
in der Architektur. Der Bau des Tempels zu Delphi zur Zeit der Pisistratiden
ward, obwohl seine Leitung von dem athenischen Geschlechte der Alkmäoniden
 
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